Flott unterwegs – Der Rothenburger Reinhold Renger ist eine Größe im internationalen Motorsport Sep01


Flott unterwegs – Der Rothenburger Reinhold Renger ist eine Größe im internationalen Motorsport

Hier bei uns, mitten in Franken bzw. Hohenlohe, geht es gemächlich zu. Die Region und die Menschen haben etwas Bodenständiges, Verwurzeltes. So auch Reinhold Renger. Er ist Rothenburger, ein Familienmensch und – was man nicht vermutet – Rennfahrer. Ruhig und fokussiert erzählt er von seinem Werdegang. Vom Rausch der Geschwindigkeit, vom Adrenalin, das durch den Körper schießt, von all den Gemeinplätzen, die gerne einem Rennfahrer zugesprochen werden, ist erstmal nichts zu merken. Reinhold Renger rast nicht durch die Straßen Rothenburgs, sondern lieber über den Nürburgring. Die Nordschleife, die grüne Hölle, „ist meine Hausstrecke“, erzählt er.

Mit großem Einsatz
Üblicherweise starten Rennfahrer ihre Karriere als Heranwachsende beim Kartsport. Reinhold Renger ist im Vergleich dazu ein Spätzünder gewesen. Bei der Firma Korn hat der heute 50-Jährige eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker gemacht. Mit 18 Jahren nahm er an Slalom-Cups vom BMW-Club teil. Das lief recht gut, er war motorsportbegeistert und verbesserte sein Können bei verschiedenen Fahrtrainings. Die ersten Rennen fuhr er mit 22 Jahren. 1994, mit 26 Jahren, startet er bei seinem ersten Profirennen am Nürburg-
ring.
Beim Motorsport ist viel Geld im Spiel. Um Teil eines Rennteams zu werden, ist es ein übliches Prozedere (auch in der Formel 1), dass die Fahrer eine „Mitgift“ in Form von Sponsorengeldern mitbringen. Reinhold Renger musste also nicht nur fahren können, er musste auch Sponsoren akquirieren. „Bezahlte Motorsportler gibt es nur ganz wenige“, erklärt er.
Renger hat sich damals eine Deadline gesetzt: „Entweder du schaffst den Durchbruch in zwei bis drei Jahren, oder du lässt es sein“. Und 1995, ein Jahr später, kam schon der Durchbruch: Beim 24h-Rennen am Nürburgring erreichte er den 4. Platz von etwa 190 Startern. Die Branche wurde auf ihn aufmerksam.

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Auf Erfolgskurs: Reinhold Renger im weißen Porsche beim Rennen in Daytona . Fotos: Privat

Zwei Standbeine
„Ich war aber nie Profirennfahrer, sondern immer nur ein Amateur, der Profirennen fährt“, erklärt er. Bis 2006 hat er als Serviceleiter bei der Firma Korn gearbeitet. Seine Motorsportkarriere lief stets nebenher. Hier kommt der bodenständige Mensch im Rennfahrer zu Tage: Als Basis ein festes Einkommen um die Familie zu ernähren, als Zugabe eine Leidenschaft, die sich mit steigendem Erfolg selbst finanziert hat.
Und die Erfolge können sich mehr als sehen lassen: Er ist 1988/99 in der Deutschen Tourenwagen Challenge (der höchsten Liga in Deutschland) gestartet; 2000 bis 2001 hat er am Carrera Cup teilgenommen. Seit 2000 fährt er im Manthey-Team mit Porsche in verschiedenen Rennserien und parallel dazu mit anderen Teams mit Mercedes. Beim 24h-Rennen am Nürburgring hat er fünf Mal den Klassensieg errungen, beim 24h-Rennen in Dubai drei Mal. 2015 hat er gemeinsam mit Rennfahrer Bernd Schneider (fünffacher DTM-Champion) das 24h-Rennen in Barcelona in einem Mercedes SLS GT3 gewonnen, und ist 2017 und 2018 mit Porsche beim weltbekannten 24h-Rennen in Daytona vorne mitgefahren.
Seit vielen Jahren fährt er sehr erfolgreich internationale Rennen in der GT3, der Topliga des Tourenwagensports. Bei der Blancpain Asia Series GT4 (GT4 gibt es erst seit diesem Jahr) führt Reinhold Renger aktuell in einem Mercedes-AMG GT4 mit 25 Punkten Vorsprung
auf den Zweiten. Das nächste Rennen findet am 22. und 23. September in Shanghai statt.
Die Rennserie besteht aus zwölf Rennen im asiatischen Bereich, zum Beispiel in Malaysia, Thailand, Japan oder China. Dass er die Rennserie anführt, empfindet er selbst als außergewöhnlich, denn mit 50 Jahren liegt er weit über dem Altersdurchschnitt (etwa 30 Jahre) seiner Rennfahrerkollegen.

