Ein Aushängeschild – Der prächtigste Privatbau: Das Baumeisterhaus Mrz08


Ein Aushängeschild – Der prächtigste Privatbau: Das Baumeisterhaus

Darüber hat man gesprochen: „In Rothenburg, da baut sich einer ein Haus mit 14 steinernen Figuren an der Fassade und Delfinen, die sich den Giebel hochwinden. Das musst du gesehen haben.“ So oder so ähnlich werden sich die Menschen zum Ende des 16. Jahrhunderts die Neuigkeit vom Baumeisterhaus in Rothenburg zugeflüstert haben.
Es war die Zeit der Renaissance, Rothenburg war ein wichtiger Handelspunkt, das Bürgertum erstarkte – und Senator Michael Wirsching haute mit dem Neubau seines Hauses mal richtig auf den Putz. Das Baumeisterhaus ist das auffälligste private Patrizierhaus der Stadt und wer sich ein Stein-
haus dieser Kategorie leisten konnte, der musste wahrlich „steinreich“ gewesen sein.
In dem Buch „Fachwerk in Franken vor 1600. Eine Bestandsaufnahme“, von Konrad Bedal, wird das Baumeisterhaus als bedeutender Renaissancebau im Jahr 1596 datiert. Eugen Mayer schreibt in „Das deutsche Bürgerhaus zwischen Ostalb und obere Tauber“ dass an dieser Stelle zuvor eine Hofstätte mit den Ausmaßen 30 x 60 Fuß existiert hat und diese vollständig überbaut wurde.

Ursprung des Namens
Der Eigentümer und Bauherr des Baumeisterhauses, Michael Wirsching, hatte von 1593 bis 1606 das Amt des Inneren Baumeisters inne. Dass das Haus heute als Baumeisterhaus betitelt wird, geht jedoch nicht auf sein Amt zurück, denn der Innere Baumeister war kein Architekt, „sondern ein Beamter, der über den Zehnten gewacht hat. Echte Baumeister hießen ‚Stättmeister’ oder ‚Stadtbaumeister’“ (so in Eugen Mayer, S.152).
Die Bezeichnung Baumeisterhaus geht auf den Baumeister Leonhard Weidmann zurück, dem Rothenburg mehrere seiner schönsten Renaissancebauten zu verdanken hat.

Blick von den Arkaden in den überdachten Innenhof im Baumeisterhaus. Foto: am

Blick von den Arkaden in den überdachten Innenhof im Baumeisterhaus. Foto: am

Ein prägender Baumeister
Leonhard Weidmann kehrte nach langer Wanderschaft Mitte des 16. Jahrhunderts nach Rothenburg zurück. Man munkelt, dass er auch an den Plänen des Wiederaufbaus des Rathauses nach dem großen Brand von 1501 beteiligt war, jedoch zu jung war, um den Bau zu leiten (siehe Artikel „Aus dem Leben und Wirken eines Baumeisters der Renaissance“ von L. Häffner, in „Das Bauernland, illustrierte Halbmonatsschrift für Bayerns Land und Volk“, 2. April 1921).
Er wurde 1568 zum Rothenburger Bürger ernannt und 1575 zum Meister gesprochen. Weidmann hat den Spitalbau geleitet, Schmuckteile am Rathaus gefertigt, war 1589 verantwortlich für den Neubau des Gymnasiums, 1591 für das Bereiterhaus im Spital und 1596 für die Erweiterung des Burgtores.
Weidmann war also eine bedeutende Persönlichkeit in Rothenburg, und Senator Michael Wirsching hat ihn wahrscheinlich ganz bewusst als Baumeister für sein Haus ausgewählt. Direkt an das Baumeisterhaus schließt nämlich das Haus von Heinrich Toppler an, dem berühmten Bürgermeister Rothenburgs. Vielleicht wollte Wirsching sein Haus ganz bewusst davon abheben, vielleicht sogar jenes in seiner Bedeutung übertreffen?
Das Baumeisterhaus entspricht dabei der Grundform des Patrizierhauses, auch „Hallenhaus“ genannt. Die ideale Wohnform bestand aus einer großer Halle, Arkadenhof und den Wirtschaftsgebäuden.
Die Halle im Erdgeschoss nahm dabei den ganzen Raum ein und wurde nur von zwei Säulen gestützt (siehe Eugen Mayer, S.153). Eine steinerne Wendeltreppe am Ende verbindet die Geschosse. Rückwärtig schließt sich ein dreigeschossiger Fachwerkinnenhof mit Laubengängen an. Damit wurde Licht in das Gebäude gelassen und der Hof vermittelte italienisches Flair.
Die heutige Besonderheit des Baumeisterhauses ist, dass das Haus seit den 1950er Jahren gastronomisch genutzt wird und somit öffentlich zugänglich ist. Das Erdgeschoss, einst die untergeordnete Etage, ist der Gastraum, an den sich der seit 1990 überdachte Innenhof (ebenfalls Gastraum) mit den Arkaden anschließt. Wandbemalungen von Ernst Unbehauen zeigen die Geschichte des Baumeisterhauses und von den Laubengängen hängen Efeuranken herab.

Feiern im Wohnzimmer
Die Beletage war aber dereinst das erste Obergeschoss. Dort befand sich die Wohnhalle von Senator Wirsching, mit Blick zur oberen Schmiedgasse, an die sich Küche und Nebenräume anschlossen.
Erst später, im Rahmen der gastro-
nomischen Nutzung, wurde eine weitere Treppe ins Obergeschoss eingebaut und die Räume neu genutzt. So mancher Rothenburger mag sich noch an Faschingsfeste und Feierlichkeiten in der Beletage des Baumeisterhauses erinnern. Heute ist das erste Obergeschoss wegen Brandschutzverordnungen nicht mehr öffentlich zugänglich. Im zweiten Stock des Hauses wurde noch in den 1950er Jahren die Wohnung neu renoviert und war damals von der Familie Gerlinger bewohnt, die über 30 Jahre das Café im Erdgeschoss betrieb und in deren Besitz das Baumeisterhaus war bzw. heute an die Erben übergegangen ist. Die Wohnung wird mittlerweile nicht mehr bewohnt.

