Menschen wachsen sehen Sep24


Menschen wachsen sehen

Martin Hanselmann: Jede Stunde des Lebens ist wertvoll

Martin Hanselmann (Dritter v. re.) ist als Football-Coach in seinem Element. Foto: privat

Martin Hanselmann (Dritter v. re.) ist als Football-Coach in seinem Element. Foto: privat

„Ich bin ein Rothenburger“, sagt Martin Hanselmann voller Überzeugung. Es klingt ein wenig so wie in der Rede von John F. Kennedys im Jahr 1963 in West-Berlin: „Ich bin ein Berliner“.

Das Plönlein und die Spitalgasse, da ist er aufgewachsen und das ist sein Zuhause. Vater Ernst stammt aus Brettheim und war viele Jahre bei Eisen-Keitel angestellt. „Meine Mutter kam als Flüchtling aus Schlesien nach Brettheim, wo sich die Eltern kennen gelernt haben“, erzählt Martin Hanselmann weiter. Sein älterer Bruder Reiner ist noch in Brettheim geboren. Sein jüngerer Bruder Stefan und er selbst haben in Rothenburg das Licht der Welt erblickt.

Schon während der Schulzeit in der Tauberstadt fiel er mit seinen sportlichen Leistungen auf. „Früher wurden junge Talente noch gefördert. Heute ist der Sport das erste, was an unseren Schulen ausfällt“, bemängelt Hanselmann. Seiner Meinung nach ist Sport nicht nur Bewegung, sondern fördert wichtige soziale Kompetenzen wie den Teamgeist. Ob Turnen, Fußball oder Leichtathletik, alles hat bei dem jungen Rothenburger „gepasst“, wie man es auf fränkisch zu sagen pflegt.

Mit Schnelligkeit im Sprint und sehr gute Leistungen in anderen Disziplinen im Rahmen der Leicht­atlethik lag die Entscheidung nahe, auf eine Kadersichtung (Talentauswahl) hinzuarbeiten.

Die ehrliche Aussage des damaligen Bundestrainers Bert Sumser über die mangelnde Schrittlänge Hanselmanns war eine große Enttäuschung und ein ebenso großer Zeitverlust jahrelangen Leichtathletiktrainings.

Eine andere Welt
Motiviert durch seinen Freund Oliver Rosemann schnupperte Martin Hanselmann im Herbst 1982 in das allererste Training für „American Football“, aus dem später die „Franken Knights“ in Rothenburg entstanden sind. Natürlich faszinierte den damals Jugendlichen auch das amerikanische Leben, hinter den Kulissen der Illesheimer Kaserne aus der viele Footballspieler kamen. Dort fanden nicht selten Football-Treffen statt. Es wirkte alles amerikanisch: die Straßennamen, die Geschäfte und die Menschen.

„In den USA wird der Sport von den meist privat finanzierten Schulen und durch Firmen gefördert. In den Highschools gehört der Sport zum Bildungssystem. Im amerikanischen Schulsport geht es um die Talentsichtung, ähnlich wie in der ehemaligen DDR“, erklärt er den Unterschied. Es existiert keinerlei Vereinssport. Jeweils ein halbes Jahr wird an den Schulen eine Sportart intensiv trainiert.

Die Footballsaison beginnt im September und wird im Januar vom Basketballtraining abgelöst. Über den Sommer steht Baseball im Vordergrund. Football in Rothenburg zu spielen ist wie ein Stück Amerika in Franken. „American Football“ erfüllt seither das Leben des Martin Hanselmanns. Schnell stieg er zum Cheftrainer verschiedenster Vereine auf und brachte Spieler wie Mark Nzecho, Thomas Rausch, und Sohn Dominic Hanselmann in die Nationalmannschaft, um nur einige zu nennen. Die Freude am Football wurde für den ausgebildeten Bankkaufmann zum Lebensinhalt.

Mit Hanselmann als „Head Coach“ gewann die deutsche Football-Nationalmannschaft die Europameisterschaft 2001 und die World Games 2005, zudem wurde die deutsche Auswahl 2005 EM-Zweiter und 2003 WM-Dritter.

