Einstiges Handels- und Spaßzentrum Jan11


Einstiges Handels- und Spaßzentrum

Im Fleischhaus machten die Metzger ihre Geschäfte – und im Tanzsaal wurde kräftig gefeiert
Imposant steht das Fleischhaus am Marktplatz. Mit dem roten Fachwerk ein „Eyecatcher“, wie man heute sagt. Der Platz, an dem das Fleischhaus steht, war schon immer ein strategisch bedeutender Ort. Vom Burggarten her, wo einst eine Strauferburg stand, hat sich die Stadt über die Herrngasse Richtung Marktplatz entwickelt und es wird vermutet, dass im Arreal von Fleischhaus und angrenzender Marienapotheke ein frühes Rathaus stand.
Im November 2002 fanden im Fleischhaus kleinere Grabungen statt unter der Leitung des damaligen Kreisheimatpflegers Horst Brehm (2016 verstorben) und mit Beteiligung seiner Lebensgefährtin Regina Däschner. „Wo das Fleischhaus steht gab es mindestens zwei Vorgängerbauten“, stellt Däschner daher fest.
Das Grabungsteam ist im südlichen Teil des heutigen Fleischhauses (Richtung Hofbronnengasse) auf zwei Mauern gestoßen. In 1,60 m Tiefe fanden sie eine 1,40 m breite, extrem massive Mauer. „Das muss ein großes und sicherlich wichtiges Gebäude gewesen sein“, so Däschner. Der zweite Mauerfund war ein bogenartiges Fundament. Soweit eine zeitliche Einordnung möglich ist, sprechen die Experten vom 13. oder 14. Jahrhundert.
Desweiteren fanden Horst Brehm und seine Kollegen im östlichen Bereich des Fleischhauses eine Mauerschicht, deren beidseitige Schale eine massive Brandrötung zeigt. Archivalien berichten von einer Brandkatastrophe in der Hofbronnengasse im 13. Jahrhundert. „Das könnte damit in Verbindung stehen“, so Däschner. Vermutet wird, dass ein frühes Rathaus, wenn es denn existiert hat, bei diesem Brand zerstört wurde.
Die genaue Historie der Gebäude bleibt stets ein Stück weit im Ungewissen. Über die Jahrhunderte hat sich die Stadt sozusagen nach oben gewohnt. Denkmalpflege, wie man sie heute kennt, gab es dereinst nicht, und Häuser die beschädigt oder einfach nicht mehr gewollt waren, wurden abgerissen und neu aufgebaut.

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war das Fleischhaus verputzt. Fachwerk war damals nicht in Mode.      Foto: Wilhelm Lasius

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war das Fleischhaus verputzt. Fachwerk war damals nicht in Mode. Foto: Wilhelm Lasius


