Der Schaffer – Der Künstler Martin Schwarz hat sein Atelier im Bartensteiner Schloss Sep01


Der Schaffer – Der Künstler Martin Schwarz hat sein Atelier im Bartensteiner Schloss

Das Buch glotzt. Mindestens 20 Augen wachsen aus den aufgeschlagenen Seiten empor und starren den Betrachter an. „Das ist gerade fertig geworden“, erklärt Martin Schwarz und kratzt noch einen letzten Rest Farbe von den Glasaugen seines Buchobjektes.
Der aus Winterthur in der Schweiz stammende Künstler lebt und arbeitet seit über 20 Jahren in einem Flügel des Schlosses in Bartenstein und ist unglaublich produktiv und einfallsreich. Was dieser Mann schon alles geschaffen hat: Unzählige Buchobjekte. Postkarten-Collagen, auf denen der Kölner Dom plötzlich aus dem Grand Canyon ragt. Alte Schwarz-Weiß Fotografien, in die er sich selbst montiert hat. Verfremdete Kopien berühmter Gemälde von van Gogh. Illustrationen zu Zitaten von Friedrich Nietzsche. In Einmachgläser eingelegte Kuscheltiere. Die Liste ist endlos.
Auf der Suche nach einem Atelier in Stuttgart („Ich dachte, ich könnte dann mit dem Zug hin und her fahren“) stieß er damals auf eine Zeitungsanzeige zur Anmietung von Schlossräumen. Er fuhr nach Bartenstein, das dann doch recht weit weg von Stuttgart lag, und wurde von Fürst und Fürstin empfangen. „Bei der Begrüßung sagte der Fürst, ‚Ich habe mir schon immer einen Hofmaler gewünscht‘“, erinnert sich Martin Schwarz lachend. Einen Monat sollte er probewohnen, um zu testen, ob er es hier überhaupt aushalten könne. Er konnte: „Ich lebe in meiner Innenwelt, mit meinen Büchern, meiner Fantasie, meinen Bildern, da macht mir die Einsamkeit eigentlich nichts aus“, erzählt er.

Künstler aus Überzeugung
Er mietete die hohen Räume, die im Winter schlecht beheizt werden können und in denen es ganz schön kalt werden kann. „Mir gefällt das, man spürt die Natur, es ist nicht so scheingeborgen warm“, meint er. Viele Räume sind nicht renoviert, doch umso besser lassen sie sich als Werkstatt und Atelier nutzen. So also malt, gestaltet, schreibt und denkt er hier, der Schweizer, wie ihn die Einheimischen nennen.
Auch seine damalige Lebensgefährtin Theres, mit der er heute verheiratet ist und zwei inzwischen erwachsene Kinder hat, gefiel der besondere Ort sofort. So pendelte die Familie zwischen Bartenstein und Winterthur: zwei Wochen hier, zwei Wochen da, und als die Kinder in Winterthur in die Schule kamen, pendelte nur noch Martin Schwarz. Die Familie kam in den Ferien, und so handhaben sie es heute noch.
Nur ein halbes Jahr arbeitete Martin Schwarz in seinem gelernten Beruf als Grafiker-Lithograf, seitdem verdient er sich seinen Lebensunterhalt mit der Kunst. „Ich war schon immer ein Künstler“, sagt Martin Schwarz, doch gefördert habe das seine Familie nicht. „Jahrzehntelang wurde da immer dagegen gesprochen. ‚Mach doch mal einen richtigen Beruf‘, hieß es. Das einzig Positive an diesem schweren Weg war, dass es meinen Willen und meine Überzeugung gestärkt hat, dass Kunst das ist, was mich am meisten interessiert und wo meine Begabung liegt.“ Anerkennung für seine Zeichnungen bekam er in der Schule, von Mitschülern und Lehrern, später bestätigten ihn Stipendien und Preise auf seinem Weg. „Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass man sich nicht zum Künstler ausbilden lassen kann. Ich glaube, man ist Künstler als Person, wie man denkt, oder dass man anders ist als die anderen. Man kann die Technik lernen, aber den Willen, die Kreativität, dass man offen ist für Einfälle, Gedanken, Ideen, das ist schon fast ein Gottesgeschenk“, fasst er seine Ansichten zusammen.

Buch mit Stielaugen: ein aktuelles Buchobjekt von Martin Schwarz.

