Kampfkunst – Im Selbstversuch Nov14


Kampfkunst – Im Selbstversuch

Das Sportangebot in Rothenburg ist groß. Vereine und Studios bieten vielfältige Möglichkeiten, sich fit zu halten: ob Handball oder Football, Zumba, Spinning oder Yoga. Neben den Klassikern lassen sich auch viele unbekanntere Disziplinen entdecken. Dazu zählt auch das Angebot der Kampfkunstschule von Christian Kluge am Fischbach. Jeet kune do und Wing-Tsun stehen hier auf dem Trainingsplan.

Beim Jeet kune do geht es um Körperbeherrschung und Reaktionsvermögen.   Fotos: ake

Beim Jeet kune do geht es um Körperbeherrschung und Reaktionsvermögen. Fotos: ake


Noch nie gehört? Ging unserem Rotour-Redaktionsteam genauso, deshalb habe ich das Experiment gewagt und an einem von der Kampfkunstschule angebotenen Schnuppertag teilgenommen. Drei Einheiten wurden angeboten und natürlich wollte ich für einen guten Überblick an allen teilnehmen. So standen am Sonntagnachmittag insgesamt fünf Stunden Training auf dem Programm. Bewaffnet mit nichts anderem als einem Paar Hallenschuhe und einer Flasche Wasser stieß ich zu der Gruppe Interessierter und war ziemlich nervös: Würden Motivation und Kondition für die ganze Zeit reichen?
Als erstes stand Jeet kune do auf dem Plan. Dabei handelt es sich um ein Kampfkunst-System, das bewusst auf die rituellen Elemente klassischer fernöstlicher Kampfkünste wie etwa dem Judo verzichtet, dafür aber Elemente dieser Künste kombiniert mit Techniken westlicher Kampfkünste wie dem Boxen oder dem Fechten. Im Vordergrund steht die Effektivität: Wie wehre ich einen Angriff mit möglichst geringem Aufwand ab und wie kann ich weitere Angriffe verhindern? Der chinesische Ausdruck Jeet kune do bedeutet so viel wie „Weg der abfangenen Faust“. Entwickelt wurde diese Kampfkunst von Bruce Lee. Ja, genau der Bruce Lee aus den Filmen.
Erstes Lernziel für uns an diesem Tag wird die richtige Position oder, um es einfacher zu sagen: Wir lernen wie wir stehen sollen, um möglichst gut im Gleichgewicht zu sein und auf alles was kommen mag schnell reagieren zu können. Bewegungsabläufe werden einstudiert: rechter Fuß vor, linken Fuß nachziehen, auf der Linie bleiben und im richtigen Moment in die Luft schlagen. Damit es mit der Koordination klappt, wird der Kopf ganz schön gefordert.

Disziplin und Respekt
Und dann geht es relativ schnell zur Sache: In vielen abwechslungsreichen Partnerübungen teilen wir die ersten Schläge und Tritte aus und freuen uns, sie mit den entsprechenden Bewegungen elegant abzuwehren. Ich spüre, wie der Ehrgeiz geweckt wird, schneller oder präziser zu sein als das Gegenüber. Hier geht es durchaus ernsthaft Mann gegen Mann, aber es bleibt immer sportlich. Man begegnet sich auf Augenhöhe, hat Spaß an dem gemeinsamen Training und bei aller Konzentration und Disziplin wird auch viel gelacht.
Trainer Christian Kluge wird unterstützt von einigen seiner bereits erfahrenen Schüler, die geduldig als Sparringspartner für die Anfänger zur Verfügung stehen und dabei viele gute Tipps geben, die Haltung behutsam korrigieren und einen komplexeren Bewegungsablauf wiederholt in Zeitlupe vorführen. Niemand will hier mit seinem Können glänzen, niemand will einfach drauflos prügeln. Der im Leitbild der Kampfsportschule geforderte „Respekt für den Partner“ wird hier ganz selbstverständlich gelebt. Die Übungen sind gut strukturiert und auch als kompletter Neuling, wie ich es bin, fühlt man sich nicht überfordert. Nach zwei Stunden habe ich definitiv Blut geleckt und möchte weitermachen.
Aber jetzt steht erst einmal die zweite Disziplin auf dem Programm: Wing Tsun. Bei einer ersten kurzen Vorführung dieser Kampfkunst steigen unweigerlich Bilder aus Filmen wie „Tiger & Dragon“ vor meinem inneren Auge auf. Scheinbar wild fuchtelnde Arme, deren Bewegungen trotzdem unglaublich fließend und einfach wirken. Dass es alles andere als einfach wird merke ich aber schon nach wenigen Minuten. Die Grundposition im Wing Tsun erinnert an einen brütenden Pinguin: mit leicht eingedrehten Füßen, Hüfte nach vorn, Schultern und Taille gesenkt. Was danach kommt, bringt meinen Kopf zum Qualmen. Noch mehr als beim Jeet kune do ist meine volle Konzentration gefordert, um erste Bruchstücke der so genannten Formen des Wing Tsun zu lernen. Formen sind festgelegte Abfolgen von Techniken, die jeder Schüler für sich allein einübt. Dabei geht es darum, diese Formen in einem möglichen Kampf instinktiv, ohne viel Nachdenken abrufen zu können, so dass gewissermaßen der Körper von allein auf einen Angriff reagiert und weiß, wie er diesen abwehren kann.

Frauen willkommen
Wing Tsun wurde einer Legende zufolge von einer chinesischen Nonne entwickelt und an ihre erste Schülerin weitergegeben, die sich damit gegen einen aufdringlichen Verehrer zu Wehr setzen konnte. Gerade im Hinblick auf diese Hintergrundgeschichte, bedauert Christian Kluge, dass bisher nur wenige Frauen den Weg in die Kampfkunstschule finden. Er hofft, mit Angeboten wie Selbstverteidigungskursen und den Schnuppertagen hier Schwellenängste abbauen zu können.
Außerdem haben Interessierte jederzeit die Möglichkeit, ein kostenloses Probetraining zu vereinbaren.
Christian Kluge selbst übt sich seit jeweils mehr als 10 Jahren im Jeet kune do und im Wing Tsun und erreichte in beiden Disziplinen den Meistergrad. Den berühmten schwarzen Gürtel gibt es im Jeet kune do nicht, doch wäre dieser vergleichbar mit dem von Christian Kluge bisher abgelegten Prüfungsgrad. Im Februar dieses Jahres erwarb er zudem die Trainerlizenz für das Inosanto Kali, das als dritte Einheit zum Abschluss unseres Schnuppertages auf dem Programm stand.
Beim aus der philippinischen Kampfkunst entwickelten Inosanto Kali kommen verschiedene Waffen wie zum Beispiel Stöcke und Messer zum Einsatz. Wir versuchten, Angriffen mit solchen Waffen zu begegnen und sie abzuwehren und stellten überrascht fest, dass unsere in den Einheiten zuvor erlernten Techniken uns hierbei sehr von Nutzen sind.
Mit dem schönen Erfolgserlebnis, meinem angreifenden Trainingspartner das (natürlich nicht scharfe) Messer abgenommen zu haben, endet dann der unterhaltsame Schnuppertag für mich und meine Mittrainierenden in gelöster Atmosphäre. ake