Am Puls der Zeit Sep01


Am Puls der Zeit

Aus den Chillern wurden Berater der Gesellschaft

Wer hätte das gedacht? Aus einer Jugendgruppe, die sich „Chillers“ nennen und ihren Treffpunkt bis heute im Wohnzimmer der Familie Endress in Linden haben, wurde im Jahr 2012 der Verein City Church Rothenburg e. V.. Der Grund, die Mädels und Jungs wünschten sich einen Gottesdienst, wie den in einer Würzburger Gemeinde in einem Kino. Der Erfolg war und ist ungebrochen.
„Seit dem wir Kinderbetreuung während unserer City Church Gottesdienste anbieten, füllen sich vier Kinosäle mit vier Generationen“, erzählt Markus Heese, der mit seiner Frau Kerstin und dem Ehepaar Stefan und Andrea Endress aus Linden die Chillergruppe betreut.
Mittlerweile sind die einstmals jugendlichen Chiller selbst junge Männer und Frauen, die ihre gewonnen Werte der gegenseitigen Wertschätzung in die Gesellschaft von morgen investieren wollen.
Daher wurde am 11. Juni 2019 aus City Church Rothenburg der Verein Move and Shine e. V., der mit Familienberatung, ADHS Kursen, M.S.E. Kursen und dem Programm Power Kids gesellschaftliche Hilfeleistung anbietet.

ROTOUR Power Kids mit Trainern Larissa Rupp und Julian Woik vom Move and Shine e. V.

Lehrerin Adriane Krotsch (li.) mit den Trainern Larissa Rupp und Julian Woik (re.) vom Move and Shine e. V. und den‚ Power Kids. Foto: Privat

„Der Bedarf ist riesengroß“, stellt Kerstin Heese fest, die ausgebildete christliche Familienberaterin ist. „Als Kinder- und Jugendberaterin sind mir christliche Werte sehr wichtig. Familien sehen sich heute großen Herausforderungen ausgesetzt“, erklärt sie ihre Motivation.
Über das Fitnesstraining kamen die mittlerweile erwachsenen Chiller Robert Geck und Julian Woik, beide 27 Jahre alt, zu einer M.S.E. Ausbildung (Modern Selfdefense Edukation – moderne Erziehung zur Selbstverteidigung). „Ich war fasziniert mit welcher Wertschätzung und fast schon freundschaftlich der M.S.E. Gründer Michael Stahl als Trainer Jugendliche motiviert und mit seiner eigenen Lebensgeschichte Leben verändert“, sagt Robert Geck. Genau das traf den Nerv der jungen Männer. Wertschätzung sich und anderen gegenüber ist neben Rücksichtnahme ein Kernwert, den sie seit Jahren in ihrer Jugendgruppe leben. „Das ist für uns selbstverständlich geworden“, erzählen die beiden Familienväter.
„Wenn jeder Mensch wüsste, dass er wertvoll ist, bräuchte es kein Mobbing und Ranking was Position und Besitz angeht. Haste was, biste was, ist dann völlig uninteressant“, sind sich die beiden Trainer einig.
Genau da knüpft der charakterbildende M.S.E. Kurs an, den sie in Kindergärten und Schulen anbieten. „Wir wünschen uns, dass unsere Kinder, so wie wir es lernen durften, in ihrer Identität als Mädchen oder Junge gestärkt werden und ihre eigenen Werte erkennen“, erklären die beiden Trainer.
Die Kinder lernen beim praktischen Ritterkampf mit Schwimmnudeln in der Turnhalle ihre Grenzen zu erkennen und zu setzen. Selbstbeherrschung üben, auch wenn die Nudel auf die falsche Stelle trifft, sich auch einmal zurücknehmen, wenn man stärker ist als der Partner, oder Angst durch Mut ersetzen, sind nur einige der vermittelten Inhalte.
„Wir wollen für Kinder und Jugendliche eine Atmosphäre schaffen, die ihr Selbstvertrauen stärkt und sie in ihren alltäglichen Herausforderungen unterstützen“, sagen Robert Geck und Julian Woik, die mittlerweile beide als hauptberufliche M.S.E.-Trainer im Einsatz sind. Für ihr Engagement haben sie sich gegen ihre ehemals sicheren Arbeitsplätze entschieden.
Die Kurse wurden zu Selbstläufern und die zwei jungen Männer sind mittlerweile an 15 Schulen in 27 Klassen mit ihrem Engagement unterwegs. „Die Schulen rannten uns die Türen ein“, erzählen sie von der erstaunlichen Reaktion nach der ersten Etappe ihrer Präventionskurse im Oktober 2016.
Aufbauend auf den Charakter schulenden M.S.E. Kurs startete im Jahr 2018 Julian Woik zusammen mit Larissa Rupp, Sozialpädagogin und ausgebildete Power Kid, M.S.E. und ADHS Trainerin, das Programm „Power Kid“ gegen sexuelle Gewalt.
Das bewährte Konzept wird seit über 20 Jahren von Polizeiehepaar Gerhard und Andrea Wittig erfolgreich an vielen Schulen Hessens praktiziert. Die sieben Power Kid Regeln, wie „Mein Körper gehört mir“, „Schlechte Geheimnisse erzähle ich“ und „Keiner darf mich komisch anfassen“ werden in Rollenspielen und mithilfe von Puppentheater auf humorvolle und einfühlsame Weise spielerisch nachgestellt. „Die Trainer haben mit großer Sensibilität ein tolles Programm für Kinder im Grundschulalter entwickelt. Man merkt, dass sie leben, was sie weiter geben“, erzählt Adriane Krotsch, Klassenlehrerin der vierten Grundschulklasse in Gebsattel. „Interessierte Pädagogen können sich gerne an mich wenden“, ermutigt sie ihre Kollegen.

