Pittoresk: Ein Aufbruch mit Strahlkraft Mrz11


Pittoresk: Ein Aufbruch mit Strahlkraft

Kupferstich Kirchhof Rothenburg

Kupferstich von J.F. Schmidt, auf dem noch die Michaelskapelle zu sehen ist.

Foto von Willi Pfitzinger: Kirchhof

Foto von Willi Pfitzinger: Die gleiche Perspektive – nur 250 Jahre später.

Sonderausstellung im RothenburgMuseum: Eine gelungene Einführung in die Themenjahre

Die „pittoresken“ Themenjahre in Rothenburg sind angebrochen. Mit der Sonderausstellung „Pittoresk! Selbstbild-Fremdbild-Wiederaneignung“ im RothenburgMuseum (ab 8. März) wird das Thema auf vielschichtige Art und Weise greifbar gemacht. In sechs Räumen, ausgehend von der großen Gemäldegalerie, wird die Rolle Rothenburgs in Zeiten des Umdenkens deutlich. Das „Pittoreske“, heute ein etwas schwer greifbarer Begriff, hatte im 18. Jahrhundert einen ganz anderen Stand. Mit dem „Genre Pittoresk“ konkurrierte damals ein neuer Geschmack mit dem bestehenden Schönheitsideal. „Das Pittoreske hatte beinahe das Zeug zu einer neuen Gattungskategorie und entwickelte sich zum Ende des 18. Jahrhunderts in England zur Massenbewegung“, wie Dr. Hellmuth Möhring erzählt, Leiter des RothenburgMuseums. Rothenburg spielte dabei eine nicht ganz unbedeutende Rolle, denn die Stadt wurde im Rahmen der damals entstehenden Gartenbewegung zu einer Art Referenzmodell.
Bis ins 18. Jahrhundert wurden Gärten streng geometrisch angelegt, ganz nach den Wünschen der absolutistischen Herrscher. Die aufkommende neue Bewegung „Pittoresk“ sah sich als Gegenentwurf dazu: landschaftlich gestaltete Gärten, unterbrochene Sichtachsen, verschlungene Wege waren nun Trend. Mit diesem geistigen Erbe entdeckten Maler wie Arthur Wasse, der aus Manchester stammte und lange in London lebte, Rothenburg. Ab 1890 bis zu seinem Tod im Jahr 1930 lebte und arbeitete er in der Tauberstadt. Seine Witwe hat nach seinem Tod der Stadt 59 großformatige Gemälde vermacht. In der aktuellen Sonderausstellung hängt eine Auswahl und führt den Besucher so ein in das Thema „Pittoresk“.
„Eingang zum Zwinger am Klingentor“ ist eines der großformatigen Ölbilder von Wasse betitelt, das nicht nur das Pittoreske der Stadt in Szene setzt, sondern auch in der Ausstellung „Walt Disneys wunderbare Welt und ihre Wurzeln in der europäischen Kunst“ in Paris und Helsinki zu sehen war. Ergänzt werden die Kunstwerke von erklärenden Tafeln (deutsch/englisch), die die Bedeutung Rothenburgs erläutern. Von der Gemäldegalerie aus führt die Sonderausstellung in die weiteren Räume. Der erste zeigt die englischen Maler, wie z.B. Elias Bancroft, und deren Annäherung an die Entdeckung des Pittoresken. Der nächste birgt eine Installation des Rothenburger Künstlers Patrick Riefer-Kraus: Eine Ruhebank auf grünem Rasen, dazu Vogelgezwitscher und Wasserrauschen. Hier können Besucher mit allen Sinnen in die Gefühlswelt des „Pittoresken“ eintauchen.

Dr. Hellmuth Möhring erklärt ein Gemälde von Arthur Wasse.

Dr. Hellmuth Möhring erklärt ein Gemälde von Arthur Wasse. Die Ausstellung ist stimmig konzipiert: Sichtachsen wurden in die Galerie eingezogen, um einen Grundgedanken des Pittoresken zu repräsentieren. Foto: am

Weiter geht es mit einem Rückgriff auf die Zeit nach 1800. Die Künstler des Biedermeier und der Romantik spiegelten die Ideen des Pittoresken wider. Die Ausstellung zeigt Gemälde, Aquarelle, Lithografien und Kupferstiche aus der Sammlung des RothenburgMuseums. Mit dem anschließenden Raum bindet das Museum das bürgerschaftliche Engagement ein. Rothenburger können hier ihre Bedeutung von Pittoresk künstlerisch umsetzen. Den Beginn macht der Fotograf Willi Pfitzinger. Er hat 18 Kupferstiche von Johann Friedrich Schmidt, die dieser 1762 – 69 hergestellt hat, mit aktuellen Fotografien erneut in Szene gesetzt. Nach ihm werden die Montessori Schule und danach der Fotoclub den Raum bestücken. Im letzten Zimmer der Sonderausstellung wird die Überformung Rothenburgs durch das Fremdbild thematisiert. Schon um 1840 gab es erste Souvenirs, die in Vitrinen gezeigt werden. Der Tourismus prägte das Bild der Stadt, das so gut in den pittoresken Gegenentwurf passte.
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„Pittoresk! Selbstbild-Fremdbild-Wiederaneignung“, Ausstellung im RothenburgMuseum (Klosterhof 5). Zu sehen vom 7. März bis Dezember 2021. Öffnungszeiten siehe ROTOUR-Heft auf Seite 87.