Anno 1631 Jul01


Anno 1631

Ein Besuch im sommerlich-kühlen Historiengewölbe mit Museumsleiter Hans Haitchi lohnt.

Ein Besuch im sommerlich-kühlen Historiengewölbe mit Museumsleiter Hans Haitchi lohnt. Fotos: ul

Rothenburg im Historiengewölbe

Mit einem großen eisernen Schlüssel öffnet Hans Haitchi das schwere hölzerne Portal des Historiengewölbes mit Stadtverlies unter dem gotischen Rathaus in Rothenburg. Dunkel und kühl ist es in den 15 Gewölberäumen, die den Eindruck vermitteln, in die Epoche des Dreißigjährigen Krieges zurückversetzt worden zu sein.

Die Geschichte in einem Museum für die Nachwelt zu veranschaulichen, wurde 1966 vom Verein „Historisches Festspiel – Der Meistertrunk e. V.“mit dem Rothenburger Künstler und Maler Ernst Unbehauen in die Tat umgesetzt. Gemeinsam mit Fritz Schaumann und Fritz Gehringer hatte er zum Ziel, die Historie Rothenburgs mit lebensechten Figuren und vielen originalen Gegenständen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Szene zu setzen.

Schlendert man durch die Kellergewölbe, dann wird die Atmosphäre mit mittelalterlichen Klängen von der Spielmannsgruppe des Vereins „Junge Schar“ untermalt. Die Gewölberäume geben Einblick in die Wehr- und Verteidigungsbereitschaft, in das Leben, in die ständische Gliederung, in die kriegerischen Auseinandersetzungen der „Katholischen Liga“ und der „Evangelischen Union“.

„Rothenburg war einst durch die Stadtmauer mit Wachtürmen geschützt. Innerhalb des Gemäuers gab es sogenannte ,Wachten‘, einzelne Stadtteile, die es von den Anwohnern zu verteidigen galt“, erklärt der Museumsleiter Hans Haitchi das Wehrsystem der Stadt, das zwei­einhalb mal so groß war wie das heutige Liechtenstein.

Die Eingangshalle zeigt einen Ausschnitt aus der Verteidigungsbereitschaft der Freien Reichsstadt im 17. Jahrhundert. Eine Wachstube, wie sie um 1631 in den sechs Torbögen der Stadt eingerichtet war, wurde hier naturgetreu nachgebildet.

Die Originalfahnen der Rothenburger Truppen hingen einst vom Gewölbe herab. „Die Stoffe der Reichsstadtfahnen waren schon fast transparent und drohten zu verfallen. Eine der beiden Fahnen müsste fast fertig sein“, erzählt Haitchi, der die beiden Flaggen Ende 2019 zur Restauration für rund 26 000 Euro weggegeben hatte. Waffen, Geschütze, Kriegsgerät und militärische Ausrüstungsgegenstände dieser Zeit sind an den Wänden zu besichtigen. Besonders stolz ist der Verein auf das sogenannte „Orgelgeschütz“, welches erstmals Serienschüsse erlaubte.

Hans Haitchi geht in Richtung des ersten Gewölbes und deutet im Vorbeigehen auf ein Porträt des Glasers Adam Hörber, das über dem Torbogen hängt. 1875 hatte er die Idee, wenigstens aus der Geschichte der Stadt zu profitieren, wo es doch mit der Wirtschaft schlecht lief.

Hörber schrieb ein Bühnenstück über den Meistertrunk. Nach der Uraufführung 1881 zog es viele neugierige Menschen nach Rothenburg. Die Stadt gewann an kulturellem Interesse, was sich bis heute an der hohen Besucherzahl aus dem In- und Ausland bemerkbar macht.

Jedes Jahr zu Pfingsten führt der Verein mit seinen 900 Mitgliedern in historischen Kostümen das Bühnenspiel über die Rettung der Stadt Rothenburg auf. Ein buntes Treiben und das Lagerleben aus der Zeit von 1631 erfüllt die ganze Stadt. In diesem Jahr gab es aufgrund der Coronasituation keine Pfingstfestspiele. Im Gewölbeinneren des Museums zeigt sich die Szene (Bild) mit dem „Meistertrinker“, dem Altbürgermeister Nusch (li.) und dem kaiserlichen Heerführer Johann T`Serclaes Graf Tilly, der 1631 während des Dreißigjährigen Krieges mit einigen tausend Mann vor den Toren der Stadt stand. Rothenburg war seit 1544 ausschließlich protestantisch, als Tilly für den katholischen Bund kämpfend, die Stadt einnahm.

Der „Meistertrinker“ Nusch (li.) mit Johann T`Serclaes Graf Tilly.

Der „Meistertrinker“ Nusch (li.) mit Johann T`Serclaes Graf Tilly. 

Nach der Legende zur folge bot Bürgermeister Nusch dem Eindringling einen prachtvollen Krug mit drei Einviertel Liter Wein als Willkommenstrunk. Tilly bot den Ratsherren eine letzte Chance: „Wenn einer von Euch den Mut und die Kraft besitzt, zu leeren den Pokal in einem Zug, so will ich Gnade üben und Schuld vergessen“, so ein Zitat aus dem Bühnenstück. Nusch rettete Rothenburg mit diesem „Meistertrunk“.

Jedes Gewölbe eine Szene
Die Entdeckungsreise geht weiter zu einer Nachbildung des Labors von Andreas Libavius. Der Stadtphysikus, Philosoph, Arzt und Chemiker, Andreas Libavius war 1591 ein Universalgelehrter seiner Zeit und gilt als Mitbegründer der modernen Chemie. Viele Originalgegenstände und Laborutensilien sind im Labor des Historiengewölbes zu sehen. Eine Rothenburger Straße wurde nach dem Wissenschaftler benannt und erinnert heute noch an sein Wirken.

Der Durchgang zum Staatsverlies ist dem Glasermeister und Festspieldichter Adam Hörber gewidmet. An den Wänden sind Symbole und Wappen verschiedener Bevölkerungsstände von Ernst Unbehauen zu sehen. Über dem Eingang aufgemalt, hängt das Symbol der Gerichtsbarkeit welches bedeutet: „Die göttliche Sonne mit dem Schwert der Gerechtigkeit“.

Toppler fand den Tod
Durch die Wachstube führt ein Verbindungsgang zum Folterraum von dem drei Gefängniszellen erreichbar sind. Heinrich Toppler, auch „König von Rothenburg“ genannt, wurde durch Neider verleumdet, ins Verlies gebracht und ist laut Legende an Fronleichnam 1408 verstorben. Er ist in der St.-Jakobs-Kirche beerdigt worden“, erklärt der Museumsleiter. Es gibt noch so viel mehr im Historiengewölbe zu entdecken. Allerdings hätte der jetzige Rentner Hans ­Haitchi nie gedacht, welch großer Aufwand in der Museumsleitung steckt. Allein im Jahr 2019 musste eine neue LED-Lichtanlage installiert, das Kassenhäuschen renoviert, und eine Einbruchsicherung im Gesamtwert von 490 000 Euro eingebaut werden.

Nach 29 Jahren erneuert der langjährige Bühnenspieler des Meistertrunks die Dokumentation des Inventars. „Ich muss sagen, all‘ die Mühe lohnt sich. Wir haben in den letzten Jahren eine Besucherzahl von rund 25 000 Menschen verzeichnen können“, so Haitchi. ­Allerdings wird sich zeigen, wie sich die Coronasituation auf die Besucherzahlen und die fehlenden Einnahmen auswirken wird.

Aktuelle Informationen stehen unter: www.meistertrunk.de.
ul