ROTOUR Robert Geck und Julian Woik mit Innenminister Joachim Herrman

Robert Geck (li.) und Julian Woik (re.) mit Innenminister Joachim Herrman beim 50. Jubiläum des Lionsclubs Rothenburg-Uffenheim.Foto: Privat

Bei allen Aktionen wird darauf geachtet, den Kindern Selbstvertrauen zu geben, ohne Angst zu machen. Besonders cool fand Marko das Rollenspiel. „Ein Fremder hat uns auf der Straße aus dem Auto heraus angesprochen und mich mit einem Spielzeug angelockt,“ erzählt er und zeigt gleichzeitig, wie er dem Fahrer allein durch seine Körperhaltung „Nein“ signalisiert.
„Ich erlebe am Verhalten und sogar durch Aussagen in Aufsätzen, wie die Kinder das Gelernte in ihren Alltag integrieren“, beschreibt Adriane Krotsch die Früchte der vergangenen Wochen.
Zur Vertiefung singen die Kinder ein eigenes Power Kid Lied, begleitet von einer Ukulele, um sich immer an die sieben gelernten Regeln zu erinnern.
„Leider gibt es keine staatlichen Projekte dieser Art, womit Kindern, Familien und Lehrkräften sehr geholfen wäre. Seit der Kurse herrscht eine viel bessere Atmosphäre in der Klasse“, befürwortet Adriane Krotsch die wichtige Arbeit.
Alle diese Aktionen sind aus dem christlichen Verständnis der Chiller gewachsen. „Wir hätten nie gedacht, dass es einen solchen Effekt haben würde, wenn man seine eigenen Werte über Jahre hinweg mit Jugendlichen teilt“, so Markus Heese begeistert.
Aus einer Jugendgruppe ist eine Bewegung für Familie und Kindern geworden, die den Puls der Zeit trifft, wie die Resonanz der Schulen zeigt; ganz nach der Devise, es bewegt sich viel und das wollen wir ausstrahlen, so die Motivation des Vereins Move and Shine e. V.

Großzügige Unterstützung
„Zu Beginn gab es durch regionale Wirtschaftsunternehmen große Unterstützung. Im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums des Lionsclubs Rothenburg-Uffenheim wurde die Hälfte der Kosten für die Kurse übernommen. Dafür sind die Mitglieder des Move and Shine e. V. sehr dankbar. Für 2020 ist die Finanzierung noch offen. Schulen, Kinder und Trainer hoffen auf eine Fortsetzung und Verbreitung der Präventionsmaßnahmen.ul