Lebenstraum erfüllt Aug01


Lebenstraum erfüllt

Veganes Café und viel mehr erwartet Besucher im Geyer-Schloss

Die beiden Schlossherren leben ihre Vorlieben im Geyer-Schloss Reinsbronn. Foto: ul

Die beiden Schlossherren leben ihre Vorlieben im Geyer-Schloss Reinsbronn. Foto: ul

In die Ritterzeit zurück versetzt fühlt man sich, wenn man auf das schmiedeeiserne Tor des Geyer-Schlosses in Reinsbronn zugeht. Kein schwerer Türklopfer, sondern ein Strick, der die Torglocke zum Klingen bringt, bietet Einlass in das aus dem 13. Jahrhundert stammende Domizil.

Die beiden Schlossherren, Uwe Ottmar (li.) und Thomas Beez haben sich mit dem Erwerb der Burganlage einen Lebenstraum erfüllt. Ottmar als ehemaliger Pflegeheimleiter und sein Partner Thomas Beez, der zuvor eine leitendene Position als Therapeut inne hatte, teilen die Liebe für hilfebedürftige Menschen aber auch zu allem „Gegenständlichen“ aus der Zeit des Mittelalters.

„Bevor wir das Geyer-Schloss im Jahr 2014 beziehen konnten, machten uns die Bedingungen, das denkmalgeschützte Anwesen zu erwerben, über drei Jahre hinweg, Probleme“, erzählt Thomas Beez. „Ohne sein Durchhaltevermögen hätten wir unseren Lebenstraum anderswo suchen müssen“, ist sich Ottmar sicher. Aus einer Neubauwohnung in Dainbach nahe Bad Mergentheim zogen die beiden beruflich sozial engagierten Visionäre mit samt dem vorhandenen, über Jahre zusammen getragenen Mobiliar im mittelalterlichen Stil in ihre neue Lebens- und Wirkungsstätte.

Als begeisterte Flohmarktjäger erstanden sie alle Einrichtungsgegenstände vom original getreuen Wandteppich bis hin zur eisernen Laterne aus zweiter Hand. Im passenden Ambiente finden auch ihre „mitgebrachten“ Talente Raum zur Entfaltung.

Café mit Ambiente aus der Ritterzeit
Uwe Ottmar ist der kreativen Küche verfallen und Thomas Beez liebt es, alte Einrichtungsgegenstände zu restaurieren oder nach Originalvorbild selbst nach zu konstruieren – eine geniale Ergänzung für das gemeinsame Projekt. Seit dem Jahr 2012 haben sie sich für eine vegane Ernährung entschieden.

Kein Café oder Restaurant hatte damals vegane Kost auf der Karte. „Es gab einfach nix. Also mussten wir unsere Torten selber backen,“ erzählt der Hobbybäcker. Jetzt in Besitz passender Räumlichkeiten, bot sich der Rittersaal als das Herzstück des Schlosses für ein veganes Café an. Die im Original befindliche Decke des Raumes aus dem 16. Jahrhundert lässt das Gefühl entstehen, in diese Zeit zurückversetzt worden zu sein. Das Konzept geht auf. „Wir haben mit unseren „veganisierten“ Torten so manch einen Stammgast gewinnen können,“ so Ottmar weiter. Was liegt näher, als gebürtiger Schwarzwälder auch eine gleichnamige Torte anzubieten.

Es sollte aber eine eigene Kreation werden. Anstatt der Kirschen, verwendet der „vegane Bäcker“ Erdbeeren. An Stelle der Sahne und Eier hat er gute Alternativen gefunden. Die Kaffeemandel Buttercreme-Torte und der Rhabarber-Streuselkuchen wird auf der Karte von einem glutenfreien Milchreis-Johannisbeer-Kuchen mit Birkenzucker getoppt. Auch etwas Herzhaftes für den kleinen Hunger wie Salate und Snacks stehen auf der Karte. Egal ob süß oder herzhaft – das Angebot richtet sich nach den Früchten der Saison. Neben dem Sonntagscafé an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat findet auch immer wieder ein Brunch statt. Mit Führungen lassen Uwe Ottmar und Thomas Beez die sehr bewegte Geschichte des mittelalterlichen Refugiums wieder aufleben. „Es sollen ja schließlich auch die geschichtlichen Hintergründe unseres Schlosses nicht in Vergessenheit geraten“, sind sich die beiden Hausherren einig.

Ein württembergisches Ehepaar genießt veganes Gebäck auf ihrem Stammplatz unter dem Wappen des einstigen Schlossherrn Phillip Geyer. Foto: ul

Ein württembergisches Ehepaar genießt veganes Gebäck auf ihrem Stammplatz unter dem Wappen des einstigen Schlossherrn Phillip Geyer. Foto: ul

Das große Wappen an der Wand im Schlosshof, das im Jahr 1588 von dem Reinsbronner Bildhauer Michel Niklas geschaffen wurde, erinnert an den Erbauer Philipp Geyer von Giebelstadt, ein Neffe des legendären Bauernführers Florian Geyer. Die wechselvolle Geschichte des Anwesens geht zurück auf das Jahr 1267. Zu dieser Zeit hat es auch einen Nord- und Südflügel gegeben.

Bevor Philipp Geyer von Giebelstadt das Schloss erwarb, wurde die Anlage als Armenhaus genutzt. „Die Enkelin einer Armenhausbewohnerin hat ihren 80. Geburtstag im Rittersaal des Schlosses gefeiert und ein Schwarz-Weiß-Foto mit ihrer Verwandten hinterlassen“, erzählen die beiden Schlossbesitzer. Das Bild hängt jetzt in einem nostalgischen Holzrahmen als Zeitzeugnis im Schloss. In Uwe Ottmar und Thomas Beez hat die Familie Mack, die das Schloss später über 45 Jahre erhalten konnte, gute Nachfolger gefunden.

Die fehlenden Nebenflügel des Schlosses sollen mit angedeuteten Mäuerchen optisch wieder sichtbar werden. Von den kunsthandwerklichen Fähigkeiten von Thomas Beez zeugen die Ausstattungen der drei Ferienwohnungen und des Einzelzimmers.

Die Möbel in den „Gemächern“, angefangen vom Himmelbett, einem selbst gebauten Waschtisch bis hin zum großen Kleiderschrank hat Thomas Beez alles selbst geschreinert. Auf Wunsch wird auch ein veganes Frühstück serviert.

Neben der Beteiligung am Tag des offenen Denkmals öffnen die beiden ihre Tore für private Festi­vi­täten, zu Führungen und für Trauungen. Als Zweigstelle des Standesamtes der Stadt Creglingen dürfen sich Paare das „Ja-Wort“ geben und die Feier in höfischer Atmosphäre im Rittersaal feiern. Zu einem echten Geheimtipp ist das Geyer-Schloss in Reinsbronn geworden. „Bis Corona kam, konnten wir uns kaum mehr vor dem Gästeansturm retten“, erinnern sich die zwei Lebenskünstler, die sich ihren Lebenstraum erfüllt haben.

Die Hoffnung auf ein wenig Normalität wächst nach der langen Coronapause wieder. ul