Ein Kneipe von Format Nov01


Ein Kneipe von Format

„Landwehrbräu am Turm“ geht mit neuem Konzept an den Start

Ein Traditionshaus macht sich auf, die Neuzeit zu erobern. Alte Balken, viel dunkles Holz, Bier aus handgemachter Brautradition – und dazwischen fünf junge Menschen. Oliver Götz, Johannes Keitel, Stephan Keitel sowie Florian und Lina Schmalbach packen es trotz Corona an. „Man könnte sogar sagen, ohne Corona hätten wir den Schritt nicht gemacht“, sagt Oliver Götz. Seit September sind die fünf die Pächter des Lokals „Landwehrbräu am Turm“ und haben am 1. Oktober ihre Kneipe mit neuem Konzept eröffnet. Mit einer jungen, lebendigen Kneipenkultur wollen sie ein weiteres Angebot in der Rothenburger Altstadt schaffen.

Florian Schmalbach, Stephan Keitel, Oliver Götz, Johannes Keitel und Lina Schmalbach sind die neuen Wirte im Landwehrbräu am Siebersturm. Foto: Privat

Florian Schmalbach, Stephan Keitel, Oliver Götz, Johannes Keitel und Lina Schmalbach sind die neuen Wirte im Landwehrbräu am Siebersturm. Foto: Privat

Die Idee wurde bereits im März geboren, als Corona die Kulturwelt zum Stillstand zwang. Die beiden Brüder Keitel, Oliver Götz und das Ehepaar Schmalbach sind alle im Vorstand des Vereins Grenzkunst. Seit 2013 realisiert Grenzkunst besondere Kulturveranstaltungen. Dazu zählt das Elektrofestival „Sundowner“ in der Tagungsstätte Wildbad oder auch der „Eulenflug“ mitten im Wald bei Nordenberg. Der Verein hat etwa 30 Mitglieder.
Zum Jahresende haben die fünf Kulturverwirklicher dann zusätzlich Format F gegründet. Mit der GbR wollten sie neue Formate über Grenzkunst hinaus realisieren. „Wir haben Lücken gesehen und die wollten wir in Rothenburg füllen“, so Johannes Keitel. Die Silvesterfeier am Marktplatz war der erste Streich. Anfang März folgte die Bürgermeister-Talkrunde kurz vor der Wahl. Und dann machte das Coronavirus allen weiteren geplanten Veranstaltungen ein Ende. Plötzlich war da viel freie Zeit. „Wir können einfach die Füße nicht stillhalten“, meint Oliver Götz.

Die fünf Freunde hatten gehört, dass der Pachtvertrag im „Landwehrbräu am Turm“ ausläuft und ein Nachfolger gesucht wird. Alle hatten aktuell ihre Ausbildungs- bzw. Studienzeiten abgeschlossen und allerhand neue Ideen im Gepäck. Also warum nicht gemeinsam eine Kneipe aufmachen?

„Wir waren schon überrascht“, erinnert sich Gerhard Ilgenfritz, Geschäftsführer der Landwehrbräu Reichelshofen, die das Gebäude mit Lokal gleich neben dem Siebersturm seit den 1960er Jahren besitzt. „Wir haben aber mit einer ähnlichen Konstellation von Gastronomen im Landkreis bereits hervorragende Erfahrungen gemacht“, fügt er an. Also wurden sich die beiden Parteien zügig einig. Die Format F GbR hat „Landwehrbräu am Turm“ für vorerst drei Jahre gepachtet.

Im Oktober war Eröffnung. „Wir sind junge Leute, und was uns hier fehlt, wollen wir etablieren“, sagt Johannes Keitel. So wie mit den Kulturveranstaltungen von Grenzkunst möchten sie auch im Lokal ein breites Publikum ansprechen. „Besonderen Wert legen wir auf eine moderne Bierkultur“, meint Oliver Götz. Zur Eröffnung gab es ein eigens gebrautes Tröpfchen von der Landwehr-Brauerei aus Reichelshofen. Zum Bier kommen aber auch guter Café und ausgewählte Weine vom Weingut Schenk (Randersacker) und vom Weingut Stahl (Auernhofen).

„Limos, Eistee und Sirups stellen wir selbst her“, erklärt Keitel. Regionalität, Nachhaltigkeit und ein ethisch verankerter Blick auf die Zukunft liegen den fünf Gastronomen am Herzen. Das sind die Themen unserer Zeit und diese wollen sie auch in ihrer Gastronomie repräsentiert sehen. „Großkonzernen geben wir daher keinen Platz“, fügt Johannes Keitel an.

Kulinarisch wird es im „Landwehrbräu am Turm“ eine kleine, feine Karte mit Suppen, individuellen Rezepten, aber auch mit einem bodenständigen Vesper geben. Auch hier wird besonderer Wert auf die Wertigkeit der Zutaten gelegt. „Wir wollen mit der Kneipe raus aus den exklusiven Gruppen und hin zur Wohnzimmeratmosphäre“, so Oliver Götz. Das heißt, jeder ist willkommen: Der Kulturschaffende ebenso wie der Sportverein oder der Stammtisch. Ein offenes Haus mit einer ebensolchen Geisteshaltung.

Kultur in der Kneipe
In diesem Sinn ist immer Dienstag ein Plattenabend angedacht, „der platte Dienstag“. Die Gäste können ihre Lieblings-LP mitbringen und im „Landwehrbräu am Turm“ erklingt dann echter Vinylsound. Ebenso fest eingeplant ist das einmal im Monat stattfindende Kneipenquiz. Außerdem wollen die neu gebackenen Wirte im angeschlossenen Biergarten mit Blick auf die Stadtmauer einen „Winterbiergarten“ in der Vorweihnachtszeit anbieten.

Ideen haben die jungen Geschäftsleute genügend. Bedingt durch die Coronasituation haben sie im Gastraum etwa 20 bis 25 Plätze weniger als üblich. Sobald sich die Situation aber entspannt, soll das kulturelle Programm hochgefahren werden. Zum Start hat die Kneipe unter der Woche von 17 Uhr bis Mitternacht geöffnet, am Samstag von 15 bis 1 Uhr und am Sonntag von 15 bis 20 Uhr, Montag ist Ruhetag.

Davon leben können die Fünf aktuell noch nicht. Alle haben noch andere Jobs nebenher. Sie haben die Krise als Chance gesehen und einen mutigen Schritt gewagt. „Wir hegen aber die Hoffnung, dass sich das gut entwickelt“, so Oliver Götz.
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