Menschen kennenlernen

Der English-Conversation-Club (ECC) trifft sich wieder mittwochs Das Kaminfeuer brennt, ein Ständer mit Flaggen und der blaue Tischwimpel sind aufgestellt, das Glas Wein steht bereit: Es ist English-Conversation-Club-Zeit. Jeden Mittwoch um 19 Uhr treffen sich Menschen, die gerne Englisch sprechen und an den Gästen der Stadt interessiert sind, in der Altfränkischen Weinstube in Rothenburg. Beinahe wäre die Tradition, die fast 40 Jahre alt ist, durch Corona abgebrochen. „Ich war der Meinung, es wäre schade, wenn es den ECC nicht mehr gäbe“, erzählt Silke Ebert. Mit Michaela Eder, die schon 25 Jahre zu den Treffen des Clubs kommt, hat sie die Institution wieder zum Leben erweckt. Nach Ostern 2022 fand das erste Treffen statt. Mittlerweile hat sich ein harter Kern etabliert und im Laufe des Jahres sind auch wieder englischsprachige Gäste dazu gekommen. Ein neues Gästebuch existiert mit ersten Einträgen. Der English-Conversation-Club (ECC) wurde 1984 von Dieter Balb, dem langjährigen Chefredakteur des Fränkischen Anzeigers, gegründet. Von Anfang an sollte der ECC nicht mit Vereinsregularien belastet werden – und so ist es auch heute noch. „Wir haben weder Schriftführer noch Kassier“, so Michaela Eder. Zen- trales Anliegen ist das lockere Zusammentreffen von Einheimischen und Gästen. Vor Corona war das Clubtreffen bekannt und beliebt. „Da waren schon mal 20 Gäste da“, erzählt Inge Hubl und fügt an, „Wir rutschen dann einfach zusammen.“ Die Rothenburg-Besucher erfahren von den Treffen entweder über Tipps von ihrem Hotel oder auch aus dem Reiseführer. Reiseautor Rick Steves, eine Institution bei amerikanischen Touristen, hat an einigen Treffen teilgenommen und bezeichnet sie als „Jackpot“, denn hier trifft man auf echte Rothenburger. Und so etwas sucht schließlich jeder im Urlaub. Aber es gibt natürlich auch Touristen, die in regelmäßigen Abständen nach Rothenburg und zum ECC kamen. Besucher kommen ohne Anmeldung „Wer genau an einem Abend kommt, wissen wir nie“, so Silke Ebert. Die Gespräche drehen sich dann oft über die Unterschiede oder es gibt Fragen zu den Örtlichkeiten. Viele Amerikaner, die einen deutschen Hintergrund haben, sind auch auf der Suche nach ihren Wurzeln in Deutschland. Vor Corona waren natürlich auch Briten, Kanadier und Australier fest vertreten beim ECC. Momentan kommt das bunte Clubleben erst langsam wieder in Schwung. „Das gibt uns auch die Möglichkeit, uns untereinander etwas besser kennenzulernen“, so Michaela Eder. Ist aber ein Gast dabei, dann wird nur noch Englisch gesprochen. Von den langjährigen, zentralen Persönlichkeiten des ECC ist aus Altersgründen keiner mehr dabei. Robert Förster, mittlerweile 100 Jahre, war noch bis vor Corona aktiv. Hermann Nörr, die gute Seele des ECC, ist 2020 verstorben. Ihm zu Ehren ist neben den Flaggen und dem Wimpel noch eine dritte Figur auf den Clubtisch eingezogen: Ein Germane mit Helm und Schwert, denn sein Spitzname war „Herman, the German“. „Auch für Hermann wollen wir den Club am Leben halten“, sagt Silke Ebert. Einheimische wie auch Gäste sind beim ECC jederzeit willkommen....

