Visionär Nov11


Visionär

Georg Kamm kämpft gegen Notstände
Tansania ist die Heimat von Georg Kamm – neben Rothenburg. Was er in diesem Land, mit Strahlkraft in die Entwicklungsländer auf dem schwarzen Kontinent, bewirkt hat, ist einzigartig. Er selbst sagt, dass „sei Gott gewollt“.
50 Jahre ist es her, dass Georg Kamm als Missionar der Leipziger Mission nach Tansania ausgesandt wurde. Er war gelernter Schreiner und Krankenpfleger – ansonsten in der Jugend eher unbedarft. Mit gerade mal 25 Jahren begann er in einem Krankenhaus in Tansania die Anästhesieabteilung aufzubauen. Das war aber nur der Anfang. „Durch die Schreinerlehre hatte ich Kreativität gelernt“, so Kamm.
Also hat er ein neues Narkosegerät entwickelt, transportabel und an die afrikanischen Bedürfnisse angpasst. Mit den „Flying Doctors“ hat er 52 Krankenhäuser damit versorgt. „Der neue Star am Anästhesiehimmel“ betitelte ein Zeitungsbericht in Indonesien einen Bericht über ihn.
Georg Kamm hat die Not gesehen und angepackt. Er ist kein Zauderer, er ist ein Macher. Gleichwohl einer ohne Ellbogen und mit dem Herzen am rechten Fleck.
Bei seinem Besuch in Rothenburg zum Anlass der Feierlichkeit zur 50-jährigen Entsendung und seines 75. Geburtstages kam er mit großen Teilen seiner Familie und vielen Freunden nach Rothenburg. Der Selbstbezug der Menschen in Deutschland, das ständige Drehen um das eigene Ich, ist nicht seine Welt. „To take care“ (sich um den anderen kümmern) – in diesem Ansatz ist Georg Kamm zuhause.
Sein Wirken in der Anästhesie ging noch weiter. Er hat Vorträge in China, Indonesien, Rhodesien (Simbabwe), den Philippinen und in den USA gehalten. Er hat ein Fachbuch über Anästhesie geschrieben, und über 20 wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht. 1997 hat er die Franz-Kuhn-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie erhalten. Die Anästhesie war seine Welt – aber da hatte noch jemand mehr mit ihm vor.

Infusionen für Afrika
In den 70er Jahren war die wirtschaftliche Lage in Tansania schlecht. Es gab keine Medikamente und keine für die Anästhesie nötigen Infusionslösungen. „Also haben wir das selbst gemacht“, so Kamm. Zuerst nur für das eigene Krankenhaus, dann auch für andere. Das hat Wellen geschlagen: Bis hin zu Staatspräsident Julius Nyerere und dem damaligen Bundesminister Jürgen Warnke.
So kam er zu dem Auftrag, das Herstellungsverfahren für Infusionslösungen weit über Tansania hinaus aufzubauen. Im Kongo, in Äthiopien, Kenia, Uganda, Sierra Leone und anderen afrikanischen Ländern hat er über 82 Einheiten zur Herstellung der Infusionslösungen implementiert.
Hilfe zur Selbsthilfe stand für Georg Kamm dabei immer im Vordergrund, und so wurden parallel dazu Schulen zur pharmazeutischen Ausbildung gebaut und die Gerätschaften einmal im Jahr gewartet. Ausbildung, Betreuung, Forschung gingen Hand in Hand. Georg Kamm hat für seinen Einsatz das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Viel wichtiger scheinen ihm aber die Kontakte zu den Menschen zu sein: Zu den Koryphäen auf medizinischem Gebiet (die auch zur Ehrung nach Rothenburg gekommen sind), die sich für seine Projekte eingesetzt haben, und zu den Menschen vor Ort. In Tansania ist sein Lebensmittelpunkt.
Seit fast 50 Jahren ist er mit seiner Frau Maria verheiratet, und lebt seit vielen Jahren in Moshi am Fuß des Kilimandscharos. Für diese Ehe musste er anfangs kämpfen, denn in der 1960er Jahren war es nicht gerne gesehen, dass ein Missionar eine Afrikanerin heiratet. Dabei ist Maria Kamm nicht irgendwer. Die promovierte Rechtswissenschaftlerin war 10 Jahre lang Parlamentsmitglied, hat Institutionen zur Unterstützung der Frauen ins Leben gerufen und 22 Jahre lang die „Weru Weru School“, Tansanias Eliteschule, geleitet. Im Jahr 2014 wurde sie zur „Frau des Jahres“ in Tansania gewählt. Das aktuellste Projekt von Maria Kamm ist die „Mama Clementina Foundation“, die jungen Frauen, die durch eine ungewollte Schwangerschaft die Familienbindung verlieren, eine neue berufliche und soziale Zukunft bietet.
Ein neues Projekt
Georg Kamm ist seit einigen Jahren im „Ruhestand“. Ruhe ist dabei so ein Wort, das es in seinem Leben (er hat drei Flugzeugabstürze und ein Kidnapping im Kongo erlebt) eigentlich nicht gibt. „Ich züchte nun mit einigen afrikanischen Frauen Austernpilze“, verrät er. Im großen Stil werden die Pilze angebaut. Getrocknet sind sie eines der besten Medikamente gegen Aids.
Das Ehepaar Kamm, das drei eigene Kinder hat und vier weitere groß gezogen hat, kommt regelmäßig nach Rothenburg. Die Verwurzelung hier ist tief – und auch die Dankbarkeit, dass die Rothenburger die Projekte immer unterstützt haben, wie Maria Kamm mit Nachdruck feststellt. am