Klein und besonders Jun01

Klein und besonders

Rothenburgs Toppler Theater Das Toppler Theater ist aus Rothenburg nicht mehr wegzudenken. „Wir haben uns etabliert“, sagt Jürgen Klatte, erster Vorsitzender des Vereins Toppler Theater e.V.. Im Nordhof des ehemaligen Dominikanerinnenklosters (heute das RothenburgMuseum) hat das Theater seit 2008 einen außergewöhnlichen Spielort gefunden. Klein und fein, mit gerade mal 143 Sitzplätzen, wurde das Theater vom Bayerischen Rundfunk einst als „schönste Freilicht-Kammerspiele Bayerns“ betitelt. Am 21. Juni startet die 16. Spielzeit mit zwei Eigenproduktionen, einem Gastspiel und dem Auftritt der Rothenburger Hans-Sachser. Über die Jahre wurden 29 Eigenproduktionen auf die Beine gestellt. „Eigenproduktionen mit einer gewissen Aufführungsanzahl sind eine Voraussetzung, um die staatliche Förderung zu erhalten“, erklärt Klatte, der die Entwicklung des Theaters von Beginn an begleitet hat. Er kann sich noch bestens an die Gründungszeit erinnern. Gemeinsam mit Dieter Balb, langjähriger Chefredakteur des Fränkischen Anzeigers, und Erich Landgraf, der von 2014 bis 2022 Geschäftsführer des Theaters war, formierte sich ein Dreigestirn, das für das Theater in Rothenburg brannte. Im Jahr 2008, zum Jubiläum des 600. Todestages von Heinrich Toppler (Rothenburgs berühmtem Bürgermeister und Namensgeber des Theaters) ist das Projekt an den Start gegangen. Die drei Intendanten wollten dafür ein besonderes Bühnenstück: „Toppler – oder der Versuch sich die ganze Welt untertan zu machen“ hieß das erfolgreiche Premierenstück, das von Reiyk Bergemann eigens geschrieben wurde. Wichtig war von Anfang an: Das Toppler Theater soll eine Profibühne sein. Schauspieler, Regie, Bühnenbild, Dramaturgie wird stets mit Profis besetzt. Alles andere leisten die Ehrenamtlichen. Das war von Anbeginn an so und blieb unverändert. „Davon lebt unser Theater“, erklärt Jürgen Klatte, der seit Herbst 2021 in einer Doppelspitze mit Hans-Gerhard Gross, ehemals Rothenburger Dekan und seit Dezember 2021 im Ruhestand, das Theater führt. Beide engagieren sich natürlich auch ehrenamtlich, ebenso wie etwa 15 weitere Freiwillige. Hans-Gerhard Gross, der theateraffin...