In die Jugend investieren

Kompetenzen der EJSA Gesellschaftliche und persönliche Konflikte oder auch Migrationshintergründe können für junge Menschen Ursachen sein, ihre Ausbildung abzubrechen oder gar nicht erst nach einer beruflichen Perspektive zu suchen. Nicht zuletzt die Coronazeit, der Fachkräftemangel, hohe Energiekosten und vieles mehr, machen es heute auch den Unternehmen zunehmend schwer, Fachkräfte auszubilden und zu halten. Wo Förderangebote für angehende Fachkräfte aufhören bzw. an ihre Grenzen der Zuständigkeit stoßen, liegt die besondere Stärke der Evangelischen Jugendsozialarbeit Rothenburg (EJSA-ROT). Ihr Tätigkeitsgebiet umfasst die beiden Landkreise Ansbach und Neustadt/Aisch – Bad Windsheim sowie die Stadt Ansbach. Kostenlos, persönlich und absolut vertraulich können sich junge Menschen an die Rothenburger EJSA wenden. Die Organisation setzt sich für Jugendliche ein, die wegen persönlichen Konflikten oder aufgrund sozialer Benachteiligungen keine berufliche Zukunft sehen. Aber auch Arbeitgebern steht die EJSA als kompetenter Ansprechpartner in Sachen Ausbildung beratend zur Seite. Die EJSA agiert unter dem Motto: „Wir sind der Überzeugung, dass jeder Mensch – unabhängig davon, was er in seinem Leben gemacht hat – von Gott geliebt ist.“ Die Mitarbeiter versuchen gemeinsam mit dem Hilfesuchenden, egal ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, pragmatische Lösungen zu finden. Das können Beratungen im Hinblick auf die Berufsfindung sein. Was kann ich und wer bin ich? ist die Frage, die zuerst beantwortet werden muss. Bei der Suche nach einer passenden Ausbildungsstelle unterstützt das EJSA-Team ebenso, wie bei der richtigen Form der Bewerbungsunterlagen. Dafür gibt es das „JobCafé“, das wöchentlich donnerstags von 16 bis 17 Uhr, am Kirchplatz 13 in Rothenburg öffnet. Ein persönlicher Termin kann aber auch vereinbart werden. Eine „Assistierte Ausbildungsbegleitung“ kann vonnöten sein, wenn es um sprachliche oder persönliche Schwierigkeiten geht, mit dem Ziel, einen erfolgreichen Abschluss zu erreichen. Der Einsatz zahlt sich aus Das leistet die EJSA ggf. über eine Dauer von drei Jahren. Bei Problemen mit Kollegen, Mitarbeitern oder mit der Ausbildung an sich, tritt ein Mitarbeiter der EJSA auf. Auch die Flüchtlings- und Integrationsberatung hilft bei Krisen vor, nach oder während der Ausbildung und unterstützt dabei sprachliche Barrieren zu überwinden. Seit etwa 15 Jahren bietet die EJSA eine spezielle Ausbildungsförderung mit Persönlichkeitsentwicklung an und konnte hunderten von Jugendlichen auf ihrem Weg zu einem Berufsabschluss begleiten. Zeitgleich zum 20-jährigen Bestehen wurde die Arbeit der EJSA am 2. November 2022 mit dem Gütesiegel „Soziale und berufliche Integration“ von der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Bayern ausgezeichnet. „Wir wollen dazu beitragen, dass Betriebe in der Region Fachkräfte finden“, erklärt Diakon Thomas Raithel, Geschäftsführer der EJSA. Unternehmen werden unterstützt Dabei geht es um ein gutes Miteinander zwischen Auszubildenden und Arbeitgebern. „Bisher werden im Jahr rund 130 Jugendliche unterstützt, aber der Bedarf in der Region liegt bei etwa 350 jungen Menschen. Dafür sind rund 50 000 Euro an Spenden nötig. Unternehmen der Region werden durch die EJSA da unterstützt, wo offizielle Hilfsangebote enden,“ heißt es in einer Meldung. Die Organisation ist der Meinung, dass die Unternehmen von den Angeboten der EJSA, die auch Ausbilder schult, profitieren. Denn nicht immer liegt es nur an den Auszubildenden. Die erfahrenen Sozialpädagogen der EJSA sehen sich als Vermittler zwischen Ausbilder und Lehrling. Von immer größer werdender Bedeutung ist die Unterstützung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Hier geht es zusätzlich um Hilfen, die weit über die eigentliche Ausbildung hinausgehen. Dabei müssen kulturelle und sprachliche Hürden überwunden werden. Hinzu kommt aber auch Hilfe bei rechtlichen Formalitäten und Aufenthaltsfragen. Für eine individuelle Beratung, ob für Jugendliche oder Unternehmen steht die EJSA-Rothenburg, Kirchplatz 13, Telefon: 0 98 61 93 69 42 6 zur Verfügung....

