Heimat zum Staunen – Das Stadtmuseum in Crailsheim Jan11


Heimat zum Staunen – Das Stadtmuseum in Crailsheim

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nahe liegt. Okay, das ist ein Spruch, den keiner mehr so richtig hören kann, weil er abgedroschen scheint und zu Tote zitiert wurde. Aber der gute Goethe, auf den das Wortspiel zurück geht, hatte eben recht. Und würde er dem Stadtmuseum in Crailsheim einen Besuch abstatten, kämen ihm vielleicht auch seine eigenen Worte in den Sinn. Dabei ist das mit den Stadtmuseen so eine Sache. Hier wird in der Regel gezeigt, was diese eine Stadt ausmacht. Wer hier keine Wurzeln hat, fühlt sich schnell wie beim Diavortrag einer fremden Urlaubsreise.
Im Stadtmuseum im Spital ist das anders. Das Museum erstreckt sich über drei Gebäude: Das große Pfründnerhaus (Bürgerhaus), die Spitalkapelle und das Badehaus. Alle Gebäude gehen im Kern auf das Spätmittelalter zurück und waren Teil des Spitals zum heiligen Geist, einer bürgerlichen Gründung, in der mehr als 400 Jahre lang alte und arme Menschen lebten. „Die Gebäude sind vielleicht unser größtes Exponat und geben viele Geschichten preis“, sagt Friederike Lindner. Die Rothenburgerin leitet seit 2008 das Stadtmuseum. Zuvor war sie am Badischen Landesmuseum und am deutschen Spielzeugmuseum in Sonneberg tätig.
Etwa in den 1920er Jahren begann der Crailsheimer Heimatverein seine Sammlungen an diversen Stellen auszustellen. Als vor 20 Jahren das Spitalgelände saniert wurde, zog die Sammlung dort ein – aber nicht als Füllstoff für zahleiche Vitrinen, sondern thematisch und didaktisch aufbereitet.
Viele der Ausstellungsräume wurden schon vor 20 Jahren konzipiert, wirken aber immer noch aktuell und modern. Im Jahr 2007 wurde die letzte Abteilung „Crailsheim im 18. Jahrhundert“ als Art Enzyklopädie eingerichtet, die jeden Buchstaben des Alphabets mit einem Objekt aus der Crailsheimer Geschichte belegt. Vor kurzem kam die audiovisuelle Erschließung des Badehauses, einem der Höhepunkte des Museums dazu.

Sammlungsauftrag des Museums
Aber zurück zum Anfang: Im dreistöckigen Bürgerhaus wandelt der Besucher durch die Stadtgeschichte, die ebenso Zeitgeschichte ist. Hierhin gehört natürlich die individuelle Historie der Stadt Crailsheim, die Höhen und Tiefen von Herrschaft und Herrschaftswechsel. Aber auch die Geschichte des Hauses hat hier Platz: In den meterdicken Mauern der ehemaligen Spitalküche prangt der Ansbacher Markgraf Alexander, einst der Landesherr der Crailsheimer. Daneben stehen Kochgeschirr aus früheren Zeiten, alte Hausschuhe, eine lederne Fliegenklatsche und weitere Objekte, die die Sanierung des Hauses preisgegeben hat.
In einer Art Magazin wird der Sammlungsauftrag des Museums thematisiert. „Der Altbestand stammt aus den 1920/30er Jahren, dazu kommen Schenkungen und Ankäufe“, so die Musuemsleiterin. Imposante Halsbänder von Jagdhunden stehen ebenso im Magazin wie ein Holzkasten mit zwei Hungerwecken. „Ein Museum im Museum“, erklärt Friederike Lindner das Objekt von 1817, das ein Metzger zur Erinnerung an die Hungersnot um 1816 angefertigt hat, die letztendlich von einem Vulkan-ausbruch in Indonesien ausgelöst wurde.

Im Badehaus haben sich die Menschen nicht nur  gewaschen sondern wurden auch medizinisch behandelt. 	 Fotos: am

Im Badehaus haben sich die Menschen nicht nur
gewaschen sondern wurden auch medizinisch behandelt.
Fotos: am


Im Obergeschoss dann zwei Besonderheiten: Mit mutigem Blick wird die Geschichte des Todes in Crailsheim thematisiert: Eine Epitaphiensammlung aus dem 18. Jahrhundert und sogenannte Totenkronen sind zu sehen. Nach Tradition der Ansbacher Markgrafen wurden diese Kronen ledig Verstorbenen auf den Sarg gestellt.
Die andere Besonderheit ist die Saiteninstrumentensammlung des Geigenbauers Johann Stüber. Der gebürtige Crailsheimer betrieb eine Werkstatt in Den Haag. Nach seinem Tode 1976 vermachte er die Sammlung seiner Geburtsstadt. Über mehrere Räume ziehen sich die Exponate: Violinen namhafter Geigenbauer des 17. und 18. Jahrhunderts (Stainer, Guarnerie, Rogerius u.a.) sind ebenso darunter wie von Stüber gebaute Instrumente oder ein stummes Violoncello des 19. Jahrhunderts ohne Resonanzkörper.
Das Museum entwickelt seinen Reiz durch die Anbindung mehrerer Gebäude. Über einen kleinen Platz gelangt man zur Spitalkapelle, ebenso liebe- und stilvoll renoviert wie die anderen Gebäude. Friederike Lindner nutzt die Kapelle (und weitere Räume im Badehaus) für regelmäßige Sonderausstellungen. Bis zu neun unterschiedliche Themenbereiche holt sie jedes Jahr ins Museum. Bis 5. Februar sind Skulpturen von Thomas Hildenbrand zu sehen.
Ab 3. März teilen sich die Bildhauerin Gerda Bier und der abstrakte Maler Thomas Achter, beide vom Hohenloher Kulturverein, die Räumlichkeiten, die direkt
mit der Fayencensamlung verbunden
sind.
Von 1720 bis 1830 wurden in Crailsheim nämlich Fayencen hergestellt, ein Luxus für Adelige und wohlhabende Bürger.
Versäumen sollte aber kein Museumsbesucher den Gang in den Keller des Badehauses. Zum Spital gehörte eine öffentliche Badestube, die im Zuge der Renovierungsarbeiten als begehbare Grabung erschlossen wurde. „Bis ins 16. Jahrhundert wurde die öffentliche Badestube wohl benutzt“, so die Museumsleiterin. Mit zwei audiovisuellen Führungen, einer baugeschichtlichen und eine informativ-unterhaltsame für Kinder, wird der Alltag der Bader und ihrer Gehilfen erlebbar. Stadtgeschichte, wenn sie so ansprechend aufbereitet wird, steht exemplarisch für Universalgeschichte. Warum also in die Ferne schweifen? am

Info:
Stadtmuseum in Crailsheim, Spitalstraße 2. Geöffnet am Mittwoch, 9 bis 19 Uhr, Samstag,14 bis18 Uhr, und Sonn- und Feiertag von 11 bis 18 Uhr.