Straße der Kulturgeschichte Mai01

Straße der Kulturgeschichte

Die Romantische Straße ist die älteste Ferienroute Deutschlands Wie auf eine wertvolle Perlenkette aufgereiht liegen sie, die schönsten Orte zwischen der Barockstadt Würzburg, die seit 1981 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, bis ins oberbayerische Füssen. Die Rede ist von der ältesten Qualitätsferienstraße Deutschlands, der Romantischen Straße. Im Grunde haben die Römer die Straße gebaut, hört man heute. Im Jahr 47 n.Chr. wurde die „Via Claudia Augusta“ über den Reschen- und Fernpass an Füssen vorbei bis nach Augsburg und weiter an die Donau geführt. „Der Grundstein für die heutige Romantische Straße wurde im 19. Jahrhundert gelegt, als sie noch unter dem `Deutschen Reiseweg Nummer 1‘ bekannt war, so der Geschäftsführer der „Arbeitsgemeinschaft Romantische Straße Touristik GbR“ Jürgen Wünschenmeyer. Die Ferienroute wurde im Jahr 1950 durch die Bürgermeister der beteiligten Städte (siehe Karte S. 13) in Augsburg gegründet und wird heute noch durch deren Beiträge finanziert und unterhalten. Die Arbeitsgemeinschaft touristisch orientierter Städte mit Sitz in Dinkelsbühl wurde ein Erfolgskonzept. Die ersten Urlauber der „Romantic Road“, wie sie auch genannt wird, waren US-Amerikaner, die mit ihren Familien die schönsten Ecken Süddeutschlands erkunden wollten. „Der allererste Werbeflyer wurde deshalb auch auf Englisch herausgegeben“, erzählt Wünschenmeyer weiter. Damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, versuchte man Deutschland wieder von einer ganz neuen, lebensfreundlichen und vielfältigen Seite zu zeigen. Vor allem in Nordamerika und in Kanada nutzte die Deutsche Lufthansa und die Deutsche Zentrale für Tourismus die Romantische Straße als Vorzeigeobjekt für deutsche Sehenswürdigkeiten. Mit dem Bus durch Bayern Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Denn schon 1956 nahm die längste Fernbuslinie „Romantische Straße“ Fahrt auf, die bis heute existiert. Die Deutsche Bundesbahn setzte Züge ein, die sich mit der Buslinie der Romantischen Straße verbinden ließen, um alle Höhepunkte der Route erreichen zu können. Die roten Bahnbusse wurden im September 1952 durch den Gründer der Romantischen Straße, Dr. Ludwig Egele, feierlich begrüßt. Im Jahr 1962 wurden die roten Busse durch türkis-beige Fahrzeuge der Deutschen Touringgesellschaft ersetzt.Die gesamte Strecke verbindet heutzutage 29 sehenswerte Orte mit geschichtsträchtigen Bauwerken. Auf dem über 460 Kilometer langen Weg begegnet man der von Balthasar Neumann geschaffenen Würzburger Residenz, Tilman Riemenschneiders Werken im Taubertal, der historischen Stadt Rothenburg ob der Tauber im Norden, dem Schloss Neuschwanstein und Füssen im Süden. „Wären die Städte im Dreißigjährigen Krieg nicht so verarmt, so dass Modernisierungen finanziell kaum möglich waren, gäbe es heute nicht mehr so viele historische Bauten“, so Geschäftsführer Wünschenmeyer weiter. Wer in Wertheim Halt macht, kann den Blick auf die Burg genießen, oder von der Marienbrücke in Füssen aus auf Schloss Neuschwanstein blicken. Weitere wichtige historische Zwischenstationen entlang der Straße sind Bad Mergentheim, Weikersheim, die Herrgottskirche in Creglingen, Dinkelsbühl, Nördlingen, Harburg, Donauwörth, Augsburg, Friedberg und Landsberg am Lech. Auf dem Weg in die Heimatstadt der „Augsburger Puppenkiste“, die übrigens mit einer Fuggerei aus dem 16. Jahrhundert aufwarten kann, liegt westlich der Ort Wallerstein. Auf einer Bergkuppe thront das Schloss Baldern, das zum ersten Mal im 11. Jahrhundert urkundlich erwähnt wurde. Es gibt vieles zu entdecken, wobei das bayerische Bier, fränkischer Wein und die süddeutsche Küche so manchen Gaumenschmaus bereit halten. Die Dreh- und Angelkreuze der Tour liegen jedoch bei Rothenburg und Schloss Neuschwanstein, das der bayerische König Ludwig II erbauen ließ. Der amerikanische Filmproduzent Walt Disney nahm sich das barocke Bauwerk für seine Traumschlösser in Filmen wie „Cinderella“ und „Dornröschen“ zum Vorbild und gestaltete nach dem Schloss das Firmenlogo. Aber warum Rothenburg? Die Stadt hat sich mit seinen gepflegten und gut erhaltenen Bauten einen Namen gemacht. Die Bürgermeister und Stadträte haben stetig in gute Außenwerbung investiert und für historische Veranstaltungshöhepunkte über das Jahr verteilt gesorgt. Die Stadtherren aller beteiligten Städte verpflichteten sich bei der Gründung die Romantische Straße auf Messen in Italien, Spanien, Japan, China, in den USA, den Beneluxländern und in Orten Nordeuropas zu präsentieren. Weltweit fand dieses Konzept großen Anklang. Denn im Jahre 1982 wurde die Japanische Romantische Straße nach deutschem Vorbild eröffnet. 2007 wurde die Partnerstadt mit der „Rota Romantica“ in...

