Kulturpreis – Der Gottlob-Haag-Ring wandert zu Thilo Pohle Okt01


Kulturpreis – Der Gottlob-Haag-Ring wandert zu Thilo Pohle

Der Gottlob-Haag-Ring geht wieder auf die Reise. Am 11. Dezember 1994 begann er seinen ruhigen aber tiefenwirksamen Zug durch Hohenlohe und Franken. Der Bad Mergentheimer Goldschmied Helmut Frauenberger hatte damals die Idee, seinen Freund Gottlob Haag zu Ehren.
Gottlob Haag lebte im Niederstettener Ortsteil Wildentierbach und war sein Leben lang die „Stimme Hohenlohes“. Er war Dichter, Autor, zeitkritischer Mundartlyriker und ein sehr bodenständiger Mensch. Mit einem eigenen Ring, der als „Wanderkulturpreis“ im zwei- bis dreijährigen Turnus weitergereicht werden sollte, wollte Frauenberg seinen Freund würdigen.
Im Jahr 1994 hat Gottlob Haag, der 2008 mit 81 Jahren verstorben ist, den Preis überreicht bekommen. Seitdem hat der Ring fünf weitere „Herren“ gehabt, die allesamt die Kulturwelt dieser Region geprägt haben. Der aktuelle Ringträger ist der aus Wettringen stammende Autor und Lyriker Manfred Kern. In seinem neuesten Buch „Baradiesischi Zeide“ hat er sich der Mundartlyrik gewidmet. „Durch den Gottlob-Haag-Ring habe ich den Zugang zum Dialekt wieder neu entdeckt“, so Kern.

Bewusste Entscheidung
Er gibt den Ring am 9. Oktober im Rahmen einer offiziellen Veranstaltung in der Tagungsstätte Wildbad weiter an den Rothenburger Thilo Pohle, Herz und Seele der Dokumentarfilmgruppe der Oskar-von-Miller-Realschule.
Es liegt stets in der Hand des Ringträgers seinen Nachfolger zu wählen – und das ist nicht einfach. Manfred Kern hat sich viele Gedanken gemacht. Sein Bauch- und Kopfgefühl wollten aber nicht so recht übereinkommen. „Beim Gespräch mit meiner Frau kam dann ganz plötzlich die Idee, warum eigentlich nicht Thilo Pohle“, erinnert er sich.
So lud er Pohle zu einem Wochenende zu sich nach Coburg ein. Man verbrachte angenehme Tage, tauchte in das Wirken des anderen ein. Vom Ring war nicht die Rede. „Erst danach schrieb ich ihm einen Brief mit meiner Vorstellung, den Ring an ihn weiter zu reichen“, so Kern.
Thilo Pohle war „völlig überrascht“ und hatte so einige Bedenken. „Man erlebt in der Welt soviel Eitelkeit als Motor für die Präsentation in der Öffentlichkeit“, erklärt er, „Das ist mir zutiefst zuwider“. Die wesentlichen Dinge spielen sich für ihn nicht in der Öffentlichkeit ab.
Gleichzeitig erinnert er sich an ein Treffen mit Gottlob Haag bei der Vorführung des Brettheim-Filmes in Niederstetten. „Die Begegnung war etwas Außergewöhnliches“, so Pohle. Alle Ringträger sind für ihn ein Beispiel für die Auseinandersetzung von Menschen mit der hiesigen Region. Eine Verpflichtung, in deren Folge er sich dann doch gerne einreiht.

Ein Gemeinschaftswerk
Im Oktober wird ihm nun der Ring überreicht. Dabei ist es ihm wichtig, dass nicht nur er, sondern die Gesamtheit der Dokumentarfilmgruppe der Oskar-von-Miller-Realschule den Kulturpreis erhält.
Thilo Pohle, ehemaliger Deutsch-
lehrer an der Realschule und seit 13 Jahren pensioniert, hat 1982 die Filmgruppe initiiert und führt sie bis heute.
Das erste Projekt, das er gemeinsam mit den Schülern anging, sollte gleich wegweisend sein. Sechs Jahre lang haben die Schüler an dem Film „Als der Frieden schon so nah war – Brettheim, eine Dorfgeschichte im Dritten Reich“ gearbeitet. Augenzeugen erzählen in der Dokumentation von den tragischen Ereignissen der Hinrichtung von drei Brettheimern nur wenige Tage vor Kriegsende. „Am 10. April 1988 haben wir den Film dann in Brettheim vorgeführt“, so Pohle. Mit dem Film wollte er nur an die Öffentlichkeit gehen, wenn die Brettheimer zusicherten, dass die Dokumentation ihnen gerecht wurde.
Die Betroffenheit, aber auch Begeisterung, hat danach weltweit Kreise gezogen. In 34 Jahren hat die Filmgruppe über 40 Filme in 17 verschiedenen Sprachen erstellt. Etwa 300 bis 400 Schüler waren daran beteiligt und haben sich mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus, dem Kernthema aller Filme, ebenso auseinander gesetzt wie mit der technischen Entwicklung in der Filmproduktion.

Brettheim in den 1980er Jahren: Irma Junker berichtet den Filmschülern von den tragischen Ereignissen im Jahr 1945.

Brettheim in den 1980er Jahren: Irma Junker berichtet den Filmschülern von den tragischen Ereignissen im Jahr 1945.


Fortbestand der Filmarbeit
Aktuell dreht die Filmgruppe eine Dokumentation über Rothenburg in der NS-Zeit, die im Frühsommer 2017 fertig ist. „War es früher schwierig, Menschen zum Reden zu bringen, so ist es heute schwierig, überhaupt noch Zeitzeugen zu finden“, erklärt Thilo Pohle.
„Thilo Pohle ist ein unermüdlicher Nachfrager und Nachforscher“, beschreibt ihn Manfred Kern. Eigentlich hätte ihm Pohle schon längst in den Sinn kommen können. Er war einst sein Deutschlehrer, der ihm in seinen ersten literarischen Sturm und Drang-Zeiten den Rücken stärkte. So schließt sich noch auf ganz anderer Ebene der Kreis. am