Die Legende von Creglingen – Frieda Schäfer hat mit 99 Jahren ihren Haushaltswarenladen geschlossen Mai01


Die Legende von Creglingen – Frieda Schäfer hat mit 99 Jahren ihren Haushaltswarenladen geschlossen

Wohl jeder kennt in Creglingen Frieda Schäfer. Sie ist eine Art In­-
stitution – nicht nur weil sie bis ins hohe Alter von 99 Jahren ihren Haushaltswarenladen betrieben hat, sondern auch weil sie ein Mensch mit einem großen Herzen ist.
Unzählige Creglinger, Rothenburger, Touristen und Hausfrauen aus Hohenlohe sind die Stufen zu ihrem Laden hochgestiegen. Töpfe, Pfannen, Teesiebe, Edelstahlreiben, Bestecksortimente, Einmachgläser standen gut sortiert im Regal. Hier gab es was die gute Hausfrau benötigte. Und zwar immer in feinster Qualität. Über 70 Jahre hat Frieda Schäfer mit ihrem Angebot für Wohlwollen in Küche und am Esstisch gesorgt.
Qualität als oberstes Gebot
Mit ihrem Mann Fritz Schäfer, der gelernter Messerschmiedmeister mit eigener Werkstatt und zwei Gesellen war, eröffnete sie 1945 in der Hauptstraße den neuen Haushaltswarenladen. Im ersten Stock war und ist die Privatwohnung, im Zimmer hinter dem Laden die Küche. Daran hat sich in gut 70 Jahren nichts geändert.
„Mein Mann hat immer gesagt, du musst in deinem Laden auf Qualität achten“, erinnert sie sich. Der Firma WMF hat sie stets die Treue gehalten – und die Kunden wussten Angebot und Beratung zu schätzen. In der letzten Zeit ging der Umsatz zurück. „Die Leute bestellen die großen Sachen im Internet“, sagt Frieda Schäfer, „aber die Reparaturen sollen wir machen.“ Das Internet mache eines nach dem anderen die Geschäfte kaputt, fügt sie an. Im März, im Monat ihres 99. Geburtstages, hat sie den Laden geschlossen.

Die kleine Frieda auf dem Schoß ihrer Mutter und mit ihren Geschwistern im Jahr 1919.

Die kleine Frieda auf dem Schoß ihrer Mutter und mit ihren Geschwistern im Jahr 1919.

Lebensnahe Interessen
Wie stellt man sich eine Dame mit knapp 100 Jahren vor? Frieda Schäfer entspricht keinem Klischee. Sie ist mehr als geistig rege, hat sich bis zuletzt um die Bestellungen der Waren gekümmert, hat jeden Tag den Laden geöffnet. Bis ins Alter von 92 Jahren ist sie noch selbst Auto gefahren. Jeden Morgen liest sie die Zeitung. „Ich interessiere mich eben für alles“, erzählt sie.

Gutes Herz
Ihr Küchentisch im Hinterzimmer, an dem sie meist Socken strickt (72 Paar waren es im vergangenen Jahr), wenn kein Kunde ihrer Aufmerksamkeit bedurfte, ist über die Jahre zu einem Treffpunkt der ganz besonderen Art geworden.
So mancher Besucher steuerte durch den Laden hindurch gleich das gemütliche Zimmer mit Eckbank an. Frieda Schäfer ist für viele die gute Seele, der man das Herz ausschütten und nach Rat fragen kann. Auch wenn 99 Jahre an Lebenserfahrung da behilflich sein mögen, strahlt sie doch eine ganz ursprüngliche positive Grundeinstellung aus, die man entweder hat oder nicht.
„Mir ist im Leben sehr viel Gutes passiert“, weiß sie. Ihren Mann kannte sie schon in Kinderjahren, sie waren gemeinsam in der Schule und haben 1943 geheiratet. Frieda Schäfer hat drei Töchter, vier Enkel, drei Urenkel. „Meine Töchter sind schon alle in Rente, nur die Mutter arbeitet noch“, sagt sie humorvoll einige Wochen vor der Ladenschließung.
Aus einer Austauschschülerin, die einst ein Jahr bei der Familie Schäfer verbracht hat und heute Frauenärztin in Amerika ist, ist so etwas wie eine vierte Tochter geworden. Seit 43 Jahren gehen gestrickte Socken als Weihnachtsgeschenke auf die Reise von Creglingen über den Ozean nach Amerika.
Aber auch die Schattenseiten des Lebens musste Frieda Schäfer erleben. Im Alter von 60 Jahren ist ihr Mann Fritz ganz plötzlich gestorben. „Er war die eine Liebe in meinem Leben“, so Frieda Schäfer. Ein tiefer Einschnitt, der auch nach 39 Jahren noch schmerzt.
Die Entscheidung, ihr Haushaltswarengeschäft zu schließen, war auch mit gesundheitlichen Einschränkungen verbunden. Bei einem Unfall vor vier Jahren hat sie sich einige Halswirbel gebrochen. Spuren sind geblieben. „Der Körper will nicht mehr richtig mitmachen“, sagt sie. Ihre Eigenständigkeit zu bewahren, ist ihr wichtig. Die Töchter leben nicht in Creglingen, kümmern sich zwar intensiv, aber seit zwei Jahren ist zusätzlich eine Pflegerin rund um die Uhr engagiert. „Donja ist ein großes Glück für mich. Wir ergänzen uns sehr“, sagt sie.

Der Haushaltswarenladen mitten im Ort.

Der Haushaltswarenladen mitten im Ort.

Jeden Tag ein Apfel
Auf die Frage, was man machen muss um im hohen Alter so agil zu sein, antwortet sie mit dem ihr eigenen Humor: „Viel arbeiten und viele Äpfel essen.“ Als junges Mädchen habe sie bis zu zehn Äpfel am Tag gegessen.
Frieda Schäfer ist in Schirmbach auf dem Bauernhof aufgewachsen. Ihr Vater war noch Preisrichter beim 1920 initiierten Pferdemarkt in Creglingen. Sie erinnert sich an die Kriegszeiten, in denen sie mit Flüchtlingen aus Polen, Russland und der Ukraine den elterlichen Hof betrieb.
Am liebsten wäre sie selbst Bäuerin geworden. „Das war genau mein’s. Der Umgang mit den Kühen, den Pferden, oder auf dem Acker – einfach alles hat mir gefallen“, schwärmt sie. Aber wie es damals war, ging der Hof an den Bruder und sie wurde glücklich mit ihrem Mann und dem Haushaltswarenladen.
Mit 99 Jahren hat sich Frieda Schäfer nun in den Ruhestand verabschiedet. Ihr Küchentisch wird aber hoffentlich weiter ein Ort für nette Gespräche und die Herzenswärme einer Frau sein, die schon zu Lebzeiten zu einer Art Legende in Creglingen geworden ist.am