Dieses Foto des Baumeisterhauses ist vor 1900 entstanden.          Foto: Lasius

Dieses Foto des Baumeisterhauses ist vor 1900 entstanden. Foto: Lasius

Originale sind im Museum
Die Aufsehen erregende Hinterlassenschaft des Baumeisterhauses ist aber seit mehr als 400 Jahren der Figurenschmuck. Wer genau die Steinfiguren gefertigt hat, ist nicht belegt, aber sie haben eine „stilistische Ähnlichkeit mit den Arbeiten Leonhard Wiedmanns“, so Dr. Hellmuth Möhring, Leiter des Reichsstadtmuseums in Rothenburg.
Die Figuren, die wir heute an der Fassade sehen, sind kunstfertige Kopien, angefertigt vom Rothenburger Bildhauer und Künstler Johannes Oertel (1893-1976). Bereits vor dem Krieg hat er weitsichtig Kopien von den Steinfiguren angefertigt und so konnten noch im Jahr 1936 die Originale abgenommen und ersetzt werden. Die historischen Figuren sind seit Mitte der 1980er Jahre in synonymer Hängung zur Hausfassade im Reichsstadtmuseum zu sehen.
Die 14 Steinfiguren am Baumeisterhaus stellen im Wechsel sieben Tugenden und sieben Laster da. Angeblich soll Leonhard Weidmann als Modelle zu seinen Figuren Ratsherren und ihre Damen gewählt haben (in Eugen Mayer, S. 153).
„Die Personifikation im 16. Jahrhundert war dabei nicht so eindeutig wie in der Gothik“, erklärt Dr. Hellmuth Möhring. Die Figur der Dame mit Spiegel (obere Reihe, Dritte von rechts) wird der Eitelkeit zugeordnet. Ein Spiegel kann aber auch als Erkennung des wahren Wesens symbolisch für die Klugheit stehen.
Ebenso stehen Schlangen einerseits für die Verführung durch den Teufel, die Falschheit, und sind andererseits ein Symbol für Genesung. Eine eindeutige Interpretation ist daher mit Vorsicht zu sehen.
Die Steinfiguren haben keinerlei bauliche Funktionen und sind reines Dekor – ebenso wie die Delfine am Giebel. Die Giebelsilhouette wird von langschwänzigen Delfinen eingerahmt.
Mit der gewählten Symbolik wollte der Bauherr sein Ansehen vergrößern. Die Delfine geben dem Baumeisterhaus einen exotischen Anstrich und stehen für Weltgewandtheit und besondere Bildung seines Besitzers.

Streit um Fenster
Das Baumeisterhaus hat mit seiner Lage an der Öffnung der oberen Schmiedgasse zum Marktplatz eine exponierte Stellung und lag seit jeher im Fokus der Denkmalschützer. Daher hat sich eine der vielleicht größten Streitigkeiten um die Veränderung der Fassade des Baumeisterhaus in den 1950er Jahren gerankt.
Vom Verein Alt Rothenburg wurde die über ein Jahr andauernde Auseinandersetzung im Jahr 1951 in der mehrseitigen Dokumentation mit Titel „Das Baumeisterhaus – sein Umbau im Jahr 1951 auf Grund der Akten. Dargestellt von Willi Förster“ veröffentlicht.
Eines der „umstrittendsten Neubauprobleme der Neuzeit war die Fassadenänderung des Baumeisterhauses“. Richard Gerlinger, Konditormeister aus der Galgengasse und Eigentümer des Hauses, wollte die Erdgeschossfenster im Rahmen der Eröffnung als Café um 70 cm nach unten vergrößern. Der Verein Alt Rothenburg, der Stadtrat, die Bevölkerung, der Rothenburger Künstlerbund, der Verkehrsverein, das Stadtbauamt und Prof. Schmuderer vom Landesamt für Denkmalpflege äußerten sich kritisch dazu. Die Diskussion ging soweit, dass mit Attrappen die neue Schaufenstersituation simuliert wurde.
Eine Einigung zwischen Denkmalpflege und neuer Nutzung konnte nicht gefunden werden und erst als sich der Oberbaurat der Regierung von Mittelfranken einschaltete und einen Plan mit zwei Rundbogenfenstern vorlegte, beschloss der Stadtrat die Zustimmung.
Dennoch blieben Proteste und Bedenken: das Landesamt für Denkmalschutz und der Präsident der Bayerischen Heimattage sahen „den Charakter des schönen Baues dadurch vollkommen verloren gegangen“ (in „Das Baumeisterhaus“, S.7).

Die Originalfiguren hängen im Reichsstadtmuseum in Rothenburg.   Foto: am

Die Originalfiguren hängen im Reichsstadtmuseum in Rothenburg. Foto: am


Heute haben wir uns längst an die großen Schaufenster gewöhnt und sehen das als normale Gestaltung an. Ürsprünglich aber hatte das Haus zur Straße einen Toreingang und vier kleine Fenster.
Die Denkmalpflege ist eine relativ neue Disziplin. Im Mittelalter hat man Gebäude viel schneller abgerissen und neu aufgebaut, wenn sie nicht mehr von Nutzen waren. Die Stadt hat sich laufend verändert. Heute bewahrt man das Erbe der Vergangenheit. am