Außerdem war Hanselmann Prä­sident des Bayerischen Football-Verbandes. Derzeit arbeitet er als „Head Coach“ der „Stuttgart ­Surge“, eine von acht Mannschaften der European League of Football (ELF), die im Frühjahr diesen Jahres neu gegründet wurde. Robert Huber, der seit 1997 AFVD-Präsident ist, scheint in naher Zukunft einen Nachfolger zu bekommen. Immer öfter fällt der Name „Hanselmann“ für den Posten. „Ich bin eher der bessere Zweite, soll heißen, ich arbeite lieber am Menschen als mich um die Gesamt­politik des ,American Football‘ zu kümmern“, weiß er aus Erfahrung. Allerdings arbeitet er auch an sich und der sinnvollen Nutzung seiner ihm zur Verfügung stehenden Stunden eines jeden Tages.

Yannik Wiehl aus Gebsattel, das neue Football Nachwuchstalent beim Training mit Martin Hanselmann. Foto: ul

Yannik Wiehl aus Gebsattel, das neue Football Nachwuchstalent beim Training mit Martin Hanselmann. Foto: ul

Er hat eine eigene Zeitrechnung für seinen Lebensalltag aufgestellt: „Der Tag hat 24 Stunden, davon brauche ich acht bis neun Stunden Schlaf“, gesteht er.
Den Großteil der Zeit investieren die Menschen in den Beruf, der in Hanselmanns Augen zuallererst Spaß machen sollte. Das gibt Kraft und Motivation für berufliche Ziele. Aus diesem Grund beschloss er nach zehnjährigem „Bänkerdasein“, seinen Beruf an den Nagel zu hängen und gemeinsam mit seinem Bruder Stefan den ctk-Sportpark in Rothenburg zu eröffnen. „Seitdem tue ich was mir Freude macht: Die Stärken der Sportler fördern und zum Erfolg bringen, dass ist meine Leidenschaft. Es liegt mir eben mehr als im Bankjob zu arbeiten“, beschreibt der Footballprofi.

„Es gibt viele Menschen, die sich irgendwohin diskutieren, um die Karriereleiter zu erklimmen“, so Hanselmann. Im Sport aber zählen die Fakten und die sind messbar. Als aktueller Cheftrainer der „Stuttgart Surge“ muss er nicht das ganze Jahr bei seinen Spielern vor Ort sein. Martin Hanselmann erstellt für jeden einen individuellen Trainingsplan und macht einmal im Monat einen Leistungscheck. „Es läuft wie in den USA. Ein Cheftrainer hat neun Assistenztrainer, die die Aktivitäten der Sportler betreuen und unterstützen“.

Eigene Fitness erhalten
Ohne das Engagement seines Bruders Stefan wäre der „ctk-Sportpark“ neben seiner Funktion als Footballtrainer nicht zu bewältigen. Das Fitnessstudio bietet natürlich auch die Gelegenheit, jederzeit den eigenen Bewegungsdrang, den er seit jeher verspürt, nachzukommen. Dabei erstellt er sich keinen konkreten Trainingsplan. Täglich bis zu 45 Minuten zu trainieren ist sein persönliches Soll.

„Ich unterliege, wie jeder andere Mensch auch den Wellen des Alltags. Mal verspürt man mehr, mal weniger Bewegungsdrang“ gibt der Sportler zu. „Ein muskulöses Gesäß und kräftige Beine machen einen Athleten aus“, führt Hanselmann weiter aus. Für ihn ist das Beintraining wichtig. „Sonst werden sie zu dünn“, sagt er lächelnd.

In der Heimatstadt verwurzelt zu bleiben und doch in der Welt unterwegs zu sein, das erfüllt den Rothenburger schon mit einer gewissen Dankbarkeit. „Wenn ich morgens den Berg zum ,ctk´ hochfahre, ziehe ich Kraft aus dem Anblick der Frankenhöhe, die sich zu jeder Jahreszeit in ein anderes Naturschauspiel verwandelt“, schwärmt er. Ich versuche mir immer besondere Momente zum Beispiel aus meiner Kindheit zu erhalten.

„Es ist mal ein Spaziergang auf der Mauer, ein Spruch auf einer Hauswand oder ein historisches Gebäude, was mich immer wieder an meine Jugendzeit erinnert“, erzählt er zufrieden. ul