Über den höchsten Gipfeln – Eine Alpenüberquerung im Heißluftballon Jan08


Über den höchsten Gipfeln – Eine Alpenüberquerung im Heißluftballon

Einmal über Europas höchstem Gebirge schweben, das ist für manche ein ganz besonderer Traum. Erfüllen kann ihn Georg Reifferscheid. Vor 30 Jahren hat den ehemaligen Kriminalbeamten die Leidenschaft zum Ballonfahren gepackt. Seit 26 Jahren bietet er in Rothenburg mit seiner Firma Happy Ballooning gewerblich Ballonfahrten an und ist zusätzlich als Fluglehrer und Prüfer aktiv.
Von April bis Oktober startet er mit seinem Ballon täglich vor der mittelalterlichen Kulisse der Touristenstadt. „Viele, die schon mal im Ballon gefahren sind, interessieren sich dann für die Alpenüberquerung“, erzählt der erfahrene Pilot.
Seit 2011 bietet Reifferscheid daher in den Wintermonaten Alpenüberquerungen mit dem Heißluftballon an, an denen man aber auch ohne vorherige Ballonfahrten teilnehmen kann.
Mit drei unterschiedlich großen Ballonen bringt er das ganze Jahr über die Menschen hoch zwischen Himmel und Erde. Für die Alpenüberquerung ist der größte davon im Einsatz. Nach Saisonende positioniert er den Ballon in Alpennähe um jederzeit startbereit zu sein.
„Eine Alpenüberquerung im Heißluftballon ist zwischen November und März möglich“, sagt Georg Reifferscheid, denn eine spezielle Wetterlage ist dafür nötig. Ein abziehendes Tief und ein nachfolgendes Hochdruckgebiet mit Nordwind müssen sich abzeichnen.
Reifferscheid sammelt alle Interessenten für eine Alpenüberquerung auf einer Liste und informiert sie etwa zwei bis drei Tage bevor sich die passende Wetterlage ankündigt. Dann ist Flexibiltät angesagt. Mindestens zwei Tage sollte man sich spontan frei machen können für das besondere Abenteuer.
Los geht es in den frühen Morgenstunden am Alpennordrand. Die Gegend um den Tegernsee oder auch die Region um Tannheim in Österrreich haben sich als Startplätze bewährt.

Und los geht‘s: Februar 2018 starteten Georg Reifferscheid und seine Passagiere in Lenggries und landeten in Fontanafredda (bei Pordenone). 

Wärmer als gedacht
Eine ordentliche Winterkleidung und warme Schuhe sollten die Alpenüberquerer parat haben. Die Vorstellung, es müsse doch zugig und eisig kalt im Ballon bei der Fahrt über die Alpen sein, ist falsch. Der Wind ist kaum spürbar und die Temperaturen seien „wie beim Skifahren, wenn am Berg die Sonne scheint“, erklärt der Pilot.
Maximal vier Passagiere kann Reifferscheid bei der Alpenüberquerung im Korb mitnehmen. Dazu kommen er und ein weiterer Pilot um für beste Sicherheit zu garantieren. Etwa drei bis fünf Stunden dauert dann die Fahrt über die Alpen. Nach etwa einer halben Stunde ist die Reisehöhe erreicht, die zwischen 4 000 und 6 000 Metern liegt. Die Passagiere werden alle mit Sauerstoff versorgt. Reifferscheid hat insgesamt 300 Kilogramm Gas und Sauerstoff an Bord, doppelt so viel wie bei einer Ballonfahrt unter dem Jahr.

Georg Reifferscheid (rechts) bringt die Ballonfahrer sicher über die Alpen. Zur Unterstützung hat er stets einen befreundeten Piloten dabei. Fotos: Privat

„Der Ballon erreicht in dieser Höhe eine Geschwindigkeit zwischen 80 bis 100 km/h“, erklärt der Pilot. Zum Vergleich: Bei einer „normalen“ Ballonfahrt liegt die Geschwindigkeit bei maximal 20 km/h. Eine Alpenüberquerung ist nicht nur für die Passagiere etwas Besonderes, sondern auch für den Piloten. Vor dem Start muss er einen Flugplan erstellen und bei der Flugsicherung anmelden. Der Pilot muss ein englisches Sprechfunkzeugnis haben, ein Transponder muss an Bord sein, womit der Ballon anhand eines Codes stets von der Flugsicherung zu erkennen ist. „Ich bin per Funk permanent in Verbindung mit der Flugsicherung“, erklärt Georg Reifferscheid.
Während der Pilot seine Arbeit macht, können sich die Passagiere dem einzigartigen Genuss hingeben. Der Blick auf Berge und Täler oder hinweg über die höchsten Gipfel in die Ferne sucht seinesgleichen. Ist beim Start manchmal noch eine lockere Bewölkung vorhanden, klart das Wetter in der Regel auf und strahlender Sonnenschein begleitet die Ballonreisenden. Da diese Wetterbedingungen nur wenige Male in einem Winter vorkommen, sind meist weitere Ballonfahrer unterwegs und zeichnen sich wie schwebende Luftballone in der Nachbarschaft ab.

Dem Himmel ganz nah: Der Ballon ist in 5 295 Metern Höhe unterwegs.

Gastfreundschaft in Italien
Zeit und Raum spielen hier oben keine Rolle mehr. Allein das Auge genießt diese einzigartige Freiheit zwischen Himmel und Erde. Nach einigen Stunden tauchen dann der Alpensüdrand und somit Italien auf. Die Landung kann prinzipiell zwischen Undine und Mailand stattfinden. Das Ziel ist immer unbekannt. Ein bisschen Abenteuer darf schon sein.
„Die Italiener sind unheimlich hilfsbereit“, erzählt Georg Reifferscheid. Hat er einen geeigneten Landeplatz gefunden und den Ballon sicher aufgesetzt, gehört natürlich auch die traditionelle Taufe der Passagiere dazu, die erstmals Ballon gefahren sind. Danach orientiert er sich erst mal mit der Gruppe, denn das Begleitfahrzeug benötigt ein paar Stunden, bis es vor Ort ist. Meist kommen dann schon einige Einheimische. „Wir sind schon privat zum Essen eingeladen worden“, erzählt er. Oder ein Porschefahrer hat sich als Taxi zum nächsten Lokal angeboten. Ballonreisende sorgen eben für Aufsehen.
Mit dem Begleitfahrzeug geht es dann zum Hotel, meist Richtung Treviso. „Die wissen schon, da kommen die Ballonfahrer“, erzählt Georg Reifferscheid. Hier klingt der erlebnisreiche Tag beim gemeinsamen Abendessen aus und am nächsten Morgen fährt die Gruppe zurück zum Startplatz. Die Erinnerungen und die einzigartigen Fotos begleiten die Passagiere, die Georg Reifferscheid meist über seinen Internetauftritt finden, dann ein Leben lang. Und sollte sie mal verblassen, dann kann man sie ja wieder auffrischen.

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