Realist mit Stift Mrz10


Realist mit Stift

Der Karikaturist Robert Hellenschmidt

Der Tisch liegt berstend voll mit Zeichnungen. Hunderte von weißen DIN-A3-Blättern. Darauf Fassadenromantik, die Auswüchse des Massentourismus oder aus dem Alltag heraus und in die Welt des Bleistifts hineingefallene Politikerköpfe. Dabei ist die gezeichnete Fülle auf dem Tisch nur ein Teil des Ganzen. Im Keller von Robert Hellenschmidt ruhen noch weitere 1000 Karikaturen. Seit 1980, seit 34 Jahren, „strichelt“ Robert Hellenschmidt Woche für Woche für den Fränkischen Anzeiger. Weit über 1200 Karikaturen sind so entstanden. Seit März 2005, dem ersten Erscheinungstermin von ROTOUR, gehört auch hier die letzte Seite des Heftes dem Karikaturisten. Was immer für Rothenburg und das Umland von Bedeutung war, hat er mit wohl überlegtem Strich zugespitzt. Den Nimbus, der ihn umweht, sieht er dabei ganz realistisch. „Man darf nie glauben, dass man als Karikaturist die Welt ver­ändert“, erklärt Robet Hellenschmidt. „Im besten Fall löst man unmittelbare Betroffenheit aus, die sich schnell wieder dem normalen Wahnsinn beugt.“

Jede Karikatur erzählt ihre eigene Geschichte: Der Tisch ist übersät mit den Zeichnungen.Fotos: am

Jede Karikatur erzählt ihre eigene Geschichte: Der Tisch ist übersät mit den Zeichnungen. Fotos: am

Zu dieser selbst ernannten Lebensaufgabe hat ein weitsichtiger Zufall geführt: Robert Hellenschmidt war der Malerei schon zu Schulzeiten zugewandt. „Aber selbstkritisch, eher unzufrieden“, beschreibt er. Noch als Jugendlicher hat er die großen Meister entdeckt: Rembrandt und Spitzweg. Er hat sie kopiert, hat das Spiel mit Licht und Schatten, die Dramatik des Momentes mit Perfektion auf die Leinwand gebracht. Weitere Ölgemälde sind entstanden, dazu fotorealistische Bleistiftszeichnungen, die die Missstände der Welt anprangerten oder Collagen, die verbinden was das Auge doch so gerne trennen würde.

Im Jahr 1980 wagte er dann den Sprung an die Öffentlichkeit mit einer großen Ausstellung in der Schranne. Die großformatigen Werke haben das Publikum be­geis­tert, darunter auch Dieter Balb, Chefredakteur des Fränkischen Anzeigers. Er sah Substanz in den kritischen Bleistiftzeichnungen und konnte sich daraus entwickelte Karikaturen vorstellen. „Hellenschmidt, probieren Sie es doch mal, hat er zu mir gesagt“, erinnert sich der Karikaturist, „und ich habe im Überschwang des Erfolgs geantwortet: Herr Balb, das mache ich.“ Das war der Anfang – und Robert Hellenschmidt ist danach erst mal verzweifelt.

„Das Ergebnis war mehr als dürftig“, erzählt er heute schmunzelnd. Aber nun war er in der Pflicht, und der nötige Ehrgeiz hat ihn angestachelt. „Ich bin beinahe verzweifelt, weil es so schwer war“, erinnert er sich. Die Konfrontation mit der Wirklichkeit und die Auswüchse der Gesellschaft, immer in Bezug zu lokalen Ereignissen, wollte er zum Ausdruck bringen. Einen eigenen Stil dabei zu entwickeln, gehört zur Intention eines jeden Karikaturisten dazu.

Nun, nach 34 Jahren und überberstenden Tischen voller Zeichnungen, kann man durchaus von einem Œuvre reden. Die Karikaturen von Robert Hellenschmidt gehören zur Samstagsausgabe des Fränkischen Anzeigers wie der Kaffee zum Frühstück. So mancher Politiker wird sich daran messen, ob er als Sujet für die Karikatur genügt, ebenso wie manches Thema auf dem weißen Papier die Wellen hat hochschlagen lassen – bis hin zur Anzeige.

Eine nachdrückliche Bitte

Nicht allen hat gefallen, was da auf Seite 1 am seligen Wochenende die Netzhaut irritiert hat. Darunter auch sein einstiger Chef Karl Korn. Robert Hellenschmidt ist nicht nur Karikaturist, sondern war im Berufsleben als Mitarbeiter und „rechte Hand“ von Karl Korn vom Mercedes Autohaus mit viel Technik bewandert. Von Anbeginn bis heute ist er auch für die Auswahl und Organsiation des Kulturprogrammes von Kunst Kultur Korn zuständig.

Eines Morgens, gerade war seine Karikatur zur geplanten Autobahn erschienen, kam Karl Korn in sein Büro herein mit der intensiven Bitte, doch mit den Karikaturen aufzuhören. „Wenn wir die Autobahn nicht bekommen, dann bist du schuld, waren seine Worte“, erzählt Robert Hellenschmidt und schmunzelt. Die Autobahn kam, die Karikaturen nahmen kein Ende und auch die beiden Herren verstehen sich nach wie vor bestens.

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Ehrgeiz treibt an

Um 34 Jahre lang Woche für Woche eine Idee in die treffende Bildsprache umzusetzen, dazu bedarf es aber eines besonderen Antriebs. „Ich habe gemerkt, die Leser warten darauf“, erklärt der Künstler, „da hatte ich den nötigen Ehrgeiz.“ Der Donnerstag ist für Robert ­Hellenschmidt immer „Karikaturtag“. Nachdem das Thema steht, entwickelt er in Originalgröße ein bis zwei Vorskizzen. Dann geht es an die Ausarbeitung. Hier entstehen noch einmal ein bis zwei Varianten, bis er sich dann an die Reinzeichnung mit Halb- und Schlagschatten macht. Mindestens einen Tag arbeitet er an einer Karikatur. Als er noch berufstätig war, gehörte die Nacht der Kunst. War er im Urlaub, ist er für die Karikatur nach Hause gefahren. Es gab keine Samstagsausgabe ohne sie. „Und manchmal, da bin ich fertig, und dann merke ich die Bildsprache stimmt nicht“, erzählt er. Dann fängt er wieder von vorne an. „Nur der Zweifel bringt einen vorwärts“, sagt er mit Nachdruck.

Für Robert Hellenschmidt gibt es eine Prämisse: Kein Bild darf dem anderen gleichen, und Thema und Bildsprache müssen sich immer wieder neu definieren. Die Selbstkritik ist ihm immer auf den Fersen. „Wenn man in der Kunst soweit ist, dass man die eigenen Dinge für perfekt hält, dann ist das tödlich für die künstlerische Entwicklung“, weiß er. Mit Bodenhaftung Insgesamt fünf Bücher mit seinen Karikaturen hat Robert Hellenschmidt veröffentlicht. Acht Ausstellungen hat er bestritten. Jeden Samstag hält er den Rothenburgern ihren Spiegel vor. Keine ROTOUR-Ausgabe endet ohne seine letzten „Worte“. Die Bodenhaftung hat er jedoch nie verloren. „Mit einer Karikatur kann man nur anstoßen“, erklärt er. „Vielleicht regt man den einen oder anderen zu kritischen Gedanken an, aber man verändert nichts.“ Spannend bleibt es trotzdem. Ein jeder wartet gespannt, was die Samstagsausgabe oder die letzte ROTOUR-Seite bringen wird. am