Musiker und Philosoph – Dr. Peter Kamleiter ist in zwei Welten zu Hause Mrz01


Musiker und Philosoph – Dr. Peter Kamleiter ist in zwei Welten zu Hause

Seit 30 Jahren lehrt Peter Kamleiter an der Musikschule Rothenburg den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, wie sie einer Trompete die schönsten Töne entlocken oder ihre Finger über die Tastatur des Klaviers gleiten lassen. „Die Musik war meine erste Wahl“, sagt der 58-Jährige. Also gab’s noch eine weitere Option? Die Philosophie. Herz und Verstand, Gefühl und Ratio – die Antipoden des menschlichen Seins sind seine Determinanten.

Wie kam es zu unserem Glauben und was ist dran? Kamleiter packt das Thema an der Wurzel an.

Wie kam es zu unserem Glauben und was ist dran? Kamleiter packt das Thema an der Wurzel an.

Musikalisches Elternhaus
„Mein Weg war durch mein Elternhaus vorgezeichnet“, erzählt Kamleiter. Peter Kamleiter stammt aus einer Musikerfamilie mit Ursprung in Rothenburg. Als er etwa acht Jahre alt war, zog die Familie nach München. Sein Vater Herbert Kamleiter war Posaunist bei den Münchner Philharmonikern, später war er Musikdirektor der Stadtkapelle Rottenburg am Neckar und Professor an der Musikhochschule in Würzburg. Beide Söhne sind mit Musik aufgewachsen und auch der Bruder von Peter Kamleiter ist Posaunist an der Staatsoper München.
Kamleiter selbst hat ab 1978 an der Musikhochschule München Trompete im künstlerischen Hauptfach studiert und dann noch das Studium der Musikpädagogik mit Hauptfach Klavier aufgesattelt. Auch sein Ziel war es ein Orchesterengagement zu bekommen.
„Aber dann kam mein Interesse am Komponieren“, erzählt Kamleiter. Er hat sich mit großen Komponisten wie Strauß und Schumann beschäftigt und auf diesem Weg die Philosophie entdeckt. „Und das hat für mich eine neue Türe aufgestoßen“, erzählt er.

Ein zweites Studium

Ab 1987 hat er an der Julius-Maximilian-Universität in Würzburg daher noch das Magisterstudium der Philosophie, Musikwissenschaften, evangelischen Theologie und Germanistik absolviert. Im Jahr 1994 promovierte er am philosophischen Lehrstuhl und befasste sich in seiner Doktorarbeit mit der Erkenntnislehre des in Franken gebürtigen Philosophen Carl Stumpf.
Nun könnte man meinen, Peter Kamleiter sei ein vergeistigter Überflieger ohne Bodenhaftung. Das ist weit gefehlt. Seit Mitte der 80er Jahre lebt er wieder in Rothenburg, das für die Familie immer zentrale Anlaufstelle war. „Ich kann mich an keine Ferien als Kind erinnern, in denen wir nicht in Rothenburg waren“, erzählt er. Hier hat er seine eigene Familie gegründet, hier sind seine drei Kinder aufgewachsen, die mittlerweile alle studieren.
Neben seinen Engagements bei den Münchner Philharmonikern, der Bayerischen Staatsoper, in Orchestern für Rundfunk und Fernsehen und weiteren Stationen war er von 1985 bis 1990 Dozent an der Berufsfachschule für Musik in Dinkelsbühl und lehrte an Gymnasien. Seit Gründung der Musikschule Rothenburg im Jahr 1989, an der alle Lehrer eine musikalische Hochschulausbildung haben, unterrichtet er hier die Fächer Trompete und Klavier. Aktuell ist er der Vorsitzende des Leitungsteams der Musikschule. So manchem mag er auch noch von den Auftritten mit „Jazz for Fun“, u.a. bei Kultur Korn, in Erinnerung geblieben sein.
Musik und Philosophie, vor allem das Studium und die Promotion, liefen weitgehend parallel. Zeitlich ist das nicht zu unterschätzen, denn „um professionell zu sein, muss man ständig am Thema arbeiten“, so Kamleiter. Ein Pianist muss mehrere Stunden am Tag üben, ein Philosoph muss ebenso viel Zeit aufwenden für Lektüre, Gedankenbildung und Vernetzung. Da braucht es einen inneren Antrieb. „Ich wollte Antworten“, erzählt Kamleiter und fügt mit einem Schmunzeln an: „Zu Beginn war ich so naiv zu glauben, dass dann alle meine brennenden Fragen geklärt werden.“ Heute weiß er, dass es keine endgültigen Antworten gibt.

