Reisefieber – Die Abenteuer von „TB Cathleen“ Mai02


Reisefieber – Die Abenteuer von „TB Cathleen“

Wer kennt Europa? Thomas und Cathleen tun es. Von den 47 Ländern Europas haben sie 42 bereist. Litauen, Lettland und Estland stehen in den Sommerferien auf dem Plan. „Dann fehlen nur noch Bulgarien und Weißrussland“, sagt Thomas Böhme. Gemeinsam mit seiner Tochter Cathleen Blum geht er seit acht Jahren auf Reisen.
Ihren Lebensmittelpunkt haben die beiden in Burgbernheim. Thomas Böhme ist Bäcker im Brothaus, Cathleen geht in die Mittelschule nach Bad Windsheim. Urlaub und Ferien bedeuten für Vater und Tochter auf Reisen gehen. „Wir wollten die Welt sehen“, sagt Thomas Böhme, „und das mit überschaubaren finanziellen Mitteln hinbekommen.“
Daher starteten sie 2009 mit ihrem Projekt, das mittlerweile unter „TB Cathleen“ in den sozialen Medien zu finden ist und neuerdings auch Sponsoren auf den Plan gerufen hat. Anfangs mit Zelt und sehr einfach unterwegs, schaffte sich Thomas Böhme schnell einen blauen Kombi an, der mit ein paar Handgriffen vom Familienauto zum „Expeditionsfahrzeug“ wird. Die hinteren Sitze kommen raus, eine große Ma-
tratze rein und in allen Winkeln und Ecken werden Proviant und Ersatzteile für das Auto verstaut. „Jeder Millimeter Raum wird genutzt“, so Cathleen.

Land und Leute kennen lernen
Etwa acht Wochen im Jahr sind die beiden unterwegs, in den Sommerferien mehrere Wochen am Stück. „Wir könnten vier Wochen von unserem eigenen Proviant leben“, so Thomas Böhme. Eingepackt wird, was wenig Volumen hat: Tütensuppen, Nudeln, Reis, Kekse, Zwieback, Würste im Glas. Zum Start gibt es für die ersten Tage noch eine Kühlbox mit frischem Obst und Joghurt. Und die Erfahrung hat gezeigt, dass sich Wassermelonen sehr gut halten. „Nach Norwegen hatten wir 13 kleine Melonen mit dabei“, erzählt Thomas Böhme. Gepackt wird mit System: was zuerst verbraucht werden muss liegt oben. Das Auto hat er zusätzlich mit einem Gastank ausgerüstet, denn „in manchen Ländern soll man nicht tanken und das macht unabhängiger“. Der Tacho zeigt mittlerweile 280 000 gefahrene Kilometer.

