Ein Herz für die Landhege Aug01


Ein Herz für die Landhege

Friedrich Schinko kämpft gegen das Vergessen

Der Wald ist dicht aber dennoch sonnendurchflutet. In der Mitte eine kleine Anhöhe mit Trampelpfad, relativ unscheinbar. Zu beiden Seiten ein Graben. Friedrich Schinko steht auf der Rothenburger Landhege zwischen Hilgartshausen und Engelhardshausen. Einem der besterhaltenen Stücke auf Baden-Württemberger Gebiet.
Um 1420 hat der Rothenburger Stadtrat den Bau der Grenze beschlossen. Im Jahr 1480 war die 62 Kilometer lange und etwa 20 Meter breite Befestigungslinie rund um das Rothenburger Gebiet fertig.
Eine politische Entscheidung
Knapp 400 Jahre später kam Napoleon, hat das Gebiet der Landwehr mitten hindurch geteilt. Die eine Seite liegt in Bayern, etwa 22 Kilometer der Befestigungsanlage gehören seitdem Baden-Württemberg. Schon lange hat der Wall seine einstige Wehrfunktion eingebüßt und ist dem Verfall preisgegeben. Genau dagegen kämpft Friedrich Schinko.

Das Logo zur Rothenburger Landhege ist schon fertig. Allein das Geld zur Umsetzung fehlt.Fotos: am

Das Logo zur Rothenburger Landhege ist schon fertig. Allein das Geld zur Umsetzung fehlt. Fotos: am

Er war ein Jahr alt, als seine Eltern 1945 als Heimatvertriebene vom Sudetenland nach Blaufelden kamen. Sein Vater war Eisenbahner, und so zogen sie im Bahnhof von Blaufelden ein. „Meine Mutter hat Schrankendienst gemacht und mein Vater war Streckengänger zwischen Satteldorf und Markelsheim und Blaufelden und Langenburg. Er ist immer auf den Schienen gegangen statt dazwischen. Was eigentlich verboten war“, erzählt Friedrich Schinko lachend. Die Eltern waren damals die klassischen „Eisenbahner Kleinlandwirte“ mit zwei Eisenbahnerkühen und einer kleinen Landwirtschaft. „Das Wohnhaus lag nahe zum Blaubach, zu Beginn gab es noch keinen Strom, nur Petroleumlampen“, erinnert sich Friedrich Schinko.
Neben dem Bahnhof war die Postbusgarage. Der Lieblingsort des kleinen Friedrich, denn die „Pos­terer“ mussten ihre Busse damals noch selbst reparieren. Er hat ­geholfen und später eine KFZ-Lehre in Langenburg gemacht. Nach der Meisterprüfung und einigen beruflichen Stationen war er zuerst lange Jahre bei der Firma Hera in Blaufelden unter anderem für die Fahrzeugtechnik zuständig und hat Lehrmittel für Berufsschulen entwickelt und Berufsschullehrer in ganz Deutschland geschult.
Danach verschlug es ihn zur Firma Schaeff. Friedrich Schinko betreute dort die Fahrzeugelektrik der Minibagger und war nach der Übernahme durch Terex oft im ­Rothenburger Werk im Einsatz.
Im Jahr 2004 ging Friedrich Schinko in den Ruhestand. Nun hatte er Zeit. Schon seit 1975 war er Mitglied im Schwäbischen Albverein, eine Zeit lang war er auch aktiv im Alpenverein der Sektion Rothenburg. Das Wandern war sein Hobby, jetzt hat er es zur Passion gemacht.
In seinem Arbeitszimmer im Haus in Blaufelden hat er ordentlich sortiert in Hängeregistern geschätzte 500 bis 600 Wander­wege dokumentiert. „Ich laufe immer mit GPS (Positionsbestimmungssystem), zeichne alles auf und vermerke es dann auf einer Karte“, erklärt er. Ungefähr im Jahr 1980 ist er im Zuge einer Wanderung mit der Ortsgruppe Blaufelden zum Thema „Graben und Wallanlagen“ erstmals intensiv mit dem Thema der Rothenburger Landhege in Berührung gekommen.
„Seit 30 Jahren ist die Landhege in meinem Kopf“, sagt er und erinnert sich, dass er ja schon als Kind von Rothenburg begeistert war. Toppler, die Stadtmauer und ihre Türme, die Historie rund um die Landwehr, das alles fasziniert ihn.
Vor sechs Jahren haben ihm seine Kinder einen Flug über die Landhege geschenkt. Allerdings konnte man vom Flugzeug aus zu wenig sehen. Also ist er die Landhege zu Fuß abgegangen. Die gesamte Grenzlänge der Landhege (inklusive Frankenhöhe) misst 142 Kilometer. Friedrich Schinko ist 62 Kilometer davon gewandert: von Steinbach an der Holzecke bis Steinach an der Ens. 22 Kilometer davon liegen auf Baden-Württembergischen Gebiet.