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Mit dem Mercedes-AMG GT4 ist Reinhold Renger (hier beim Interview) an der Spitze der asiatischen Rennserie.

Um vorne mitzufahren, bedarf es sowohl der mentalen Stärke, als auch der körperlichen Fitness. „Ich mache Fitnesstraining und gehe vier bis fünf Mal die Woche laufen, immer in der Mittagshitze“, erklärt er. Fährt er zum Beispiel ein Rennen in Malaysia liegen die Außentemperaturen bei 40°C, im Auto bei etwa 60°C. Der Puls bewegt sich bei einem Rennen permanent zwischen 160 bis 200. Nach einem 24h-Rennen sind die Fahrer wegen des Wasserverlustes drei bis vier Kilo leichter. „Aber solange ich Lust habe und bei internationalen Rennen erfolgreich mitfahre, mache ich das weiter“, stellt Renger fest.
Eng verknüpft mit seiner Rennfahrerkarriere ist seine eigene Firma entstanden. Seit 1998 macht Reinhold Renger eigene berufliche Schritte: Neben seiner Beschäftigung bei der Firma Korn war er auf selbstständiger Basis für Mercedes als Instruktor für Sportfahrer- und Rennstreckentrainings tätig. Seit Anfang der 2000er Jahre hat er begonnen, die AMG-Driving-Academy für Mercedes zu entwickeln, die 2007 an den Start ging.
Als exklusive Umsetzeragentur für den fahrdynamischen Bereich ist das Unternehmen von Reinhold Renger, „Renger Racing“, zuständig für die Konzeption, die Entwicklung der Programme und die Durchführung. Der Sitz der Firma ist in Affalterbach, in Rothenburg gibt es ein Büro. Renger beschäftigt etwa 15 Projektleiter und 65 Instruktoren.

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Reinhold Renger (mitte) und Bernd Schneider (rechts daneben) haben das 24h-Rennen in Barcelona gewonnen.

Weltweite Motorsportevents
AMG ist die Performance-Marke von Mercedes. Die Motoren werden in Handarbeit nach dem Prinzip „one man one engine“ gebaut. Bei der AMG-Driving-Academy können Motorsportbegeisterte bei verschiedenen Veranstaltungen und Seminaren ihr fahrerisches Können auf weltbekannten Rennstrecken weiter entwickeln oder einfach nur Spaß an der Dynamik des Motorsports haben. Das Angebot reicht vom Event für Einsteiger bis zum Training für Fahrer auf Profiniveau, immer angeleitet von professionellen Instruktoren. Renger hat die AMG-Driving-Academy nicht nur in Deutschland mit aufgebaut, sondern seit 2009 auch in den USA, seit 2010 in China und mittlerweile in 15 weiteren Ländern, darunter Indien, Russland, Japan, Südkorea, Australien, Abu Dhabi. Jedes Jahr gibt es unter anderem ein AMG-Wintersport-Event am Polarkreis, wo die Performance-Fahrzeuge auf Rennstrecken aus Eis oder Schnee fahren. Oder Renger und sein Team organisieren zweitägige Profi-Training-Veranstaltungen zum Beispiel auf dem Circuit Ricardo Tormo bei Valencia, bei dem gezielt mit Daten und Videoanalyse gearbeitet wird.
„Wir haben beinahe 365 Tage im Jahr Veranstaltungen auf der ganzen Welt“, so Reinhold Renger. Kunden sind Motorsportbegeisterte ebenso wie angehende Rennfahrer. Die Workshops werden unter anderem von Profis wie Bernd Schneider oder Reinhold Renger selbst geleitet.
Ganz bewusst hat Reinhold Renger die Entscheidung getroffen, mit der AMG-Driving-Academy etwas Neues aufzubauen. Die Kompetenzen eines Rennfahrers, Talent, das Gefühl für Fahrdynamik und den Motorsport, eine Portion Egoismus und Agressivität (denn schließlich geht es um das Gewinnen) und natürlich jede Menge Leidenschaft, waren auch hier von Vorteil.
Nun, mit 50 Jahren, wenn bei vielen Rennfahrern die aktive Zeit geendet hat, steht Reinhold Renger gut da: Eine erfolgreiche eigene Firma, ein zum Greifen naher erster Platz in der Blancpain Asia GT4 Serie und ein Privatleben im bodenständigen Franken.
Und damit er dahin auch immer möglichst schnell zurück kommt, hat er vor zwei Jahren seine Pilotenlizenz gemacht und ist nun nicht nur auf der Rennstrecke, sondern auch in der Luft stets flott unterwegs.
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