Die blaue Truppe Mai01

Die blaue Truppe

Das Technische Hilfswerk: Vielfältige Entfaltungsmöglichkeiten Den einen Einsatz gibt es nicht. Die Ortsgruppe Rothenburg des Technischen Hilfswerks (THW) ist breit aufgestellt. Das macht für den kommissarischen Ortsbeauftragten Holger Krauß, den zweiten stellvertretenden Ortsbeauftragten Hendrik Hiller und für Felicia Koch, Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit, den besonderen Reiz eines Engagements beim THW aus. Hier kann jeder – je nach Neigung und Interesse – seine persönlichen Fertigkeiten einbringen und weiter entwickeln. Aktuell hat die Ortsgruppe Rothenburg etwa 60 ehrenamtliche Mitstreiter, allerdings ist nur ein Teil davon aktiv im Einsatz. „Wir suchen dringend Unterstützung“, sagt Holger Krauß. Das THW gibt es seit 70 Jahren und seine Organisationsstruktur ist etwas besonders: Das Technische Hilfswerk gehört als Bundesanstalt in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat. Das THW ist somit sowohl eine Bundesbehörde als auch eine ehrenamtlich getragene Einsatzorganisation. Einsätze können daher bundesweit und sogar weltweit angefordert werden. Jeder Ortsverband hat dabei seine eigene Stärke und verfügt über besondere Fachgruppen. In Rothenburg gibt es neben der Fachgruppe N (Notversorgung und Notinstandsetzung) die Fachgruppe B (Bergung), den Zugtrupp (eine organisatorische Einheit, die Einsätze plant und Untereinheiten führt), und die Fachgruppe E (Elektroversorgung). Die Fachgruppe Elektroversorgung stellt die Stromversorgung an großen Einsatzstellen sicher. „Wir verfügen daher über große Notstromaggregate“, erklärt Krauß. Mit Spezialwissen Das THW wird zum Beispiel zu Einsätzen im Bereich Hochwasser gerufen. Auch bei den Bombenfunden in Ansbach war die Rothenburger Ortsgruppe im Einsatz. Beim G7-Gipfel hat das bundesweite THW die Beleuchtung gestellt und sowohl der Rothenburger Zugtrupp als auch die Fachgruppe E waren im Einsatz. Die Einsätze des THW sind meist länger geplant. Bei den ehrenamtlichen Einsatzkräften ist sowohl ein breit gefächertes Wissen als auch in den Fachgruppen ein Spezialwissen gefragt. Die Ausbildung ist daher fundiert. „Am Anfang steht die Grundausbildung“, so Hendrik Hiller. Einmal in Monat (samstags)...

