„Ohoo“ in Bad Windsheim – Die Karnevalsgesellschaft Windshemia veranstaltet Prunksitzungen Jan11


„Ohoo“ in Bad Windsheim – Die Karnevalsgesellschaft Windshemia veranstaltet Prunksitzungen

Weder „Helau“ noch „Alaaf“ heißt es in Bad Windsheim. „Ohoo“ tönt hier der Schlachtruf, der die fünfte Jahreszeit begleitet. Ja, auch wenn man es kaum glauben mag, die Franken wissen den Karneval doch zu feiern. Zumindest in Bad Windsheim.
Seit 55 Jahren gibt es dort die Karnevals Gesellschaft Windshemia – und die nimmt die illustren Wochen durchaus ernst. Bierselige Geselligkeit, dumpfe Feierlaune und eine Kostümierung mit roter Pappnase und Ringelshirt, die durchschnittliche fränkische Faschingstradition, kommen hier nicht auf das Parkett. Gardemädchen, Tanzmariechen, ein Elferrat, Büttenreden und ein Männerballet aber schon. Die Prunksitzungen der „Windshemia“ zelebrieren die Fastnacht mit Niveau und Stil.
Begonnen hat alles im Jahr 1961. In der Brauerei Koch wurde auf Betreiben von Hans Reichert ein Faschingskomitee gegründet. Fröhlichkeit und die Pflege von uraltem, fränkischem Brauchtum war ihr Anliegen. Elferrat und Garde wurden gegründet, Uniformen und Kostüme genäht – und schon konnte es los gehen. Schon im Gründungsjahr gab es einen Faschingsumzug und eine erste Faschingssitzung. Die Gründungsmitglieder haben keine halben Sachen gemacht und so ist es bis heute geblieben.
Die Karnevalsgesellschaft Windshemia hat mittlerweile etwa 670 Mitglieder, davon 180 Jugendliche. Ganze Generationen von Mittelfranken haben hier ihre Liebe zum Fasching entdeckt. Die Jugendarbeit wird groß geschrieben, und so mancher Säugling ist mit der Geburt schon in der Purzelgarde angemeldet. „Etwa 20 Kinder stehen momentan auf der Warteliste“, sagt Johannes Gerhäuser, erster Präsident der Karnevalsgesellschaft. Die Windshemia ist längst zu einem zentralen Verein in Bad Windsheim geworden, der das gesellschaftliche Leben prägt.

Den Nerv der Zeit getroffen
Schon der Start war fulminant: im Jahr 1962 gab es das erste Prinzenpaar Bernd und Herta Gurrath. 52 weitere Prinzenpaare folgten. Darunter war im Jahr 1983 auch Christian Schmidt (mit Elisabeth Döbler), der lange Jahre Parlamentarischer Staatssekretär war und seit Februar 2014 Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft ist. Die Prinzengarde und das Männerballett gehörten von Anfang an dazu, und die Karnevalsgesellschaft zählte nach wenigen Jahren schon 100 Mitglieder.

Prinzenpaar

Prinzenpaar


Rudi Schmidt, seit 30 Jahren im Präsidium des Vereins im Einsatz, sagt: „In all den Jahren hat es in der Windshemia keinen bösen Streit gegeben. Bei uns herrscht ein kameradschaftliches Klima und mehrere Generationen arbeiten zusammen“.
Vielleicht liegt es daran, dass die fünfte Jahreszeit in Bad Windsheim mit so viel Erfolg zelebriert wird – und auch dass der Verein 1995 beschlossen hat, ein eigenes Vereinsheim zu bauen.
Friedrich Bruder, Ehrenpräsident und seit über 50 Jahren aktiv bei der Hallendekoration, der Umzugswagengestaltung und beim Aufbautrupp dabei, hat damals das Projekt angestoßen.
„Der Verein wurde immer größer und die Tanzgruppen benötigten Trainingsmöglichkeiten“, erklärt er. Die Windshemia hatte Rücklagen gebildet, Spenden wurden erbeten. Dazu kamen etwa 70 Prozent Eigenleistung.
„Wir haben im Verein viele Handwerker“, sagt Bruder. 1998 war das Vereinsheim mit Tanzhalle, Küche, Nebenräumen und Clubraum fer-tig. 1999 war der Verein schuldenfrei.

