Eine dauerhafte Größe Jun01


Eine dauerhafte Größe

An Pfingsten ist in Rothenburg richtig was geboten: Wer steckt dahinter?
Klick, klick, klick – und los geht es. Alexander Zierer führt mit den beiden Magdalena-Kindern den Heereszug an. Tausende von Kameras und Handys sind startbereit, denn nach ihm kommen echte Ratsherren, wilde Gesellen, schöne Frauen, kriegserprobte Soldaten und imposante Rösser, die historische Kutschen ziehen.
Der Heereszug am Pfingstsonntag ist der Höhepunkt des Pfingstspektakels in Rothenburg. Etwa 15 000 Zuschauer stehen am Rand der Gassen und sind begeistert. Für die Touristen ein abwechslungsreiches Spektakel, für die Einheimischen eine geschätzte Tradition. „Rund 1 000 Ehrenamtliche sind am Umzug beteiligt“, erklärt Alexander Zierer, seit 2017 Vorsitzender des Vereins „Historisches Festspiel – Der Meistertrunk e.V.“. Er selbst hat eine klassische Festspielerkarriere absolviert: Gnadenbläger, Ratsherr, Bürgermeister und nun steht er seit drei Jahren als General Tilly auf der Bühne.
Der Kern der Pfingstfestspiele ist ein 1881 erstmals aufgeführtes Bühnenstück, das die Geschehnisse im Dreißigjährigen Krieg erzählt. 1631 stürmt der katholische General Johann T`Serclaes von Tilly mit seiner Armee die protestantische Reichsstadt. Die Rothenburger Räte und der Bürgermeister luchsen ihm durch eine Wette, bei der ein Humpen mit über 13 Schoppen Wein eine wichtige Rolle spielt, die Stadt wieder ab. Rothenburg ist gerettet – und seit 1881 ein touristischer Höhepunkt geboren. Jedes Jahr (bis auf einige Kriegsjahre) wird seitdem an den Pfingsttagen das Bühnenstück aufgeführt.
Zusätzlich entwickelten sich verschiedene historische Gruppen, die die Zeit um 1631 darstellten. Der Festumzug wurde ins Leben gerufen, das Feldlager vor der Stadt zwischen Röder- und Galgentor entstand.

Lust auf einen Plausch mit einem Zeitreisenden? Im Feldlager können Besucher auf Tuchfühlung gehen.  Foto: am

Lust auf einen Plausch mit einem Zeitreisenden? Im Feldlager können Besucher auf Tuchfühlung gehen. Foto: am

International bekannt
Rothenburg war eine der ersten Städte, die ein historisches Festspiel anbot und damit Touristen aus nah und fern anzog. „Werbeplakate hingen sogar in New York“, erzählt Zierer, der hauptberuflich Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Insolvenzrecht ist. Im Jahr 1902 wurde dann der Verein gegründet. Immer mehr Besucher kamen nach Rothenburg, der Tourismus florierte, das Thema Dreißigjähriger Krieg in Rothenburg hatte Potenzial.
Heute gehören dem Verein etwa 860 Mitglieder an, die sich in den beiden Schauspielgruppen und in 29 historischen Gruppen organisiert haben. Das „Festspiel“, wie die Einheimischen kurz und bündig sagen, ist der zweitgrößte Verein in der Stadt, in eigener Trägerschaft, Steuerzahler – und Organisator einer der besucherträchtigsten Veranstaltungen in der Stadt. Und die alljährlich auf die Beine zu stellen kostet Geld. Der Verein muss also ähnlich wie ein Unternehmen seine Aktivitäten wirtschaftlich planen. Alexander Zierer geht noch einen Schritt weiter und möchte zukünftig die finanzielle Situation des Festspiels von den Wetterbedingungen und somit vom Besucheraufkommen bzw. den Einnahmen an den Pfingstfeiertagen entkoppeln. Das bedeutet: Kosten im Blick haben, wo es möglich ist senken, und Einnahmen generieren.
Momentan hat der Verein ein Vermögen von rund 200 000 Euro. „Das brauchen wir auch, weil größere Investitionen anstehen“, so Zierer. Bereits 2018 hat das Festspiel gut 60 000 Euro in die Hand genommen, um Uniformen anzuschaffen und die Kutschen zu restaurie-
ren. In nächster Zeit steht die Renovierung von zwei Scheunen in Rothenburg an, die dem Verein gehören. Dort werden die knapp 20 historischen Kutschen und Wagen gelagert. Zierer rechnet mit einem mittleren fünfstelligen Betrag für eine Scheune. Ebenso kostenintensiv ist der geplante Einbau von (z. B. hydraulischen) Bremsanlagen in die
Kutschen. Einerseits gibt es kaum mehr Kutscher, die ungebremste Wagen fahren können, und andererseits „dient das der Sicherheit“, so Zierer. Zwischen 8 000 und 15 000 Euro würde eine hydraulische Bremsanlage pro Wagen kosten.
Der Verein ist auch Arbeitgeber von 15 Teilzeitmitarbeitern, darunter zwei Schneiderinnen in der Kleiderkammer und die Mitarbeiter im vereinseigenen Museum „Historiengewölbe“.
Alexander Zierer benennt die jährlichen Fixkosten mit rund 120 000 Euro. Gehälter, Versicherungen, Sozialversicherungsbeiträge, Kosten für die Regie der Bühnenstücks, Werbeetat und nicht zuletzt der Betrieb der Festwiese müssen finanziert werden. Allein die Festwiese mit Musik, Sicherheitskonzept usw. ist mit etwa 25 000 Euro kalkuliert.
Und wo kommt das Geld dafür her? Mitgliedsbeiträge sind es nicht, denn der Verein erhebt keine. Sicherster Ertragsbringer ist das Museum „Historiengewölbe“, das seit 1966 besteht. „Im Jahr 2018 hatte das Museum 27 000 Besucher“, so Zierer. Das bedeutet eine Einnahmesteigerung um knapp 9 Prozent. Dazu kommen Einnahmen für Eintrittskarten zu den Theateraufführungen oder durch den Verkauf des Pfingstabzeichens, das einen dreitägigen, freien Zugang zu Stadt und Festwiese gewährt.

