Nostalgie auf zwei Rädern Jan14


Nostalgie auf zwei Rädern

Aus Liebe zum Motorroller: „Blech & Schalten“ aus Rothenburg

Wenn zehn bis zwanzig Rothenburger Vespa-Freunde mit ihren betagten aber durchaus intakten Vespa-Rollern durch italienische Dörfer fahren, stehen die Menschen nicht selten am Straßenrand und klatschen. Die Südländer selbst fahren meist keine der traditionellen Kultobjekte mehr.

Seit der Gründung des privaten Roller-Clubs „Blech & Schalten“ im Jahr 2011 waren Peter Kayczyk und Stefan Reihs aus Rothenburg überrascht, wie viele begeisterte „Vespa-Fahrer“ es rund um ihre Heimatstadt gibt. „Innerhalb kürzester Zeit waren wir ein zusammen gewürfelter Haufen Gleichgesinnter, die bis heute das Blech auf zwei Rädern verbindet“, erzählen die beiden Gründer des privaten Vespa-Clubs. Unter ihnen gibt es zwei Vater-Sohn Pärchen und das älteste Mitglied ist 70 Jahre alt und voll dabei, berichten Kayczyk und Reihs begeistert. Einen Chef gibt es nicht. Sie kommen zusammen und teilen eine Leidenschaft, das ist alles.

Die Rothenburger Peter Kayczyk (li.) und Stefan Reihs verbindet nicht nur zwei Räder. Foto: ul

Die Rothenburger Peter Kayczyk (li.) und Stefan Reihs verbindet nicht nur zwei Räder. Foto: ul

Der Name „Blech & Schalten“ ist zwar ungewöhnlich, aber auch selbsterklärend. Die Zweiräder des Clubs sind mit Schaltgetriebe ausgestattet und aus einer Blech-Karosserie gebaut. Den Anfang der Vespa-Ära machte der italienische Industrielle Enrico Piaggio mit der „Vespa 98“ im Jahre 1946. Nachdem seine Flugzeugfabrik im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, konzentrierte er sich auf die Entwicklung von Motorrollern.

Im April stellte er der Öffentlichkeit das Modell „Vespa 98“ im Golfclub von Rom vor – die Mutter aller Roller. Jeder weitere Roller stammt von diesem industriellen Prototypen ab. Italien liebte den Rennsport. Laut Piaggio wurde die „Vespa 98“ entwickelt, um der Welt die Wettbewerbsfähigkeit des kleinen Rollers auf Rennstrecken zu beweisen. Die Originalfarbe des Modells war Rot. Deshalb war die Vespa ihrer Zeit auch als kleiner “brennender Ball” bekannt. Heute sind rote Vespa-Roller kaum noch zu sehen. Das aktuellste Modell ist die „Vespa Elettrica“. Mit einem niedrigen Spritverbrauch und einem elektrischen Motor ist sie ein Vorzeigemodell für die Umwelt. Vespa bringt laut der Firma Piaggio die gesellschaftlichen Themen Mobilität und Freiheit in Einklang mit Umweltbewusstsein und Stil.

Die Roller-Freunde sind jedoch der Nostalgie der in die Jahre gekommenen Modelle aus Blech verfallen. „Einer von uns hat seinen ´Kunststoffbomber´ verkauft und einen Blechroller erworben,“ so die Oldtimer-Fans. Besonders stolz ist der Club auf die Roller aus den Baujahren 1955 und 1956. Die „Old Ladies“ schaffen mit 10 PS unglaubliche Steigungen in den Bergen und sind technisch wie nach einem Baukastensystem aufgebaut. Ersatzteile älterer Baujahre sind kompatibel mit jüngeren Modellen und deshalb leicht zu finden.

„Jeder, der an der jährlichen Tour nach Südtirol zum Weingut „Putzenhof“ in der Nähe von Bozen (Südtirol) teilnehmen möchte, sollte mindestens eine 10 PS-Maschine haben, sonst sind die Berge über den Reschenpass oder über das Timmelsjoch (2509 m) nicht zu schaffen,“ erklären die Freunde. Das sind auch die höchsten Punkte, die die Teilnehmer des Roller-Clubs zusammen „erklommen“ haben.

Das letzte Gruppenfoto aus dem Jahr 2019.

Das letzte Gruppenfoto aus dem Jahr 2019. Foto: Privat

Auf einer der letzten Touren nach Südtirol wurden sie angerufen. Zwei Vespa Fahrer hatten ein unlösbares technisches Problem und steckten fest. Die Telefonnummer von Stefan Reihs hatten sie seit dem „WespaWaldTreffen“ 2019 (im Stöffelpark in Enspel) noch im Handy gespeichert. Die Roller-Freunde trafen sich am Gardasee. „Am Abend haben wir gemeinsam Pizza gegessen und anschließend die ganze Nacht durch geschraubt,“ erinnern sich Kay­sczyk und Reihs immer noch amüsiert. In der gebuchten Unterkunft sind die Gleichgesinnten zusammengerückt, um sich für den nächsten Touren-Tag auf zwei Rädern auszuruhen. Zum Glück haben sie drei „Schrauber“ in der Mannschaft. Wie auf jeder Ausfahrt war ein Sprinter als Servicewagen mit Werkzeug und sogar Ersatzroller für den Notfall dabei.
Apropos Technik – im Moment bauen die „Mechaniker“ des Clubs gerade einen eigenen Prüfstand für die Roller. Wenn die Vespa-Begeisterten eine gebrauchte Vespa erstanden haben, können sie die tatsächliche Leistung des Motors feststellen. Ein solcher Prüfstand wurde zuvor extra für „Blech & Schalten“-Veranstaltungen ausgeliehen.

Er war immer ein begehrtes Objekt auf jedem Roller-Treffen, wie die Freunde feststellen konnten. Jetzt in der Vorsaison ist Zeit, sich um den Bau einer eigenen Anlage zu kümmern und die Zweiräder wieder für die nächsten Touren und Treffen fit zu machen. Der Vespa-Freundeskreis besteht ausschließlich aus Männern. Auf jeden Fall gilt das für die Jahresfahrt auf das Südtiroler Weingut. Einmal im Monat kommen sie zu ihrem Stammtisch zusammen. Den vermissen die Roller-Freunde seit Corona „gscheit“. Zum Stammtisch darf allerdings jeder kommen, auch die Damen.

Das gilt auch für die Vespa-Treffen, der „Blech & Schalten“-Freunde, die seit dem Jahr 2013 vier mal auf der Western Ranch in Nordenberg bei Rothenburg organisiert wurden. Die nächste Veranstaltung soll in diesem Jahr beim „Nepermuk“ am kleinen Badesee in Nordenberg stattfinden, so es die Coronasituation erlaubt. Die Vespa-Fans hoffen wie jedes Jahr auf das sogenannte „An- und Abrollern“ in Bad Mergentheim. Natürlich in einer italienischen Eisdiele, um dem Herkunftsland der Vespa gerecht zu werden.

Die italienischen Vespa-Roller mit mindestens 10 PS erklimmen unglaubliche Höhenmeter. Fotos: Privat

Die italienischen Vespa-Roller mit mindestens 10 PS erklimmen unglaubliche Höhenmeter. Foto: Privat

Was den Freunden selbst imponiert, ist der Zusammenhalt seit der Gründung des Freundeskreises, der nicht in jeder Interessengemeinschaft zu finden ist. Wer einmal einen fachlichen oder auch freundschaftlichen Rat zum Thema Vespa braucht, kann den Club über Facebook kontaktieren. ul