Einsatz über das ganze Jahr

Der Auftritt des Männerballetts ist einer der Höhepunkte der Prunksitzungen.

Der Auftritt des Männerballetts ist einer der Höhepunkte der Prunksitzungen.


So lustig und unterhaltsam das Karnevalsgeschehen auf der Bühne auch ist, im Hintergrund wird hart und engagiert dafür gearbeitet. Drei Prunksitzungen und der Rosenmontagsball sind die großen öffentlichen Auftritte in Bad Windsheim. Dazu kommt eine Wohltätigkeitsveranstaltung im Seniorenheim und zahlreiche Einsätze von einzelnen Gruppen und dem Prinzenpaar bei befreundeten Karnevalsgesellschaften oder offiziellen Anlässen.
„Je nach Dauer der Faschingszeit haben wir bis zu 25 Auftritte“, so Sven Kreitlein, der amtierende Prinz. Die Windshemia ist zum Aushängeschild der Stadt Bad Windsheim geworden.
Nach dem Fasching ist daher für die Aktiven vor dem Fasching, denn alljährlich wird ein fünfstündiges Programm auf die Beine gestellt.
Die verschiedenen Gardetänzerin­nen (ab vier Jahren startet die Purzelgarde, die Prinzengarde ab 16 Jahren), die Showtanz-Gruppe, die beiden Tanzmariechen Lara de Candido und Lea Eiweleit, der Chor, das Männerballett und die Büttenredner proben das ganze Jahr über.
Das Niveau ist hoch. Lara de Candido hat beim Qualifikationsturnier in Hannover unter allen Karnevals­tänzerinnen aus Deutschland den dritten Platz belegt. Was sie auf der Bühne zeigt ist schweißtreibender Leistungssport, der in glitzernde Leichtigkeit gehüllt ist.
Etwa 15 verschiedene Programmpunkte enthält eine Prunksitzung, die von Nicole Schmidt (Trainerin der Showtanzgruppe) und ihrem Vater Rudi Schmidt moderiert wird. Neben Gastgesellschaften, die mit einigen Nummern auch zum Programm gehören, ist einer der Höhepunkte der Auftritt des Chores.

Die Freiheit der Narren
„Unsere Texte schreiben wir selber und nehmen natürlich die Kommunalpolitik auf die Schippe“, erklärt Jürgen Müller, zweiter Präsident der Vereins, zuständig für den Chor und im Alltag Verwaltungsleiter des Freilandmuseums Bad Windsheim. Etwa 40 Minuten dauert der Auftritt der Chores, eine Art gesangliche Büttenrede. Jedes Jahr gibt es ein zentrales Thema, aber das wird bis zur ersten Prunksitzung geheim gehalten.
Vom Publikum sehnlichst erwartet wird auch das Männerballett, das schon seit 1962 existiert. Ästhetik und Niveau sind den 16 Herren äußerst wichtig – und dafür trainieren sie wöchentlich. Bierbäuche gibt es hier keine zu sehen, die Kostüme passen perfekt. Saisonal beschäftigt der Verein eine eigene Schneiderin, die den Gruppen die Ausstattung sozusagen auf den Leib schneidert.

3 Präsidenten

3 Präsidenten


Während einer Prunksitzung sind etwa 150 Aktive auf oder hinter der Bühne zu Gange. Die bunte Leichtigkeit des Karnevals verlangt neben einem harten Training und einem scharfen Verstand auch tatkräftiges Zupacken. Licht- und Tontechnik organisiert der Verein ebenso selbst wie den gesamten Auf- und Abbau. Der „Aufbautrupp“ übernimmt nicht nur alle Reparaturen am Vereinsheim, baut und gestaltet Bühne- und Kulissen, sondern lässt den Karnevalszauber wenn nötig auch über Nacht wieder verschwinden.
Reibungslos greifen seit 55 Jahren die einzelnen Rädchen bei der Windshemia ineinander, und zeigen, dass die Franken sehr wohl lustig sein können. Bis zum Faschingsdienstag – und manchmal auch darüber hinaus. am

Info: Prunksitzungen der Karnevals Gesellschaft Windshemia in der Kur- und Kongresshalle Bad Windsheim am 16. und 30. Januar und am 5. Februar. Am 8. Februar Rosenmontagsball. Beginn immer um 19.30 Uhr. Karten im Reisebüro Thürauf, Tel: 09841-3004.