Eine Wette rettet die Stadt Mai01

Eine Wette rettet die Stadt

Die Pfingstfestspiele erinnern an die Befreiung Rothenburgs im Jahr 1631 Unvergessen bleibt das historische Ereignis, die Befreiung Rothenburgs im Dreißigjährigen Krieg. Mit den viertägigen Pfingstfestspielen schwelgt die Reichsstadt jedes Jahr im Mai in Erinnerungen. Im Jahre 1544 hatte Rothenburg den neuen protestantischen Glauben angenommen. Die Zugehörigkeit zum evangelischen Lager machte die kaiserlichen Heere zu Feinden. Im Oktober des Jahres 1631 belagerte der katholische General Johann T‘Serclaes Reichsgraf von Tilly mit 60 000 Mannen die Reichsstadt. Die Rothenburger wehrten sich und Tilly verlor 300 Soldaten. Die Antwort war die Zerstörung des Pulverlagers in der Klingenbastei. Daraufhin musste die Stadt kapitulieren. Tilly verhängte schwere Strafen über Rothenburg. Einer hohen Geldstrafe von 20 000 Gulden sollte eine Plünderung folgen, die die Stadt ruiniert hätte. Hier setzt die Geschichte vom rettenden „Meistertrunk“ ein, die in diesem Jahr vom 26. bis 29. Mai die ganze Stadt in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurück versetzt. Kernstück des Festes ist das Bühnenstück „Der Meistertrunk“ aus der Feder von Adam Hörber, das im Jahre 1881 geschrieben und seitdem am Pfingstwochenende mehrmals aufgeführt wird. Ein prachtvoller Humpen und eine ungewöhnliche Wette bringen die glückliche Wendung. Seit 1881 wird das Bühnenstück „Der Meistertrunk“ von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt im Kaisersaal des Rathauses alljährlich zu Pfingsten aufgeführt und zählt seit 2016 zum „Immateriellen Unesco Kulturerbe” auf Bundesebene. Im Bühnenstück führt ein Humpen Wein von sagenhaften dreieinviertel Litern, der von Bürgermeister Georg Nusch in einem Zuge ausgetrunken wurde, in die Freiheit der Stadt. Tilly verschont Rothenburg und zieht wieder ab. Hinter dem Theaterschauspiel und dem viertägigen Fest steht der Verein „Historisches Festspiel“. Etwa 1 000 Männer, Frauen und Kinder schlüpfen jedes Jahr in die historischen Kostüme und stellen die Stadtgeschichte nach. In einem triumphalen Heereszug ziehen über 800 Festspieler, begleitet von Pferden und Fuhrwerken, durch die historischen Gassen der Altstadt. Angeführt vom Spielmannszug marschieren die Darsteller der Spielgruppe des “Meistertrunks”, gefolgt von Junger Schar und einem großen Aufgebot an