Ein Geben und Nehmen

Jan-Peter Scheurer liegen die jungen Musiker am Herzen „Die Menschen mit der Musik zu berühren und ihnen Freude zu schenken“, das ist seine Mission. Jan-Peter Scheurer, ein waschechter Rothenburger, verbrachte seine unbeschwerte Kindheit in seinem Elternhaus mit Garten direkt am historischen Klingentor. In der Schule machte er gerne Stimmung mit seiner humorvollen Art. Eine Eigenschaft, die ihm später einmal von Nutzen sein würde. Neben ausgiebigen Sportaktivitäten begann er, wie so viele Kinder der Stadt, mit dem Flötenunterricht an der Städtischen Musikschule Rothenburg. Von Anfang an hatte er Freude am Spiel mit dem Instrument und am Klang der Musik. „Auf einer Veranstaltung sah ich eine Trompete an der Wand hängen. Ich nahm sie herunter und drückte ein wenig auf den Knöpfen herum“, erinnert er sich an die Geburtsstunde seiner Leidenschaft für das Blechblasinstrument. Seitdem war es um ihn geschehen. Klassische Musik und die Trompete sollten fortan seine stetigen Wegbegleiter sein. Als Achtjähriger nahm er Trompetenunterricht und musste erst lernen, mit viel Luft und schwingenden Lippen einen Ton auf diesem blechernen Instrument herauszubringen. Irgendwann stellte sich die Frage, wo er sein musikalisches Talent einbringen könnte. Nach zwei Jahren intensiver Übung fand er sich im Rothenburger Stadt- und Jugendblasorchester wieder, das er seit 2013 bis heute mit Freude ehrenamtlich leitet und dirigiert. Das Nachwuchsorchester bildet künftige Mitglieder für das Jugendblasorchester aus. Bis ins Jahr 2021 hatte er auch diese Leitung unter sich. Aus beruflichen Gründen konnte er es guten Gewissens an den Rothenburger Musiklehrer Dirk Semmler abgeben. Trompeter aus Leidenschaft In der Jugendzeit spielte Scheurer über viele Jahre im Mittelfränkischen Auswahlorchester, im Nordbayerischen Jugendblasorchester und im Landesjugend-Jazzorchester Bayern. So konnte er schon vor der Aufnahme seines Trompetenstudiums an der Hochschule für Musik Würzburg reichlich Orchestererfahrung sammeln. Das routinierte Zusammenspiel verschiedenster Instrumente wurde ihm auf diese Weise gelehrt....

