Ruhmvolle Zeiten Mai01


Ruhmvolle Zeiten

Reichardsroth und die Johanniter

Wer nicht aufpasst, verpasst es: Nur 13 Kilo­mter nördlich von Rothenburg liegt das Dorf Reichardsroth. Die Staatsstraße Richtung Uffenheim führt direkt vorbei, etwa 80 Männer, Frauen und Kinder leben hier. Aus der Ferne erkennt der aufmerksame Beobachter einen imposanten Kirchturm mit romanischen Anklängen. Was macht der in dem eher unscheinbaren fränkischen Dorf?
Reichardsroth hat eine historisch bedeutende Vergangenheit. Der Legende nach soll um das Jahr 990 ein Einsiedler namens Reichard in dem Waldgebiet, Rode genannt, gelebt haben. Er soll Wunder bewirkt haben, in seiner Klause Pilger beherbergt haben und Gläubige sind in der Folge an sein Grab gepilgert. Wissenschaftler gehen von weniger spektakulären Anfängen aus und wollen einen Grundherrn namens Richard, eventuell einen fränkischen Adeligen, als Begründer der Siedlung sehen.

Wilhelm Zink am Reichardsrother Torbogen, einst der Eingang zur Johanniterkomturei.               Foto: am

Wilhelm Zink am Reichardsrother Torbogen, einst der Eingang zur Johanniterkomturei. Foto: am


Mit der wachsenden Bedeutung Rothenburgs und der Nord-Süd-Handelsstraße, die von Würzburg nach Augsburg (durch Reichardsro­ther Gebiet) verlief, kam die Ansiedlung immer mehr in den Blick.
Kaiser Friedrich Barbarossa und Albrecht von Hohenlohe ließen daher 1182 eine Kirche mit Hospital in Reichardsroth errichten. Sowohl der Schutz der Reisenden als sicherlich auch wirtschaftliche Aspekte haben zu der Entscheidung geführt. Und damit das Spital auch qualifiziert geführt wurde, hat Barbarossa die Johanniter, die er von seinen Kreuzzügen kannte, nach Reichardsroth geholt.
Die Johanniter, eine Art Kombination aus Ritter- und Bruderorden, waren geschäftstüchtig und haben Reichardsroth kräftig ausgebaut.
Das erste „Kirchlein“ wurde 1253 zu einer domstiftähnlichen Kirche mit Chortum, Chor, Langhaus und Apsis umgebaut.
Altar und Taufbecken im Chor.	Foto: am

Altar und Taufbecken im Chor. Foto: am


Die Hochzeit in Reichardsroth
Noch heute sieht man den verbliebenen Teilen ihren Reichtum an, und zur Entstehungszeit könnte sogar eine Bauhütte vor Ort gewesen sein. Die Kirche ist ein bemerkenswertes Werk romanischer Fassadengestaltung. Die Ornamente, Masken und Fabelwesen stellen vorwiegend die archaische Dämonenwelt des 13. Jahrhunderts dar und sollten Bedrohungen von der Kirche fernhalten.
Rund um die Kirche entstand unter den Johannitern ein Geviert mit 70 Metern Seitenlänge, das die Komturei mit ihren Wirtschaftsgebäuden berherbergte. Das Eingangstor, der Reichardsrother Torbogen, steht noch heute mitten im Dorf und verwundert ob seiner imposanten Erscheinung so manchen Besucher.
Die Johanniterkommende florierte. Reichardsroth hatte ein eigenes Marktrecht, drei Wei-her zur Fischzucht wurden angelegt, Schenkungen und Stiftungen gingen an den Orden.
Eigentlich wäre alles wunderbar gewesen. Wer weiß, was aus Reichardsroth geworden wäre, wenn den Förderern der Johanniter und Beschützer des Dorfes, den Herrn von Hohenlohe, nicht das Geld ausgegangen wäre? Im Jahr 1387 wird Reichardsroth aus Geldmangel von den Hohenlohern an Rothenburg verkauft und kommt unter die Herrschaft von Heinrich Toppler (1340–1408). Die Kommende gehörte zwar weiterhin dem Johanniterorden (der seit 1227 auch in Rothenburg ansässig war), musste sich aber auch Sparmaßnahmen beugen.
Reichardsroth war dereinst sogar Standort des Zent- und Halsgerichtes. Zwei- bis dreimal im Jahr wurde im Hof des Ordenshauses Gericht gehalten – auch für die Rothenburger Belange, was nicht ohne Konflikte ablief. Sogar Todesurteile wurden vollstreckt. „Der Name „Galgenholz“, für den Wald am Ortsrand hat sich bis heute erhalten“, erzählt Wilhelm Zink, der sich für den Erhalt des Wissens um die Reichardsrother Historie einsetzt. Erst 1525, nach dem Bauernkrieg, wurde das mittlerweile zu klein gewordene Zentgericht aufgelöst, und das Bauerngericht in Rothenburg übernahm die Gerichtsbarkeit.
Zu Zeiten Heinrich Topplers begann Rothenburg auch den Ausbau der Landwehr. Zwischen 1420 und 1480 wurden das Gebiet mit einer über 60 Kilometer langen Befestigungsanlage gesichert. Ein Wall, zu beiden Seiten von Gräben und mit Hecken flankiert, sollte Eindringlinge abhalten. Hegereiter patrouillierten auf den Wällen, an markanten Punkten wurden die Eingänge von Zöllnern an Landtürmen kontrolliert. Auch in Reichardsroth stand ein Landturm, heute mit fachkundiger Erklärung erkennbar. Die Landhege im anschließenden Wald wurde von den Reichardsrothern bzw. der Gemeinde Orhrenbach, zu der der Ort längst gehört, im Rahmen der Errichtung eines Waldlehrpfades in einem Teilstück saniert und gibt einen wertvollen Einblick in die Historie.
Der Verfall der Johanniterkomturei konnte jedoch nicht aufgehalten werden. Das Johannitergut wurde im Bauernkrieg geplündert. Nur wenige Bauern blieben im Dreißigjährigen Krieg im Dorf. Das Gotteshaus verfiel zusehends, um 1660 stürzte das Dach des Langhauses ein, 1745 wurde der Giebel abgerissen, 1806 die Nordmauer. Was geblieben ist, ist die Erinnerung an eine besondere Zeit und der Stolz der Reichardsrother auf die steinernen Zeugen der Vergangenheit, die sie heute mit gemeinsamer Kraft erhalten. am