Einzigartige Privatsammlung – Günter Oberndörfer hat jahrzehntelang auf den Äckern geforscht Jan08


Einzigartige Privatsammlung – Günter Oberndörfer hat jahrzehntelang auf den Äckern geforscht

Ein Hobby hätte jeder gern. Die Auswahl ist groß: Sport, Kunst, Motorräder, schelle Autos, Lesen und so weiter. Günter Oberndörfer hat sich nichts davon ausgesucht. Er streift stundenlang über die Äcker. Rauf und runter, Furche für Furche. Am liebsten im November, wenn der Acker brach liegt, oder noch besser im Frühjahr, wenn Schnee und Regen den Boden gespült haben. Seit über 40 Jahren macht er das. Was ihm das bringt? Er hat Dutzende von prähistorischen Siedlungen entdeckt und wirft dabei einen Blick in das Leben unserer Vorfahren. Mit seinem Hobby macht er Grundlagenarbeit.

Diese Funde lagen auf dem Acker – die Kunst liegt darin, sie zu entdecken.

 

Scherben, Steinbeile und Feuersteingeräte, die etwa 6 500 Jahre als sind.

Initialzündung
Alles begann 1968 mit der Ausstellung prähistorischer Funde von Wilhelm Dannheimer im Reichsstadtmuseum. „Scherbelespfarrer“ habe man Dannheimer genannt, der im Hauptberuf Pfarrer in Mörlbach und Schweinsdorf war. „Dessen Sohn Herrman Dannheimer, mittlerweile 89 Jahre alt, war zehn Jahre der Direktor der prähistorischen Staatssammlung (heute Archäologische Staatssammlung) in München“, erzählt Oberndörfer.
In der Ausstellung im Reichsstadtmuseum hat er sich den zugehörigen Katalog gekauft und darin mehrmals die Anmerkung „Lesefund“ entdeckt. „Ich konnte mir damals gar nicht vorstellen, dass man auf dem Acker Teile findet, die 7 000 Jahre oder älter sind“, erzählt er. Also hat er eine Fundstelle aus dem Katalog ausgewählt, die Mörlbacher Höhe, und ist auf den Acker gegangen. „Ich habe gleich etwas gefunden“, erinnert er sich. Siedlungen zu entdecken, die noch keiner kennt, das wäre was für mich, hat er sich damals gedacht. Sein Hobby, wie er es nennt, war geboren.
Wer einen Einblick in seine Sammlung bekommt, empfindet Hobby nicht als das passende Wort. Geschätzt sind es Tausende von Fundstücken wie Scherben, Steinbeile, Glasperlen, Nadeln, Spinngewichte, Kruseler Püppchen und mehr, die er über die Jahre gesammelt hat. Die besten Stücke hat er in Samt gebettet in ehemaligen Filmkartons archiviert.
„Die sind ein Überbleibsel aus meiner beruflichen Laufbahn“, sagt er schmunzelnd. Günter Oberndörfer hat bei der Firma Holstein Schriftsetzer gelernt. Nach Stationen bei Klett in Stuttgart und seiner Zeit bei der Bundeswehr kam er 1969 zurück nach Rothenburg und arbeitete bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2004 als Schriftsetzer bei Schneider Druck. Während seiner aktiven Berufszeit hat er stets seinen ganzen Jahresurlaub zur Fundsuche auf den Äckern genutzt.

Jeder Punkt markiert eine prähistorische Siedlung, die Günter Oberndörfer entdeckt hat. Fotos: am

Günter Oberndörfer ist 1942 in Rothenburg geboren und hat mit seinen Eltern in der Galgengasse gelebt. Ihre Wohnung wurde im März 1945 ausgebombt und die Familie hat nur durch Zufall überlebt. Er hat als Kind den Beschuss der Amerikaner zu Kriegszeiten miterlebt und als Jugendlicher aktiv Handball und Fußball gespielt. In seinem Haus in Rothenburg finden sich viele Objekte, die einen engen Bezug zur Vergangenheit haben. Er weiß zu bewahren, was einst den Menschen am Herzen lag.
Das Herzstück ist jedoch seine prähistorische Sammlung, „die schönste Privatsammlung“ hat sie Hermann Dannheimer betitelt. Günter Oberndörfer zeigt eine Filmschachtel nach der anderen. Aufgestapelt und nach Fundstellen geordnet stehen sie im Regal. Als Oberndörfer zu Suchen begann, stellte er fest, dass im Altlandkreis Rothenburg schon drei andere Archaölogen (Horst Brehm, Werner Scharff und Anton Müller) unterwegs waren. „Wo ich hingekommen bin, habe ich deren Spuren gesehen“, erzählt er.
Also musste er ein neues Gebiet finden und hat sich den Uffenheimer Gau ausgesucht. „Das war das reinste Dorado“, sagt Oberndörfer. Das Gollachtal und seine Seitenflüsse waren ideale Siedlungsgebiete, denn Oberndörfer hat mindestens 80 prähistorische Siedlungen aus der Steinzeit, der Bronze- und Urnenfelderzeit, der Hallstattzeit, der La-Tène-Zeit und der römischen Kaiserzeit entdeckt. Auf einer Landkarte hat er sie mit farbigen Punkten alle markiert. Ebenso akribisch archiviert er seine Funde. Jede Fundstelle hat eine Nummer, mit der auch die Objekte versehen werden. Die besten Stücke beschreibt er anhand von Zeichnungen und Fundberichten und meldet sie an die zuständigen Behörden des Landesamts für Denkmalpflege in Unterfranken und Mittelfranken. Dort werden sie wissenschaftlich bewertet und danach zurückgegeben. „Mitunter habe ich 20 Jahre darauf gewartet“, sagt er schmunzelnd.

