Grenzgänger Sep01


Grenzgänger

Die Landesgrenze teilt die Gaststube der Holdermühle im Taubertal

Radler und Wanderer kennen und schätzen die Holdermühle im Taubertal als Ausflugsziel und wegen der Schnitzel, des hausgemachten Kartoffelsalats und der Linsen mit Spätzle. Ins Fernsehen geschafft hat sie es wegen ihrer Lage an der bayerisch-württembergischen Grenze, denn die verläuft mitten durch die Gaststube!
Und das kam so: 1924 erweiterte der Müller und Landwirt Leonhard Endreß den Kuhstall seiner Mühle in Württemberg hin zur bayerischen Seite. Das war kein Akt der Rebellion, sondern ein ganz pragmatischer Entschluss. „Es hat sich einfach so ergeben, und seitdem heißt es: Unsere Kühe fressen in Württemberg und scheißen auf Bayern“, erzählt Fritz Körner schmunzelnd. Seine Ehefrau Beate Körner ist die Enkelin des „Grenzüberschreiters“ und betreibt Gastwirtschaft und Gästehaus. Fritz Körner, der aus Mannheim stammt und 1974 eingeheiratet hat, ist Steuerberater und hat sein Büro im ersten Stock des ehemaligen Stallgebäudes. Unterstützt wird er dabei von den Kindern Wolfgang und Renate.
Die Wurzeln reichen weit zurück
Am Wochenende, wenn besonders viel los ist, helfen alle mit, den Betrieb zu stemmen. Zwei bis drei Teilzeitkräfte ergänzen das Team und unterstützen in der Küche, beim Bedienen und bei den Zimmern.
Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Holdermühle im Jahr 1427 im Zusammenhang mit einer ziemlich grausigen Geschichte. „Die Mühle stand zu der Zeit auf Ur-Rothenburger Boden und gehörte dem reichen Müller Hans Plöder“, erzählt Fritz Körner. „Um Steuern zu sparen, plante er, die Mühle dem ständig klammen König Wenzel zu übereignen, der sie ihm dann wiederum als Lehen gab. Doch kurz bevor ein Reiter des Königs den Lehensbrief übergeben konnte, tauchten Rothenburger Abgesandte auf und ertränkten den Müller in seinem eigenen Brunnen.“ Die Mühle ist vermutlich jedoch noch älter. Fritz Körner schätzt sie auf rund 700 Jahre.
Im Laufe der Jahrhunderte wechselte die Mühle häufig ihren Besitzer, oft schon innerhalb weniger Jahre. 1842 kam sie dann in den Besitz der Familie Endreß − und ist es bis heute. Noch der Vater von Beate Körner betrieb bis 1995 hier nicht nur die Mühle, sondern auch eine Landwirtschaft mit Viehhaltung. Dann war er weit über 70 und musste den Betrieb aufgeben. Einen Nachfolger gab es nicht. „Unser Sohn hat die Müllermeisterprüfung abgelegt“, berichtet Fritz Körner. „Doch dann wurde eine Mehlstauballergie bei ihm festgestellt und er konnte den Beruf nicht ausüben.“ Die Mühle wurde abgebaut, die Ställe ausgeräumt. Und dann standen die Gebäude leer. „Es wäre ja alles nur heruntergekommen und deswegen haben wir beschlossen, eine Gastwirtschaft einzurichten“, erzählt Fritz Körner.

Erfahrung mit Gästen hatte die Familie schon über 20 Jahre mit einer Heckenwirtschaft im Wohnzimmer gesammelt. Nach der Gastwirtschaft kamen im Laufe der Zeit immer mehr Fremdenzimmer dazu und seit über zehn Jahren baut die Familie das ehemalige Mühlengebäude zu modernen Gästezimmern und Ferienwohnungen um.
Neben Besuchern aus dem bayerischen und württembergischen Umland bewirten und beherbergen die Körners auch internationale Gäste, viele davon auf der Durchreise, die sich für eine Nacht in der Ruhe und lieblichen Natur des Taubertals vom Reisestress erholen und die bodenständige Küche genießen wollen.
Bayern spielt im Leben der Familie keine große Rolle. Dabei waren es die bayerischen Beamten, die − im Gegensatz zu den Württembergern − mit der Grenzüberschreitung keine Probleme hatten, weder beim Stallanbau in den 20er, noch beim Umbau zum Wirtshaus in den 90er Jahren.
„Vor dem Umbau gab es einen Außentermin mit Mitarbeitern der Landratsämter aus Bayern und Württemberg“, erzählt Beate Körner. „Die Württemberger wollten partout keine Gastronomie im Außenbereich, doch einer der bayerischen Beamten protestierte: ‚Da muss ein Biergarten her!’, dann haben die Württemberger auch nichts mehr dagegen gesagt.“ Zum Glück!sib