So sehen Weltmeister aus – Stefan Gyimesi ist der schnellste Mann auf einem Bobby-Car Jun01


So sehen Weltmeister aus – Stefan Gyimesi ist der schnellste Mann auf einem Bobby-Car

Große Männer sausen auf Spielzeugautos den Berg hinunter. Motorradkombi und Integralhelm treffen auf das bunte Bobby-Car-Gefährt aus dem Kinderzimmer. Ein riesen Spaß, eine Gaudi. Ja, aber auch ein ernst zu nehmender Sport.
Stefan Gyimesi ist der amtierende Weltmeister in der Profi-Klasse des Bobby-Car-Sports. Zu Hause ist Gyimesi mitten in Münster (bei Creglingen) in einem gelben Haus, das hoch am Hang klebt. Er blickt über das Tal, direkt auf die Straße, wo alles begann.

Wettfahrt aus Spaß
Stefan Gyimesi ist bei der freiwilligen Feuerwehr in Münster. Vor gut zehn Jahren stand die Wahl eines neuen Kommandanten an. Zwei Männer standen zur Auswahl. Eines Tages, man traf sich bei einem Kameraden im Hof mit leichtem Gefälle, kam die Idee auf: „Das fahren wir aus“. Die beiden Bobby-Cars der Kinder standen herum und los ging‘s. „Der Verlierer musste den Kommandanten machen“, so Gyimesi.
Die Männer hatten ihren Spaß und so kam die Idee auf, noch im selben Jahr ein Bobby-Car-Rennen in Münster zu veranstalten. „Wir haben uns im Internet schlau gemacht und uns ein bissl was gebaut“, erzählt Gyimesi schmunzelnd.

Flach wie Bretter rasen Stefan Gyimesi (hinten) und Jochen Kühnel mit bis zu 100 km/h die Rennstrecke entlang.

Flach wie Bretter rasen Stefan Gyimesi (hinten) und Jochen Kühnel mit bis zu 100 km/h die Rennstrecke entlang.


Stefan Gyimesi ist Kfz-Mechaniker und somit vom Fach. Die ersten Rennautos waren aber noch weitgehend originale Bobby-Cars. Die Plastikreifen haben die Männer durch etwas größere Räder von City-Rollern ersetzt. Die Lenkung leicht verändert – und los gings.
Zum Spaß kam recht schnell der Ehrgeiz. Die Münster Fahrer sind im Internet auf den Bobby-Car-Sport-Verband gestoßen. Hier waren Gleichgesinnte unterwegs und es gab Anleitungen und Anregungen zum Tuning der Rennautos.

Jedes Gramm zählt
Was auf den ersten Blick wie ein klassisches Bobby-Car aussieht, ist im Bereich der Profi-Rennen eine hoch entwickelte Rennmaschine. Aerodynamik und Gewicht sind die beiden wichtigsten Komponenten.
Stefan Gyimesi zeigt die vier neuen Felgen, mit denen er in diese Saison startet. „Bobby-Car-Racing-Team Münster“ ist eingraviert. „Das muss schon sein“, sagt Gyimesi lachend. Die Felgen sind aus Aluminium und eine Spezialanfertigung. In der letzten Saison hat Gyimesi sechs Felgen verschlissen. Die neuen sollen nun noch besser sein. Jede Felge wiegt nur noch 150 Gramm, 10 Gramm weniger als im letzten Jahr.
Ebenso wichtig sind die Reifen. Über die Jahre hat sich herauskristallisiert, dass Reifen von Rollatoren gut geeignet sind. Das Profil wird abgeschliffen, „denn das macht pro Reifen nochmal 50 bis 60 Gramm aus“, so der Profi-Fahrer. Der Luftdruck liegt bei mindestens 7 bis maximal 20 Bar.
Der Aufbau des Renn-Bobby-Cars geht entweder über eine Platte oder einen Rahmen aus Stahl. Stefan Gyimesi erklärt, dass es wichtig ist den Schwerpunkt möglichst weit vorne zu halten, daher verstärken die Fahrer ihre Bobby-Cars entweder mit Betongewichten oder, wie Gyimesi, mit Bleigewichten, die eingegossen werden. Obendrauf kommt die Sitzplatte aus Alublech und das Bobby-Car-Teil aus Plastik.
Will man im Bobby-Car-Sport-Verband an offiziellen Wertungsrennen teilnehmen, müssen es originale Teile der Firma Big sein, die 1972 die roten Flitzer auf den Markt gebracht haben.