Friedrich Schinko führt das Prozedere mit dem Fasskubizierapparat vor

Friedrich Schinko führt das Prozedere mit dem Fasskubizierapparat vor

„Teilweise habe ich stundenlang im Wald
nach den Resten der Wallanlage gesucht“, erzählt er. Baden-Württemberg hat mit der Landhege etwas geerbt, was nicht zum gewachsenen Kulturgut gehörte. Das Interesse war gering. Friedrich Schinko sieht das aber anders: „Nach der Chinesischen Mauer und dem Limes kommt gleich die Rothenburger Landhege“, stellt er fest. „Die Landhege ist als Doppelwallanlage einzigartig und ein außergewöhnliches Bodendenkmal.“ Also kämpfe er schon seit gut fünf Jahren intensiv für den Erhalt und die Erschließung der Landhege als Kulturgut.
Den ersten Versuch startete Friedrich Schinko vor zwei Jahren: Er brachte die Bürgermeister der sechs Anliegergemeinden Wallhausen, Rot am See, Blaufelden, Schrozberg, Niederstetten und Creglingen an einem Tisch zusammen.
„Auf bayerischer Seite ist die Landhege besser in Schuss, und es ging um den Anschluss auf Baden-Württembergischer Seite“, erklärt er. „Die Landhege muss grenzübergreifend gesehen werden.“ Profis zur Aufbereitung der touristischen und historischen Darstellung wurden mit ins Boot geholt. Zum Schluss scheiterte das Projekt, wie so oft, an den Kosten.
Ein neuer Lichtblick
„Etwa zur gleichen Zeit erfuhren wir vom ,Leader-Programm’“, erzählt Friedrich Schinko. Mit dem Leader-Programm unterstützt die Europäische Union und das Land Baden-Württemberg gemeinsam Entwicklungsstrategien für den ländlichen Raum. Nicht nur die Landhege, sondern ganz Hohenlohe-Franken, Kocher und Jagst könnten davon profitieren.
„Die Anfragen sind gestellt“, sagt Schinko, „aber letztendlich sprechen wir hier über ein Projekt, das noch in der Schwebe ist.“ Friedrich Schinko hat sich im Gesamtkonzept für die Landhege stark gemacht. Sein Wunschziel wäre Schautafeln in allen sechs Gemeinden aufzustellen, mit Infos zu his­torischen Gegebenheiten und zu Wander- und Radwegen, versehen mit QR-Codes. Dazu sollten noch Flyer mit Landkarten und Hinweise zu Museen gedruckt werden.
„Ich kämpfe nun schon seit gut fünf Jahren für das Projekt Landhege“, sagt er, „da ist ein Wille da.“ Gleichwohl weiß er, dass höhere Ziele oft an der Finanzierung scheitern – aber nicht bei einem wie ihm. „Wenn’s mit ,Leader‘ nicht klappt, dann suche ich mir halt Sponsoren“, sagt er entschlossen. „Schließlich müssen wir den Touristen hier was bieten.“
Und dass Friedrich Schinko Biss hat, das ist in Blaufelden bekannt. Seinem Heimatort mit gut 5000 Einwohnern hat er durch Hartnäckigkeit und Weitsicht zu einigen besonderen Sehenswürdigkeiten verholfen.
Einst gab es einen besonders heißen Sommer, und in Blaufelden wurde das Wasser knapp. Also entschloss man sich zum Bau einer Wasserpumpstation. 1912 wurde das Pumpwerk in der Nähe einer Quelle in Betrieb genommen. Schon lange ist die Station nicht mehr in Betrieb, die Doppelkolben-Wasserpumpe aus dem Jahr 1912 und ein Deutz-Gasmotor Baujahr 1903 (damals als Notstromaggregat) inklusive der Transmission führten ein tristes Dasein in dem Gebäude, das auch stetig verfiel. Gemeinsam mit der Gemeinde Blaufelden machten sich Friedrich Schinko, Erwin Ströbel und Gerhard Kraft an die Restaurierung.
Erwin Ströbel hat die Pumpe mit einer Leistung von sechs Litern pro Sekunde wieder zum Laufen gebracht, Friedrich Schinko hat den alten Deutz-Motor wieder auf Vordermann gebracht. Das Gebäude ist nun ein Schmuckstück, und Interessierte können bei einer Vorführung erleben, wie das Wasser von der Quelle in den 4500 Liter fassenden Vorratsbehälter unter der Pumpstation gepumpt wird. Mindestens 800 Arbeitsstunden haben die drei Männer in das Projekt gesteckt.
Ähnlich verlief die Restaurierung des alten Eichamtes. Im Jahr 1893 wurde das Eichamt in Blaufelden gegründet. Geeicht wurden hier Holzfässer, später Aluminiumfässer und ebenso Milchkannen, Messbecher und die Waagen der Metzger und Krämer. Bis etwa 1960 war das Eichamt in Betrieb.