Mensch und Glaube

Nach seiner Promotion hat Kamleiter bei der Thomas-Dehler-Stiftung (als FDP nahe Institution ein liberales Bildungswerk in Bayern)zahlreiche Vorträge gehalten. Einige davon in Schillingsfürst, aber auch überregionale z.B. im Deutschen Museum in München zum Thema Einstein. Beteiligt waren hochkarätige Physiker, was „für mich eine interessante Erfahrung war“, so Kamleiter.
Bei einigen seiner Vorträge für die Dehler-Stiftung beschäftigte er sich mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild. Im Jahr 2016 hat Peter Kamleiter, basierend auf seinen Erkenntnissen aber grundlegend erweitert, ein eigenes Buch herausgegeben. „Der entzauberte Glaube“ gibt dem interessierten Leser auf 370 Seiten eine umfassende Kritik am „theistischen Weltbild aus naturwissenschaftlicher, philosophischer und theologischer Sicht“ an die Hand.
Kamleiter verlangt einiges von seinen Lesern, aber dafür bekommen sie auch eine vorbehaltslose Erklärung der westlich-religiösen Welt. Widerspricht der Glaube an Gott den Erkenntnissen der Naturwissenschaften? Wie stellen sich die Philosophen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit dazu? Viele Fragen werden erläutert ohne zu beeinflussen. Trotz aller Kritik am theistischen Welt- und Gottesbild vertritt Kamleiter keinen radikal atheistischen, sondern eher einen agnostizistischen Standpunkt. Ein Philosoph muss in der Lage sein, eigenständig zu denken. Kamleiter sagt von sich selbst, dass er keiner Kirche unterliegt, die ihm irgendeine Dogmatik aufzwingt. „Meine höchste Instanz ist mein intellektuelles Wissen“, stellt er mit Nachdruck fest.
Seit etwa zehn Jahren wohnt Peter Kamleiter im Herzen von Rothenburg. Viele Stufen führen hinauf zu seiner Wohnung. Im intellektuellen Elfenbeinturm befindet er sich aber nicht. Am Eingang stehen seine Laufschuhe, mitten im Wohnzimmer hängt ein Boxsack. Um in Balance zu bleiben, braucht er den körperlichen Ausgleich.
Noch wichtiger ist ihm aber eine liberale Welt. Seine größte Sorge ist, dass die freiheitlichen Errungenschaften, die die Menschen in historischen Prozessen erkämpft haben, in Zukunft in Gefahr kommen könnten.
Peter Kamleiter ist ein weltgewandter, moderner Philosoph, der ein unglaubliches, jederzeit abrufbares Wissen mit den aktuellen Themen verknüpfen kann. Sein Hauptschwerpunkt ist dabei die Erkenntnistheorie, die erklären möchte, was der Mensch überhaupt erkennen bzw. wissen kann. Er beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit der Naturphilosophie und damit einhergehend auch mit den Naturwissenschaften der Kosmologie, Hirnforschung und Evolutionsbiologie. Themen wie Bioengineering und die noch futuristisch anmutende Möglichkeit intelligente Technologien mit dem Gehirn zu vernetzen, hat er ebenso im Blick wie die ethischen Probleme unserer Zukunft.

Kritik muss möglich sein

Dazu gehört ganz aktuell die Migration. „Unser liberales, freiheitliches System darf nicht durch ein neues Erwachen fundamentalistischer Strömungen gefährdet werden“, sagt er. Zu der Aufgabe eines Philosophen gehört das Erkennen soziologischer Gefahren. Kamleiter hat Verständnis dafür, dass man in der Öffentlichkeit sozialen Frieden möchte, aber das entspräche nicht den Tatsachen. „Niemand traut sich mehr Islamkritik zu äußern. So weit darf es nicht kommen. In unserer Gesellschaft muss es möglich sein den Islam ebenso zu kritisieren wie das Christentum“, erklärt Peter Kamleiter.
Fernab jeglicher Dogmatik ist er Philosoph durch und durch. Und ebenso ist er Musiker mit Leib und Seele. Falls es die Seele gibt? Auch so eine Frage, die er in seinem Buch „Der entzauberte Glaube“ erläutert. Die Wissenschaft hat bis heute keine Seele entdeckt. Daher bedarf es Menschen wie Kamleiter, die mit aufklärenden Worten in die Gesellschaft hinein wirken. am