„Wir kommen wieder“

Sieglinde und Klaus Spegel haben fast 50 mal in Rothenburg Urlaub gemacht Im Jahr 1976 oder 1977 waren sie das erste Mal in Rothenburg. Sieglinde und Klaus Spegel wissen es nicht mehr genau. „Aber wir waren noch nicht verheiratet“, weiß Klaus Spegel sicher. Damals war es noch ungewöhnlich, dass ein unverheiratetes Paar ein gemeinsames Zimmer belegte. Die Spegels hatten sich das Hotel Markusturm ausgesucht, da sie es romantisch haben wollten. „Wir hatten Zimmer 17, das vergesse ich nie“, so Sieglinde Spegel. Aber das Zimmer hatte zwei Einzelbetten. Also keine Romantik. In der Hotelhalle haben sie dann Hotelchefin Marianne Berger getroffen. „Ich habe gleich gefragt, woher sie wusste, dass wir nicht verheiratet sind“, erzählt Sieglinde Spegel. Das Ganze stellte sich als Irrtum heraus und die Spegels zogen in ein Zimmer mit Himmelbett und Romantik pur um. Das junge Paar war glücklich und eine über 45 Jahre währende Freundschaft nahm damals ihren Anfang. „Marianne Berger hat uns von Beginn an unter ihre Fittiche genommen“, erzählen die Spegels. Ausflüge zu den Fischteichen oder die Teilnahme an den Reichsstadttagen gehörten dazu. Bei einem ihrer nächsten Besuche steckte Marianne Berger die beiden in historische Kostüme. Zweimal sind sie beim Fackelzug mit der Gruppe der „Schopf-Kegler“ mitgelaufen. „Als wir uns nahe der Doppelbrücke vorab gesammelt haben, sagten einige, was habt ihr denn da für ‚Preißen‘ dabei“, erinnert sich Sieglinde Spegel lachend. Die Spegels kommen aus Wietzendorf bei Soltau (Lüneburger Heide). „Wenn wir in einem Jahr nicht in Rothenburg gewesen sind, dann fehlt uns was“, sind sie sich einig. Sie schätzen, dass sie mindestens 40, wenn nicht sogar 50 mal in der Tauberstadt Urlaub gemacht haben. Dabei sind sie der Hoteliersfamilie Berger/Klatte immer treu geblieben. Im September waren sie auf der Durchreise in die Schweiz am Hinweg vier Tage an den Reichsstadttagen hier und am Rückweg gleich nochmal ein paar Tage. Logiert haben sie im Hotel Burggartenpalais, das neben dem Burghotel und dem Hotel am Markusturm von Mitgliedern der Familie Berger geführt wird. Rothenburg kennen die beiden sehr gut. Die Museen haben sie alle besucht und mögen den Bummel durch die Gassen, entlang der Riviera oder eine Einkehr am Marktplatz. „Ich genieße es immer wieder, einfach durch die Gassen zu schlendern“, sagt Sieglinde Spegel. Früher haben die beiden gemeinsam mit Freunden, die sie mit ihrer Liebe zu Rothenburg inspiriert haben, gerne Ausflüge gemacht. „Ein Ziel war immer der Toppler- Felsenkeller“, erinnert sich Klaus Spegel. Eine legendäre Charlotte Russe oder ein Zwetschgenkuchen musste dort einfach sein. „Da war eine Schiefertafel mit der Aufschrift: Bitte konzentrierte Bestellung“, weiß Sieglinde Spegel noch ganz genau. Das ist bei den beiden hängen geblieben, denn danach war unter den Stichwort „konzentrierte Bestellung“ sofort klar, wohin der Ausflug gehen sollte. Ein Besuch in Rothenburg ist für die Spegels wie nach Hause kommen. Einzig das Topplerschlösschen haben sie noch nicht von Innen gesehen. „Wir schwören, beim nächsten Besuch gehen wir da rein“, verspricht Klaus Spegel. „Unser Herz hängt einfach an der kleinen, verträumten Stadt“, stellen sie fest, „Wir kommen sicher wieder.“...