Die „Ergi“, eine germanische Dame, ist im Museum in Uffenheim ausgestellt.

 

Keile, Meißel, Bohrkerne belegen die handwerklichen Fertigkeiten der Menschen.

In Bayern gilt die Regelung, dass Funde jeweils zur Hälfte dem Grundstücksbesitzer und dem Finder gehören. „Das bezieht sich aber eher auf Schatzfunde“, so Oberndörfer. Die Scherben und Steine haben nur wissenschaftlichen Wert und mit den Bauern, deren Äcker er absucht, klärt Oberndörfer sein Vorhaben im Vorfeld ab. Daher verbleiben die Funde in seinem Besitz.
Mit bedachtem Griff zeigt er seine Schätze, darunter mehrere Steinbeile. „An Spitzentagen habe ich sieben Steinbeile gefunden“, erzählt er, „Manchmal aber auch nur eines“. Die Steinbeile wurden um 5300 v.Chr. hergestellt und haben akkurate Bohrungen. Oberndörfer erklärt, dass die Kronenbohrungen eventuell mit Holunderstäben oder Röhrenknochen gefertigt wurden. An einigen Beispielen sieht man, dass auch vor über 7 300 Jahren nicht alles geklappt hat, denn die Steine sind während des Bohrens gebrochen. „Ein Steinbeil war damals wertvoll wie Gold“, erkärt Oberndörfer. Neben den Beilen liegen Pfeilspitzen und Klingen aus Feuerstein, ebenfalls über 7 000 Jahre alt.
Archäologen können anhand der Keramik gut rekonstruieren, wann eine Besiedelung stattgefunden hat. Oberndörfer hat unzählige Scherben gefunden und erklärt die verschiedenen Arten von Keramik und ihre Muster. Die Funde aus Hemmersheim ordnet er der Zeit der Rössener Kultur um 4500 v. Chr. zu. Der Rand wurde mit feinen Mustern sowohl innen als auch außen verziert.
Andere Scherben, Funde aus Ergersheim oder Aufstetten, sind mit Grafit-Brühe bestrichen und verziert. Sie lassen sich somit der Hallstatt-Kultur mit Beginn um 800 v. Chr. zuordnen. Aus der Gegend um Aub und Hohlach hat er Gewandnadeln, Ringe oder Armspangen gefunden. „Diese Funde werden der Urnenfelderkultur um 1200 bis 800 v. Chr. zugeordnet“, so Oberndörfer. Er zeigt die Armspange, die überschlagen ist. Zu dieser Zeit wurden Menschen nach dem Tod mit ihrem Hab und Gut verbrannt. Damit die Armspange danach nicht mehr genutzt werden konnte, wurde sie überschlagen, sozusagen zusammengebogen.
Günter Oberndörfer hat nicht nur gesammelt, er hat sich auch in die Materie eingelesen. Wo in seinem Haus keine historischen Funde Platz finden, stehen Bücher. Ein unglaubliches Wissen hat er sich angeeignet. Zu jedem Thema findet sich Literatur und auch seine eigene Sammlung ist Gegenstand mehrerer Abhandlungen. Archäologiestudenten haben vier Magisterarbeiten und fünf Doktorarbeiten auf der Grundlage seiner prähistorischen Objekte verfasst.
Zu jeder Sammlung gehört eine besondere Rarität und etwas Außergewöhnliches. Auf der Sechselbacher Höhe hat Oberndörfer einst ein Idolfigurfragment aus der Jungsteinzeit (etwa 5500 v.Chr.) gefunden, bei dem das Geschlechtsteil plastisch ausgeformt war. „Für unsere Region sehr außergewöhnlich“, erklärt er. Das Objekt ist mittlerweile im Museum in München.

Die besten Funde hat Günter Oberndörfer in ehemaligen Filmkartons sortiert. Fotos: am

Eine frühmittelalterliche Fälschung
Ein Fund zum Schmunzeln ist eine Münze aus der Merowinger-Zeit, die Oberndörfer in Ergersheim entdeckt hat. Er hat den Fund gemeldet, eingeschickt und 2013 teilte ihm das Institut für Numismatik und Geldgeschichte in Wien mit, dass er eine zeitgenössische Fälschung aus dem 7. Jahrhundert n. Chr. entdeckt hatte.
Seine Funde, dieser Blick in die Vergangenheit, lassen nicht das Bild von ungebildeten Wilden sondern vielmehr von Menschen mit feinem Gespür für Ästhetik aufkommen. Besonders schön ist da die Oberndörfersche Sammlung von Glasperlen und Schmuck aus der La-Tène-Zeit (um 250 v.Chr.): Kobaldblaue Glasarmringe mit feinsten Verzierungen haben die Frauen schon damals getragen.

Falschgeld zwischen schmuckvollem Glas.

Das Wissen bewahren
Die Sammlung von Günter Oberndörfer hat in der Wissenschaft für Aufmerksamkeit gesorgt und geht nun für einen symbolischen Euro an die Archäologische Staatssammlung in München.
Neben seiner privaten Sammlertätigkeit war er über 15 Jahre auch als Altstadtarchäologe und bei zahlreichen Grabungen aktiv. Gemeinsam mit Horst Brehm hat er 1993 bei Ergersheim ein germanisches Frauengrab, „Ergi“ genannt, mit typischer Gewandfibel aus dem 3. Jahrhundert entdeckt. 2007/08 stießen Oberndörfer, Brehm und Walter Gebert im Keller des Uffenheimer Schlosses auf eine romanische Kapelle. Für seinen Einsatz hat Günter Oberndörfer 1993 die Verdienstmedaille der Stadt Rothenburg erhalten.

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