Geschützen, Pulverwagen und rollendem Proviant hinaus ins Feldlager auf die Festwiese vor dem Galgentor. Dort angekommen, feiern Kaiserliche, Schweden und Rothenburger fröhlich gemeinsam, bei reichlich zünftiger Speis‘, gutem Trank und Musik, die Rettung der Stadt vor Plünderung und Brandschatzung. Die Feierlichkeiten beginnen bereits am Freitag, den 26. Mai, um18 Uhr mit der Pfingsteröffnung auf dem Rothenburger Marktplatz. Die erste Aufführung des Theaterstücks im frisch sanierten Kaisersaal des Rathauses folgt um 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen werden am Samstag (15 Uhr und 17.30 Uhr), Sonntag (10 Uhr und 12.30 Uhr) sowie am Montag (10.30 Uhr) gezeigt. Karten sind im Vorverkauf erhältlich. Zu den Höhepunkten am Samstagabend zählen die Feuerwache vor dem Tor mit Live-Musik und Bewirtung vor der Röderbastei (ab 20 Uhr) sowie die Feuershow mit den Gauklern von der historischen Gruppe Mummenschanz (ab 21.30 Uhr). Am Sonntagmittag kommt der Historische Schäfertanz auf dem Marktplatz zur Aufführung. Die Geschichte dazu ist in der St. Wolfgangskirche ausgestellt. Seit 1517 verfügt die Rothenburger Gilde der Schäfer über das Privileg eines eigenen „städtischen Feiertags“. Der Tag durfte zu jener Zeit in aller Öffentlichkeit mit Festlichkeiten und vor allem mit ausgelassenen Tanzeinlagen gefeiert werden. Seit 1911 ist diese Tradition des Rothenburger Schäfertanzes wieder zum Leben erweckt worden. Ein weiterer Höhepunkt des Wochenendes ist der große Historische Heereszug zum Feldlager durch die Altstadt mit circa 900 Protagonisten der Gruppen am Sonntag ab 15 Uhr (Schmiedgasse – Marktplatz – Georgengasse – Galgengasse – Festwiese). Fast scheint die Zeit stehen ge­blieben zu sein, wenn die Männer und Frauen dort über dem offenen Feuer ihre Mahlzeiten stilvoll vorbereiten. Die Szenerie gibt einen Einblick durch das Zeitfenster des 17. Jahrhunderts. Auf dem historischen Händler- und Handwerkermarkt, am Grünen Markt, dem Kirchplatz und vor der Stadtkirche St. Jakob, herrscht an allen vier Tagen des Pfingstwochenendes buntes Markttreiben. Handwerker, Landkrämer und Händler aus aller Herren Länder finden sich ein und bieten ihre Ware feil. Musikanten, Gaukler und Märchenerzähler sorgen für die Unterhaltung des Publikums. In den Schankbuden wird aufs Beste mit mittelalterlichen, kulinarischen Köstlichkeiten für das leibliche...