Buch mit Stielaugen: ein aktuelles Buchobjekt von Martin Schwarz.


Gedankenkarussell
Martin Schwarz gehen die Ideen nicht aus
Und Ideen hat Martin Schwarz viele, manchmal sogar zu viele. Sie kommen beim Arbeiten an der Umsetzung einer Idee, und dabei entstehen schon wieder viele neue. „Das Problem ist, dass ich in jede Arbeit immer sehr viel Zeit investieren muss, weil ich so einen Perfektionswillen habe“, erklärt er. „Ich kann niemals alles realisieren, was ich möchte.“
Aus diesem Grund hat er vor vielen Jahren auch einen Verlag gegründet. Über diesen veröffentlicht er reich bebilderte Bücher, in denen er seine Ideen und Gedanken zusammenfasst und aufschreibt.

Futter für die Gedanken
Blockaden kennt er nicht, aber manchmal fühlt er sich müde oder hat auch keine Lust, etwas zu schaffen. „Dann lese ich lieber ein Buch“, erzählt er. Meist Philosophisches, religiöse Schriften oder anspruchsvolle Romane, alles, was seinen Gedankenapparat am Laufen hält. „Aber das gibt natürlich schon wieder neue Ideen“, fällt ihm dabei ein.
Die intensive Gedankenarbeit, die Martin Schwarz leistet, merkt man ihm an. Aufmerksam und ernsthaft hört er seinem Gegenüber zu. Man sieht, wie es in seinem Kopf arbeitet. Er wirkt konzentriert, wenn er das Gehörte verarbeitet, mit seinem Wissen, seinen Erfahrungen verwebt und auch daraus wieder einen neuen Gedanken hervorbringt.
Manchmal auch solche mit einer zu seinem Namen passenden „schwarzen“ Sicht auf die Dinge, auf die Welt. Und diese spiegelt sich auch in seiner Kunst wider. Die eingelegten Kuscheltiere zum Beispiel, die einen unwillkürlich zum Lachen bringen.
Doch es ist nicht der Humor, den er sucht. „Ich scheue mich vor diesem Begriff“, sagt er. „In der Gesellschaft wird so viel das Lustige gesucht, aber ich finde, Spaß ist nicht Schönheit, wie zum Beispiel ein schöner Gedanke, den man in der Literatur oder Philosophie findet. Spaß und Schönheit stehen sich entgegen und ich suche dann doch eher die Schönheit.“ So sei es das Groteske oder Absurde, das er suche, das Abgründige an der Welt, die man nicht verstehen könne, die einem fremd bleibe und der er sich über diesem Weg annähere.

Eine neue Ausstellung
Momentan arbeitet Martin Schwarz an neuen Bildern für eine Ausstellung, die am 11. September im Schrozberger Schloss eröffnet wird. „Bilder und Objekte zu ungeschriebenen Geschichten“ lautet ihr Titel, und sie wird sich von seinem „Kunstzoo“ unterscheiden, einer Dauerausstellung im Schrozberger Rathaus, bei der über 100 Objekte und Bilder von ihm selbst und von befreundeten Künstlern zu sehen sind. Für die neue Ausstellung sucht er sich Bilder von berühmten Künstlern und kopiert und verändert sie dabei.
So hat ein Michelangelo-Gemälde auf einmal einen kubistischen
Hintergrund. Oder einer jungen Frau mit Strohhut, einem Bild von Rubens, fehlt plötzlich das Gesicht. Das zweite Leben der Bilder lautet das Konzept dieser Reihe. „Es soll zeigen, dass Bilder sich verwandeln können, man ihnen etwas anfügen oder etwas Feststehendes fortsetzen kann“, erklärt er. Die Ursprungsmotive findet er beim Blättern in Bildbänden. „Da ist so eine Fülle, da sind so viele Möglichkeiten“, schwärmt er. „Es ist lustvoll, sich in der Phantasie etwas ausdenken zu können.“sib

Info
Mehr über Martin Schwarz findet man auf seiner Homepage www.martinschwarz.ch
Seine Ausstellung im Schroz-
berger Schloss wird am 11. September um 11 Uhr mit einer Vernissage eröffnet. Die Dauerausstellung „Kunstzoo“ ist zu den Öffnungszeiten des Schrozberger Rathauses zu besichtigen.