Entspannen mit Alpakas

Johanna Fischer bringt mit höckerlosen Kamelen Freude ins Leben Wenn man über Glücksbringer nachdenkt, kommt einem eher ein Schweinchen mit Kleeblatt in den Sinn. Aber Alpakas? Johanna Fischer aus Ulsenheim, studierte Chemikerin mit Karriere am Fraunhofer Institut in Würzburg, war auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen Glück. „Morgens an die Stempeluhr, die Maske auf und menschlich die Ellenbogen ausfahren, das kann nicht mein Leben sein“, dachte sich die 38-Jährige und entschied sich ein „Freiwilliges Soziales Jahr“ im Tierpark Sommerhausen zu absolvieren. Dort lernte sie in einem dreitägigen Seminar einiges über die Alpaka-Zucht und von der freundlichen und sehr neugierigen Art der Tiere und darüber, wie sie den Menschen Entspannung bringen können. „Es war ein echtes Aha-Erlebnis und ich befand mich auf dem richtigen Weg zu mir selbst“, erzählt die Wissenschaftlerin lächelnd. Tiere, Menschen und die Natur lagen ihr schon als Kind am Herzen. Damals in Hellmitzheim lebend, kündigte sie kurzerhand ihren Job, pachtete eine Wiese und kontaktierte den Alpaka-Züchter, den sie aus Sommerhausen kannte. Ein Business-Plan, einen sogenannten Sachkundenachweis, der für die Arbeit mit Alpakas berechtigt, und der stetige Austausch mit einem Gleichgesinnten gab ihr das nötige Werkzeug an die Hand, um ihre ersten vier „Jungs“, wie sie die Tiere liebevoll nennt, selbst auszubilden. Seit 2020 führt sie ihre eigene kleine „Glücks-Alpaka-Ranch“. Mit neun Alpakas und drei Lamas merkte die junge Frau, wie Menschen auf Spaziergängen „eins werden“ mit den flauschigen Wanderbegleitern. Im Frühling und in den Sommermonaten begrüßt Johanna Fischer ihre „Wandersleut“ mit einem Glas Secco und erzählt ihnen von der Herkunft und vom Wesen der aus den südamerikanischen Anden stammenden Tiere. Geschichte der Alpakas Die Domestizierung der Alpakas startete im Hochland circa 3 000 Jahre vor Christus. Die Hochlandvölker Perus und Boliviens erkannten den Wert der Tiere – nicht zuletzt wegen ihrer einzigartigen Wolle mit den umfassenden Eigenschaften. Alpakas sind hochintelligente Tiere, die aufgrund ihres sensiblen, zurückhaltenden Wesens und hoch ausgeprägten Sozialverhaltens für den Menschen eine Wohltat sein können. Das sagt schon einiges aus über die Wirkung einer Alpaka-Wanderung. „Es ist unmöglich, mit ihnen zu gehen und gleichzeitig mit den Gedanken ganz woanders zu sein“, weiß Johanna Fischer. Sie zwingen den Menschen völlig in die Gegenwart einzutauchen. Sind die Wanderer vor dem Start gut über die Tiere informiert, geht es los in die Ulsenheimer Weinberge. Auf dem Weg laden kleine Winzerhütten zum Pausieren ein. Wenn die kalte Jahreszeit im November anbricht, gibt es unterwegs einen heißen Glühwein und wer möchte, kehrt beim örtlichen Winzer zu einer warmen Mahlzeit ein. Aber nur bei Wanderungen sollte es nicht bleiben. Auch kunsthandwerkliche Aktivitäten wie Makramee, eine aus dem Orient stammende Knüpftechnik, werden auf der Weide der Glücks-Alpakas ausgeführt. Kreativität in der Gegenwart der Tiere hat eine besonders entspannende Wirkung. Während ihrer Schwangerschaft hat sich die Aussteigerin dem Yoga zugewandt. „Dabei lernte ich meine Lehrerin aus Kitzingen kennen, mit der ich seit diesem Jahr Yoga auf der Koppel anbiete, eine gute Idee“, wie sie findet. Auch hier helfen die sanftmütigen Kleinkamele abzuschalten und Stress zu reduzieren. Gerade Yoga mit seinen langsamen Bewegungen bietet sich an, um mit den Tieren in einen ruhigen Dialog zu treten. Alpakas machen vor, wie Entspannung geht – und interessieren sich nicht dafür, ob man es schafft, die Zehen zu fassen oder im Schulterstand umfällt. Eine andere Vision für die „Glücks-Alpaka-Ranch“ heißt „Workation“ (Work-Arbeiten und Vacation-Urlaub). Die räumliche Verlagerung des Arbeitsplatzes an einen schönen Ort hilft oftmals, den Kopf freizubekommen und durch den „Tapetenwechsel“ Energie für Geist und Körper zu sammeln, ein wesentlicher Faktor für die Gesundheit. Für Johanna Fischer waren schon immer Tiere, Natur und Heilung ein Thema. Ihre Lieblinge hält sie mit natürlichen Mitteln gesund und verwendet so manches Kräutlein gegen verschiedene Krankheiten. Mensch, Tier und Gesundheit, das passt auch zur „tiergeschützten Therapie“ mit Alpakas. Für dieses Vorhaben steht sie in Kontakt mit psychotherapeutischen Kliniken. Übrigens lassen sich aus der Wolle Vierjahreszeiten-Bettdecken herstellen und viele andere hochwertige Produkte wie Alpaka-Seife. Beides kann man bei Johanna...