Cathleen auf der berühmten Tower-Bridge in London. Fotos: Privat

Cathleen auf der berühmten Tower-Bridge in London. Fotos: Privat


So ein ganz normaler Combi ist sehr praktisch, denn Thomas Böhme und Cathleen können damit unbehelligt stehen bleiben, wo es ihnen gefällt. Zum Beispiel in einer Tiefgarage gleich neben der Tower-Bridge in London. „Wenn wir Parkgebühren zahlen müssen, dann übernachten wir dort auch gleich“, so der Weltenbummler. Ansonsten geht es mit Inlinern oder City-Roller vom Parkplatz außerhalb der Metropole rein in die Stadt zur Sightseeingtour.
Beide legen besonderen Wert darauf, nicht nur die Länder abzufahren, sondern Sehenswürdigkeiten und Eigentümliches wirklich zu erleben. „Wir wollen sagen können, dass wir die Länder wirklich gesehen haben“, so Cathleen. „Und wenn wir nicht alles beim ersten Mal schaffen, dann fahren wir nochmal hin“, so ihr Vater. Obwohl sie schon in Rom waren, sind sie letztes Jahr nochmal in den Vatikanstaat gefahren.
Die Vorbereitungszeit ist enorm und mittlerweile zum Familienhobby geworden, das auch Lebensgefährtin Irene Thürauf unterstützt. Auf einer großen Landkarte wird erst die Route grob fest gelegt. Dann geht es ans Auskundschaften von Sehenswürdigkeiten, gesellschaftlichen Gegebenheiten, Verhaltenshinweisen. Die beiden studieren Reisebücher und lassen sich dann vom ADAC Reisemappen zusammenstellen. Spritpreise, Autobahngebühren, Fährverbindungen, Kosten für Essen und Parkmöglichkeiten sind vor Abfahrt genau geplant.
Im „Urlaub“ geht es dann manchmal schon um drei Uhr nachts los zur nächsten Etappe. „Für uns ist das positiver Stress“, sagt Thomas Böhme lachend. Und der wird meist bis zum letzten Moment ausgekostet. Mitunter ging es sofort nach der Rückkehr zur Schule oder zur Arbeit.
Schlechte Erfahrungen haben die beiden kaum gemacht, sondern „verrückte Sachen erlebt und nette Menschen kennengelernt“. Bei einer der ersten Reisen nach Österreich war ihr Hund, der immer dabei ist, für zehn Tage verschwunden. Kam aber wieder unversehrt zurück. In der Schweiz haben sie sich verfahren. „Wir sind wohl auf ehemaligen Schmugglerwegen gelandet“, so Thomas Böhme. Die Polizei hat sie gestoppt. Hände auf das Auto. Komplette Durchsuchung. „Danach waren sie sehr nett und haben uns mit Blaulicht zur Autobahn zurück geleitet“, erinnert er sich.
Längst hat sich das Reisefieber auch über Europa hinaus ausgeweitet: USA, Agypten und Tunesien haben die beiden schon entdeckt. Bei Flugreisen (auch in Europa z.B. Irland, Großbritannien, Island, Malta usw.) mieten sie sich ein Auto und machen sich unabhängig vom Massentourismus. In Ägypten auf eigene Faust zum Karnak-Tempel zu gehen, war kein Problem. In Tunesien dagegen wurde eine Fahrt mit dem öffentlichen Bus gefährlich. „Man wollte uns keine Rückfahrkarte verkaufen und so sind wir mit dem Taxi weiter“, erzählt Thomas Böhme.
„Unser größter Schatz sind die Fotoalben“, sagt Cathleen. Über 10 000 Fotos haben die beiden digital aufgenommen, und machen daraus – ganz altmodisch – tolle Alben mit persönlichen Erinnerungsstücken für jede Reise.
Zusätzlich zum Reisefieber kam an Ostern auch erstmals eine sportliche Herausforderung dazu. Krafttraining, Radfahren, Laufen oder Schwimmen gehören in der Familie zum Tagesablauf und in den Osterferien wollen Vater und Tochter in zwei Tagen von Burgbernheim nach Paris mit dem Rad fahren. Ein Durchschnittstempo von 15 bis 20 km/h sei realistisch, so Thomas Böhme. Im besten Fall bräuchten sie für die 700 km nach Paris 35 Stunden reine Fahrzeit. „Das ist ein bisschen Action und Abenteuer“, findet Böhme.
Irene Thürauf begleitet das Projekt, das ein Sponsor unterstützt, mit dem Auto. Essen, Getränke, Ersatzkleidung und die zielgerichtete Navigation muss reibungslos laufen, denn hier geht es um Zeit. „Das Training und die Vorbereitung schweißt uns zusammen und wenn man dann etwas geschafft hat, ist es ein tolles Gefühl“, ist sich das Team einig.
Gutes Tun für andere
In diesem Geiste möchten sie auch anderen Gutes tun und haben zu den Streuobsttagen in Burgbernheim (am 7. Oktober) eine eigene Aktion geplant. „Wir backen einen 25 Meter langen Apfelkuchen“, so Thomas Böhme. Die Zutaten werden von Sponsoren finanziert, gebacken wird im Brothaus und die Einnahme vom Verkauf geht an krebskranke Kinder.
Von ihren vielen Reisen habe Vater und Tochter nicht nur unzählige Erinnerungen mitgenommen, sondern auch ein von Vielfalt geprägtes Weltbild. „Es gehört alles zusammen: Nicht nur Europa, sondern die ganze Welt“, stellt Thomas Böhme fest. am