Volksbildung und Forschung Mrz09

Volksbildung und Forschung

Das Sängermuseum in Feuchtwangen widmet sich dem Amateurchorwesen Mitten in Feuchtwangen gibt es ein Museum, das in ganz Deutschland einzigartig ist: Das Sängermuseum. Es ist das einzige Chormuseum Deutschlands und gleichzeitig das Forschungszentrum mit dem weltweit größten Archiv zur Geschichte des deutschen Amateurchorwesens von den Anfängen bis in die Gegenwart. Der Motor, der das Haus zu dieser Strahlkraft gebracht hat, ist Prof. Dr. Friedhelm Brusniak. Von 2004 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2019 war er Inhaber des Lehrstuhls für Musikpädagogik an der Universität Würzburg. Er ist wissenschaftlicher Leiter des Sängermuseums und hat dieses aufgebaut. Von 2010 bis 2018 hat er die Entwicklung der Stiftung Dokumentations- und Forschungszentrum des Deutschen Chorwesens geleitet und ist stellvertretender Vorsitzender der Stiftung. Neben vielen Ehrenämtern leitet er seit 2018 das An-Institut Forschungszentrum des Deutschen Chorwesens an der Uni Würzburg. Von der Entwicklung des Chorwesens, von der Prägung demokratischen Gedankenguts durch Sängerverbindungen oder auch von der Kraft eines gemeinsamen Ideals erzählt er mit einer Begeisterung, deren Funke sofort überspringt. Sowohl für Feuchtwangen, als auch für ihn selbst war die Realisierung eines Sängermuseums wegbereitend. In den beiden Ausstellungsräumen des Museums, die etwa ein Drittel der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten einnehmen, werden die Besucher von einer kostbaren Fahne empfangen, die aus dem Jahr 1861 stammt. Bei dem Sängerfest 1861 in Nürnberg sollte der Deutsche Sängerbund gegründet werden. Auch wenn die Gründung letztlich erst ein Jahr später in Coburg stattfand, so ist die Größe der damaligen Bewegung auch an einem ebenfalls im Museum gezeigten Stahlstich von besagtem Treffen nachvollziehbar: Über 5 000 Sänger und an die 60 000 Besucher drängten damals in die Nürnberger Festhalle. „Neben den Sport- und Schützenvereinen war das Singen eine Massenbewegung“, so Brusniak. Dem Musikwissenschaftler liegt es am Herzen, mit der Entwicklung des Chorwesens auch die Entstehung und Festigung demokratischer Grundzüge aufzuzeigen. Das handgeschriebene und -gezeichnete Original der Zelter Liedertafel bildet dafür einen Ausgangspunkt. Die Liedertafel, eine Art Tafelrunde, wurde 1808 durch Carl Friedrich Zelter, dem Direktor der Sing-Akademie zu Berlin, gegründet und stellt den ersten bürgerlichen Männerchor dar. Die festgehaltene Sitzordnung zeigt, dass hier erstmals eine Verbindung von Gleichgesinnten unterschiedlicher Stände möglich war. An der Wand darüber ist ein Zitat von „Sängervater“ Karl Pfaff beim schwäbischen Liederfest 1827 zu sehen: „… und niedersinken vor des Gesanges Macht der Stände lächerliche Schranken …“. Gesangvereine trieben also schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Emanzipation des Bürgertums voran. Die Darstellung der Arbeitergesangvereine im Museum, die als erste Frauen aufnahmen, untermauert diese Entwicklung. Aber auch die Macht des Gesangs in Kriegszeiten hat Widerhall im Museum gefunden. Ein handschriftliches Liederbuch aus der Gefangenschaft, das in der zweiten Strophe von „Alle meine Gedanken“ die Adressen der Mitgefangen enthält, ist ein außergewöhnliches Zeitdokument. „Es gibt Geschichten zu erzählen, die weit über das Chorwesen hinaus gehen“, erklärt Prof. Dr. Brusniak. Diverse Autografen (eigenhändige Niederschriften bekannter Persönlichkeiten) oder frühe Erstdrucke u.a. von Anton Bruckner, Johannes Brahms, Franz Schubert, dem Schweizer Musikpädagogen Hans Georg Nägeli sowie zahlreiche Briefe von Franz Liszt oder auch die handschriftliche Chronik des „Sängerkranz Nürnberg“ mit authentischen Berichten über das Tagesgeschehen sind im Besitz des Museums. Die öffentlichen Ausstellungsräume auf zwei Etagen geben einen kleinen, didaktisch gut aufbereiteten Einblick in die vielfältigen Facetten des Amateurchorwesens. Feuchtwangen hat einen der ältesten Gesang- und Musikvereine, gegründet im Jahr 1827. Im Rahmen eines Jubiläums kam einst die Idee auf, ein Museum in Feuchtwangen zu etablieren. Brusniak hat sich damals an der Universität Augsburg bereits mit Forschungen zum Chorwesen einen Namen gemacht und konnte zum Aufbau des Museums gewonnen werden. „Am Anfang war da nur ein leerer Tisch, ein paar Bleistifte, ein kleiner Stapel Papier und ein grünes Telefon“, erinnert er sich. In Feuchtwangen waren allerdings alle Originalunterlagen seit Gründung des Gesangvereins vorhanden. Gemeinsam mit seiner eigenen Forschungsbibliothek konnte der Wissenschaftler mit einem profunden Grundstock an die Arbeit gehen. Im Jahr 1989 wurde das Museum gegründet und bereits im Juni 1990 stand die erste Sonderausstellung. Friedhelm Brusniak ist Wissenschaftler mit Leib und Seele....