Mit Gewissheit gehen Experten aber davon aus, dass das heutige Fleischhaus, wie wir es kennen, aus dem Jahr 1483 stammt. „Bei Untersuchungen des Fachwerkes kann man das Alter des Holzes bis auf das Jahr genau feststellen“, erklärt Stadtbaumeister Michael Knappe.
Bei der letzten großen Sanierung des Fleischhauses im Jahr 2014 wurde bei einer Befunduntersuchung in einer der ältesten Fassungen die Farbe Ochsenblutrot gefunden. Die Stadt Rothenburg als Eigentümer des Fleischhauses hat sich für die farbintensive Wiederbelebung der Fassade entschieden. „Etwa 95 Prozent des Fachwerkes stammt aus dem Jahr 1483“, so Knappe. Auch bei den Gefachen, dem Raum zwischen den Holzbalken, schreibt das Fleischhaus Baugeschichte: Alle drei möglichen Varianten (Naturstein gemauert, gebrannte Ziegel oder Verfüllung mit eingespannten Hölzern, Lehm und Stroh) sind in dem imposanten Fachwerkbau zu finden.
Die Regeln der Metzger
Man hat sich also Mühe gegeben mit dem Bau des Fleischhauses – und das nicht ohne Grund. Wie der Name schon sagt, wurde hier Fleisch gehandelt. Aufstrebende Städte wie die Reichsstadt Rothenburg waren fortschrittlich und bemüht um Ordnung, Hygiene, Qualität – und sie wollten Kontrolle. Also wurde ein Haus für den kontrollierten Fleischhandel erbaut. „Es scheint fast zu den Kennzeichen der fränkischen Reichsstädte zu gehören, dass in ihnen die Handwerker die sonst übliche freie Selbstverwaltung entbehren“, ist in dem Bericht „Über das Metzgergewerbe in Rothenburg“ in „Die Linde“ vom 15. Februar 1930 zu lesen. Die Metzger mussten also unter städtischer Aufsicht ihre Waren im Gewölbe des Fleischhauses verkaufen.
Dabei gab es strikte Richtlinien (siehe „Die Verfassung und Verwaltung der Reichsstadt Rothenburg (1720-1803)“, Rudolf Walther von Bezold, 1915, S.133ff). Den „Fleischlehten“ war es verboten Fleisch unter den Bänken und in den Häusern zu verkaufen, wer das Vebot brach, musste eine Strafe zahlen. Die Preise für Fleisch wurden explizit nach Tier und Art festgelegt. Jeder Fleischer hatte dabei seine eigene „Bank“, eine Art Tisch. In einem Bericht in „Die Linde“ (Oktober 1916, S. 24) wird von 25 Fleischern auf 24 Bänken berichtet. Die Regeln im Fleischhaus gingen soweit, dass „Fluchen, Schänden … sowie die unter besondere Strafe gestellten Zärtlichkeiten verboten wurden“ („Die Linde“, 1/1930, S. 5).
Das Fleischhaus wurde eine Stunde vor Tagesanbruch geöffnet und um 12 Uhr geschlossen, Aufsicht führten die Meister. Die Stadt war an den Einnahmen beteiligt. In der Chronik von Sebastian Dehner, verfasst im Dreißigjährigen Krieg, ist die Rede von „328 Gulden Jahresaccis des Metzgerhandwerks für das im Fleischhaus geschlachtete Vieh“.
Auch wenn das Fleischhaus damals sicherlich hygienisch modern war, würden wir heute hier nichts mehr kaufen wollen. In der Mitte des Verkaufsraumes war eine Rinne, die über ein Loch in der südlichen Mauer auf die Hofbronnengasse mündete. Hier wurde der Abfall einfach heraus gespült.
Das Haus war aber nicht nur wegen des Verkaufs von Fleisch ein zentraler Anlaufort, sondern es war auch ein Vergnügungsort. Das Obergeschoss diente als Tanzhaus und geselliger Versammlungsort, mitunter sogar als Schulzimmer. Eine hohe Auszeichnung sei es gewesen, hier zum Tanz geladen zu werden und ein Privileg der ratsfähigen Familien, schreibt Manfred Vasold in „Geschichte der Stadt Rothenburg“ (2008). In der Dehner-Chronik ist sogar belegt, dass am „2. August 1657 zwei Bären hie gewesen“. Sie hätten „auf dem Tanzhaus gespielet und getanzt mit polnischen Sackpfeifern, Gakeltaßen und anderen Narren“.
Es war also jede Menge los im Tanzhaus. Bis ins 19. Jahrhundert gab es zudem Theatervorstellungen, „lange fort lediglich Hannswurst-Comödien“, so steht es geschrieben in „Rothenburg in alter und neuer Zeit“ (Ansbach, 1881, S. 115).
Dabei war das Fleischhaus damals äußerlich keine Schönheit. Heute legen wir Wert darauf, die Handwerkskunst des Fachwerkbaus zu zeigen. Dereinst war aber ein verputztes Haus eine Sehenswürdigkeit. Ab dem 17. Jahrhundert bis ins beginnende 20. Jahrhundert war das Gebäude verputzt und ein eher schmuckloser Bau.
Nachdem das Fleischhaus durch Einführung der Gewerbefreiheit nicht mehr von den Metzgern genutzt wurde, zog um das Jahr 1879 der Gewerbeverein in das Fleischhaus ein. Wo einst Schweinefleisch feilgeboten wurde, zeigten nun Handwerksmeister und Innungen ihr Können. Mit dieser Leistungsschau sollte der Konkurrenz der aufkommenden Fabrikprodukte entgegen gewirkt werden.
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist nun der Rothenburger Künstlerbund in der ehemaligen Fleischhalle ansässig. Im Rahmen der wechselnden Ausstellungen steht das Erdgeschoss offen. Die beiden Obergeschosse (das ehemalige Tanzhaus) wird vom Verein „Historisches Festspiel – Der Meistertrunk“ als Kleiderkammer genutzt. Die Dachgeschosse sind ungenutzt. „Wir lassen die alten Dächer bewusst unausgebaut, dann halten sie sich am längsten“, so Stadtbaumeister Knappe.
Die keltische Glasperle wurde im Untergrund des Fleischhauses gefunden.  Foto: Reichsstadtmuseum

Die keltische Glasperle wurde im Untergrund des Fleischhauses gefunden. Foto: Reichsstadtmuseum


Viele Geschichten des Fleischhauses liegen im Verborgenen, oder kommen nur durch Zufälle ans Tageslicht. Einer dieser Zufälle lag in den Händen von Regina Däschner. Im Rahmen der Grabungen im Jahr 2002 kam neben zahlreichen Alltagsgegenständen, die im späten Mittelalter zu Auffüllzwecken in den Untergrund gekippt wurden, die Hälfte einer keltischen Perle aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert zum Vorschein. „Selbst im Mittelalter war dies ein wertvolles Objekt und die Menschen ließen sich diese Artefakte oftmals als Talismann fassen“, so Däschner. Wie die Perle in den Untergrund des Fleischhauses gekommen ist weiß niemand. Heute ist sie im Reichsstadtmuseum archiviert. am