Botschafter des Menschseins

Maria und Peter Warkentin und ihr Russland-Deutsches Theater Theater ist ihr Leben. Maria und Peter Warkentin sind das Russland-Deutsche Theater in Niederstetten. Eine seltsam anmutende Formulierung, aber bewusst gewählt. Sie hätten wie viele ihrer Schauspielerkollegen die Bühne verlassen und ein bequemeres Leben haben können. Das kam für die beiden aber nie in Frage. Theaterblut und Menschenliebe fließen anscheinend paritätisch durch ihre Adern, denn auf den Brettern, die die Welt bedeuten, haben sie zuerst den Russen und danach den Deutschen das Menschsein erklärt. Peter und Maria Warkentin sind beide in Sibirien aufgewachsen – in ihren deutschen Familien, in deutschen Dörfern. Zuhause wurde nur Deutsch gesprochen, wobei bei Maria der wolgadeutsche und bei Peter der plattdeutsche Dialekt der Mennoniten Tradition hatte. Beide Ursprungsfamilien wanderten im 18. Jahrhundert nach Russland aus. Die deutschen Wurzeln wurden immer bewahrt. „Wir sind keine Russen, sondern Deutsche aus Russland“, macht Peter Warkentin klar. Mit Vorurteilen hatten sie zu kämpfen: In Russland waren sie die „Fritzen“, hier wurden sie als Russen angesehen. Nichts davon ist richtig. „Bis wir nach Moskau gingen, sind wir im deutschen Milieu aufgewachsen“, erzählt Maria Warkentin. Sie war 18 Jahre alt, er war 17 Jahre, da trafen sie sich auf der Theaterhochschule Schtschepkin, die an das berühmte Moskauer Maly-Theater angeschlossen ist. Deutsches Theater hatte in Russland eine lange Tradition, die aber mit dem Zweiten Weltkrieg endete. Mitte der 1970er-Jahre beschloss die Sowjetunion dann für Minderheiten wieder ein muttersprachliches Theater einzuführen. An der Moskauer Theaterhochschule Schtschepkin wurden zu diesem Zweck Schauspieler ausgebildet, die deutschstämmig waren und die deutsche Sprache beherrschten. „Wir haben eine tolle Ausbildung bekommen. Wir wurden von den Moskauer Koryphäen unterrichtet“, stellt Maria Warkentin fest. Und außerdem haben sich die beiden im dritten Semester ineinander „verguckt“ und wenig später geheiratet. 43 Jahre ist das nun her. Ein Theater in Kasachstan Wie es der Plan vorsah, zogen die fertig ausgebildeten Schauspieler im Jahr 1980 nach Temirtau, eine Stadt in Kasachstan, denn dort lebten viele Deutsche. Sie bekamen ein tolles Gebäude als Spielstätte und starteten einen kompletten Theaterbetrieb. Etwa 50 Schauspieler und dazu Regisseure, Dramaturgen, Bühnenbildner, Schreiner und viele mehr arbeiteten am Theater. Insgesamt rund 120 Personen. „Wir haben mindestens vier neue Stücke pro Jahr gezeigt“, erinnert sich Peter Warkentin. Und zwar alle auf Deutsch. Konnte im Publikum jemand die Sprache nicht, standen Kopfhörer mit einer Simultanübersetzung zur Verfügung. Gespielt wurden u.a. „Emilia Galotti“ von Lessing, „Die Physiker“ von Dürrenmatt oder auch „Draußen vor der Türe“ von Borchert. „Das war auch politisch ein Treffer“, so Warkentin. Zu der Zeit war der Afghanistankrieg in vollem Gange und auch im Theater gab es Rückkehrer. Der Parteifunktionär, der dem künstlerischen Rat angehörte, erkannte die Intention und wollte die Aufführung kippen. „Aber unser Regisseur, ein Jude aus Tallinn, hat es durchgeboxt“, so Warkentin. Dazu gab es Kindertheater und das Ensemble ist jedes Jahr auf Gastreisen zu deutschen Siedlungen unterwegs gewesen. „Das waren unsere erfolgreichsten Jahre“, erzählt Maria Warkentin. Beide wurde von Kasachstan mit der „Besten Rolle des Jahres ausgezeichnet“. In Kasachstan vollzog sich dann ein politischer Wechsel und das Theater zog 1989 um in die Hauptstadt Almaty, damals Alma-Ata. Eigentlich sollte es dort weiter aufwärts gehen, aber das Gegenteil stellte sich ein. „Wir hatten kein eigenes Haus mehr für unser Theater und die Auswanderungswelle der Russlanddeutschen begann“, so Maria Warkentin. Die ersten Schauspielerkollegen stellten Anträge und „wir haben jeden Monat eine Familie verabschiedet.“ Das Theater blutetet aus. „Wir sind als Letzte gegangen“, sagt Peter Warkentin. Am 19. Dezember 1994 stiegen sie mit ihren beiden Kindern und der Mutter von Maria in den Flieger nach Deutschland. Sie hatten vier Koffer und etwas Bargeld dabei. Über Stationen in Stuttgart und Berlin sind sie 1995 nach Niederstetten gezogen. Sie hatten mit ihren Schauspielerkollegen aus Temirtau/Almaty vereinbart, dass sie wieder zusammenkommen, sollte jemand eine Möglichkeit für ein Theater gefunden haben. Viktoria Gräfenstein und David Winkenstern hatten in Niederstetten Fuß gefasst. Der damalige Bürgermeister Kurt Finkenberger gab den Künstlern Übungsmöglichkeiten im Amtshaus Oberstetten,...