Hilfe am Ende des Lebens Mrz09

Hilfe am Ende des Lebens

Der Hospizverein begleitet Schwerkranke und Angehörige nach deren Wünschen Der Tod und der Weg eines Sterbenden sind noch immer Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Der Hospizverein Rothenburg bricht mit seiner ehrenamtlichen Arbeit diese verkrusteten Strukturen auf. Der Verein hat 55 aktive Helfer im Einsatz, zehn weitere pausieren aktuell. Dazu kommen zwölf Ehrenamtliche in der Trauerbegleitung und fünf im Besuchsdienst. Aktuell läuft ein einjähriger Schulungskurs mit zehn Interessierten, die voraussichtlich im September das ehrenamtliche Team ergänzen. „Unsere Helfer sagen, sie werden mehr beschenkt, als sie geben“, erklärt Ursula Memhardt das rege Interesse an einem Ehrenamt beim Hospizverein. Sie ist gemeinsam mit Elisabeth Dechand die Koordinatorin für die vielfältigen Einsätze des Vereins. Die beiden Mitarbeiterinnen sind die einzigen Festangestellten. Alles andere läuft auf ehrenamtlicher Basis. „Was wir machen, ist Zeit schenken“, erklärt Petra Underbrink, seit elf Jahren erste Vorsitzende des Hospizvereins. Ist ein Mensch schwer krank, steht meist im Fokus, was nicht mehr geht. Der Mensch selbst mit seinen Wünschen wird nicht wahrgenommen. Der Hospizverein setzt sich dafür ein, auch am Lebensende noch Lebensqualität und wertvolle Tage zu schaffen. Dabei wird dem Menschen nichts übergestülpt. „Ein Großteil der Helferausbildung befasst sich damit, zu erkunden, was der Schwerkranke will“, erklärt Ursula Memhardt. Ein mitgebrachter Apfel aus dem Garten kann schöne Erinnerungen wecken oder eine letzte Fahrt auf das Feld führt zu innerer Ruhe. Die Biografie der Menschen zu erfahren ist dabei ein wichtiger Anknüpfungspunkt. Manche Menschen haben am Lebensende auch noch offene Themen, die sie keinen Frieden finden lassen. Fundierte Ausbildung Im Zwei-Jahres-Rhythmus bietet der Verein eine einjährige Hospizbegleiter-Ausbildung an. Die 100-stündige Schulung und ein daran angeschlossenes 15-stündiges Praktikum vermitteln den Interessierten ein fundiertes Wissen im Umgang mit schwerst kranken Menschen, Sterbenden und deren Angehörigen. Je nach zeitlichem Volumen, das die Ehrenamtlichen selbst bestimmen, werden die Einsätze dann koordiniert. Ursula Memhardt achtet dabei auf Gemeinsamkeiten, die eine Vertrautheit zwischen Begleiter und Schwerkrankem wachsen lassen. „Aber auch die Angehörigen mitzunehmen ist ungemein wichtig“, weiß Petra Underbrink. Die Situation ist oft angespannt. „Unser Ziel ist es, dass der schwer kranke Mensch von denen begleitet wird, die er braucht“, so Ursula Memhardt. Im besten Fall sind das die Angehörigen. Hospizbegleiter nehmen auch hier den Druck heraus, schaffen kleine Freiräume, damit Angehörige wieder Kraft schöpfen können. „Wir sind nicht im Vordergrund. Wir stützen“, fasst Underbrink zusammen. Underbrink und Memhardt wünschen sich daher auch einen früheren Kontakt zum Hospizverein. Der Fokus steht nicht auf dem Moment des Sterbens, sondern in der Hoffnung und den kleinen Dingen, die den Weg zur Endlichkeit bereichern können. Eine Begleitung kann auch über längere Zeit gehen. Neben der Hospizbegleitung bietet der Verein, der 2002 gegründet wurde und im Januar sein 20-jähriges Bestehen gefeiert hat, auch Kinderhospizarbeit und Trauerbegleitung an. Ein Trauercafé, die Trauervesper in Schillingsfürst und der Trauerstammtisch in Rothenburg werden jeweils einmal im Monat angeboten. Dazu kommt ein Beratungsangebot bei Vorsorgevollmachten, Betreuungs- und Patientenverfügungen und in der außerklinischen Ethikberatung (mit dem Seniorenbeirat) sowie das Angebot eines „letzte Hilfe Kurses“ (nächster am 13. Oktober). Jeder Mensch muss sterben. „Das Thema muss für uns alle leichter werden“, wünscht sich Petra Underbrink. Der Verein betreibt daher aktiv Öffentlichkeitsarbeit und bietet Veranstaltungen an. Mit einer Lesung der Autorin Petra Frey aus ihrem Buch „Sterbemund“ am 1. April (19 Uhr) im Musiksaal will der Verein Interessierte erreichen. Am 26. Oktober (19 Uhr, Musiksaal) wird der Film „Beim Tod meiner Mutter“ gezeigt, mit anschließender Diskussion. Weitere Infos gibt es online unter www.hospizverein-rothenburg.de....