Die Wasserpumpstation in Blaufelden wurde 1912 gebaut. Der alte Deutz-Motor aus dem Jahr 1903 ist heute wieder in Betrieb und treibt bei Vorführungen die alte Doppelkolben-Wasserpumpe an.Fotos: am

Die Wasserpumpstation in Blaufelden wurde 1912 gebaut. Der alte Deutz-Motor aus dem Jahr 1903 ist heute wieder in Betrieb und treibt bei Vorführungen die alte Doppelkolben-Wasserpumpe an. Fotos: am

Das Gebäude stand danach leer, wurde als Lager für Feuerwehrgeräte benutzt. Die Gemeinde wollte es abgeben, da ist Friedrich Schinko hellhörig geworden. Wieder hat er mit seinen Kollegen und Helfern das Gebäude ausgeräumt und saniert. Über einen Tipp vom Eichamt in Heilbronn konnte er vom Eichamt aus Wertheim zwei alte Fasskubizierapparate holen. Heute hängen sie an der Wand im Blaufeldener Eichamt und Friedrich Schinko führt damit die Kunst der Fasseichens vor. Das älteste Fass, das noch in Blaufelden vorhanden war, stammt aus dem Jahr 1898 und trägt die Eichamt Nummer 166 für Blaufelden.
Damit nicht genug: Heimatverbunden weist Friedrich Schinko auf die alte, noch komplett eingerichtete Dorfschmiede Ströbel aus dem Jahr 1832, die Ulrichskirche und das Eisenbahnmodellmuseum in Blaufelden hin. Ein „Historischer Rundweg“ vereint diese und noch weitere Sehenswürdigkeiten.
Das Land braucht Männer wie Friedrich Schinko. Baden-Württemberg ebenso wie Bayern. Und ganz besonders die Region rund um Rothenburg. Er ist ein Kämpfer gegen das Vergessen und für die Zukunft des Erbes von Hohenlohe-Franken. am