Und das ist die fertige Rennmaschine.

Und das ist die fertige Rennmaschine.


Eine Wissenschaft für sich ist die richtige Lenkung damit das Auto ruhig läuft. Gyimesi schwört auf ein ausgeklügeltes Konzept mit Vorspur und Nachlauf und hat als versierter KFZler einen gewissen Vorsprung. Ein modifiziertes Renn-Bobby-Car liegt dann in einer Preisklasse, die nahe an die 1 000 Euro-Grenze heran kommt.
„Die ersten Jahre sind wir in den Rennen natürlich hinterher gefahren“, erklärt er. Das Wissen und die Fertigkeiten im Bau des Rennautos ist aber mit jeder Erfahrung gewachsen. Mittlerweile sind fünf Männer aus Münster begeisterte Bobby-Car-Piloten. Mit dabei auch der Chef von Stefan Gyimesi, Jochen Kühnel, und seine beiden Kinder.

Mit 100 km/h unterwegs
In der Rennsaison 2016 hat Stefan Gyimesi dann den Weltmeistertitel in der Profiklasse geholt. Die Rennhierarchie im Bobby-Car-Sport ist aufgeteilt in Kinderrennen (nur mit Original-Bobby-Cars), in Jugendliche, die mit leichten Veränderungen starten dürfen, und in Amateure und Profis. Die Autos der Amateure dürfen bis zu 30 Kilo Gewicht haben, die der Profis bis zu 40 Kilo.
Im Profibereich erreichen die Fahrer Geschwindigkeiten bis zu 98 km/h. Motorradkombi, Helm und Sicherheitsschuhe mit aufgeleimten Autoreifen zum Bremsen, sind zum Schutz der eigenen Person zwingend nötig. „Einschläge hat man aber schon“, so Gyimesi. Einschläge, das sind die, die glimpflich verlaufen, wenn man in die Strohballen am Straßenrand knallt. Und es sind die, die mit offenen Brüchen oder ausgekugelten Schultern enden. Das ist zwar selten, aber Bobby-Car-Rennen sind im Profibereich nicht ungefährlich.

Bobby-Car-Rennen in Münster
„Deswegen muss man auch mit Hirn fahren“, so Gyimesi. Die Rennen finden im K.O.-System statt. Gestartet wird von einer Rampe immer zu zweit. Mit welchem Rennkollegen man wie in die Kurve fährt, sollte man im Vorfeld gut bedacht haben. Etwa 20 Fahrer stehen in der Weltrangliste, die vornehmlich von den Deutschen bestritten wird, in Konkurrenz.
Gab es früher noch bis zu 15 Meisterschaftsrennen im Jahr, so ist die Anzahl nun auf etwas sechs wertungsrelevante Rennen gesunken, die im Umkreis von 400 Kilometern um Münster stattfinden. Stefan Gyimesi, der auch im Vorstand des Bobby-Car-Sport-Verbands ist und als Rennkommisar für Streckensicherheit und Kontrolle der Autos zuständig ist, bedauert das. „Wir wollen den Sport weiter bringen“, sagt er und erklärt, dass jeder Verein ein Bobby-Car-Rennen veranstalten kann. Der Verband unterstützt die Initiativen.
Seit dem ersten Versuch findet alljährlich in Münster ein Bobby-Car-Rennen statt, organisiert von der Freiwilligen Feuerwehr. Der Zuspruch ist groß. Kinder, Jugendliche, Amateure und Profis düsen die Straße nach Münster hinunter, die Stefan Gyimesi von seinem Küchenfenster aus im Blick hat. Leider erfüllt das Rennen in Münster nicht die Regularien um als offizielles Weltmeisterschaftsrennen gewertet werden zu können. Die Profis starten hier trotzdem und das Münster Bobby-Car-Racing-Team sieht es als Trainingslauf mit Heimvorteil an.
Dass sie ein bisschen verrückt sind, wissen die Rennfahrer auf Bobby-Cars, die eigentlich keine mehr sind, ganz genau. Wenn sie aber flach wie Bretter auf ihren Rennautos liegen und das Adrenalin durch die Adern schießt, dann haben sie einfach ungeheuren Spaß dabei. am