Magdalena fleht auf der Bühne vergebens: Tilly (hier Alexander ZIerer) hat Rothenburg fest im Griff.

Magdalena fleht auf der Bühne vergebens: Tilly (hier Alexander ZIerer) hat Rothenburg fest im Griff.

Bewährtes und Neues
„Als wirtschaftlich interessanter Posten hat sich der mittelalterliche Handwerkermarkt entwickelt“, so Zierer. Am Pfingstmontag 2018 war er selbst als Marktwache im Einsatz und „es kamen 1 100 zahlende Gäste auf den Markt“, so Zierer.
Neu ist das Engagement des Festpiels am Weihnachtsmarkt. 2018 sind die Festspieler eine Kooperation mit der Schützengilde Rothenburg eingegangen und haben eine Bude am Weihnachtsmarkt gemeinsam betrieben. „Eine gute Einnahmequelle“, so der Vorsitzende. Seit einigen Jahren gibt es am Pfingstsamstag und -sonntag auch die ehrenamtlich tätigen Stadtwachen, die Wegegeld erbitten: Prinzipiell ein freiwilliger Obolus, aber die Vermittlung ist bei den Besuchern oft schwierig. Jeder Cent davon wird jedoch für den Verein verwendet.
„Zusätzlich erhält das Festspiel von der Stadt Rothenburg einen Zuschuss von 10 000 Euro für den Heeresumzug, eine Pauschale von 500 Euro, die Unterstützung bei Aufbau- und Abbauarbeiten an der Festwiese und kostenlos Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt“, erklärt Alexander Zierer. Dazu kommen kleinere Zuschüsse vom Bezirk Mittelfranken und Landkreis Ansbach. Vor vier Jahren wurde das Historische Festspiel „Der Meistertrunk“ als immaterielles Unesco-Kulturerbe anerkannt. Das beinhaltet zwar keine finanzielle Unterstützung, ist aber ein gewisser Ritterschlag.

Kurz nach Kriegsende haben die Rothenburger ihr Festspiel wieder aufgeführt. Ein Plakat von 1945.

Kurz nach Kriegsende haben die Rothenburger ihr Festspiel wieder aufgeführt. Ein Plakat von 1945.

Gemeinsam stark
Neben dem Blick auf die Wirtschaftlichkeit kann Pfingsten diesen Stellenwert in Rothenburg aber nur haben, weil Hunderte von Menschen an einem Strang ziehen und das Fest gemeinsam und im ehrenamtlichen Einsatz stemmen. Dieser Zusammenhalt hat genau genommen schon 1631 begonnen, als die Rothenburger Tilly ihre Freiheit wieder abgetrotzt haben. Das dreitägige Fest von der belagerten, besetzten und geretteten Stadt (Programm Seite 42) ist aus dem Jahreskalender nicht mehr wegzudenken. Und mit den Fotos der zigtausend Besucher wird in Zeiten von Instagram und Facebook die Botschaft darüber in die ganze Welt hinaus gesendet.

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