Der Geschichte auf den Grund gehen Mai05


Der Geschichte auf den Grund gehen

Das Gollachgaumuseum – von der Vergangenheit Uffenheims bis zu archäologischen Funden

Wenn man den Eingang des heutigen Gollachgaumuseums in Uffenheim betritt, ist mit so mancher Überraschung zu rechnen.

Der im Jahr 1913 gegründete Heimat- und Museumsverein Uffenheim e. V. öffnete bereits 1914 die Pforten seines Museums auf dem Schlossplatz. Im sogenannten „Schnellerturm“ dem südwestlichen Eckpfeiler der Stadtbefestigung aus dem 14. Jahrhundert hat alles begonnen. „Unsere Kinder wissen in der schnelllebigen Zeit nichts mehr von der Lebensweise ihrer Urgroßeltern und den geschichtlichen Hintergründen der eigenen Heimat“, wissen die Gebrüder Ernst Gebert (1. Vorsitzender des Vereins) und Walter Gebert, der das Amt über elf Jahre innehatte.

Die Gebrüder Walter (li.) und Ernst Gebert verbindet die Heimatgeschichte.

Die Gebrüder Walter (li.) und Ernst Gebert verbindet die Heimatgeschichte.

Volkskundliche Zeugnisse der Handwerkszünfte, bürgerliche und bäuerliche Wohnkultur, eine Sammlung aus der Barock- und Biedermeierzeit und ein Modell der Festung „Hoher Landsberg“ (1554) lassen die Vergangenheit wieder aufleben.

Im Studierzimmer unter dem Dach des Schnellerturmes finden sich wertvolle Bibelsammlungen und Zeugnisse aus der jüdischen Kultur. Kaum jemand ahnt, dass in dieser kleinen Bibliothek Werke des schwedischen Arztes und Naturwissenschaftlers Carl von Linnés, aus dem Jahr 1779 zu finden sind. Er widmete sich vor allem der Botanik und gilt als Begründer der binären Nomenklatur, nach der heute noch die Pflanzen, Tiere und Mineralien in lateinischer Sprache benannt werden. Eine weitere Besonderheit ist ein Klavier im Biedermeierwohnzimmer von der Firma Haug aus Ludwigsburg, welches weltweit nur zwei mal existiert; um nur einige Raritäten zu nennen.

Erste Grabungen
Der alte Schnellerturm wurde als Ausstellungsraum für das Museum schnell zu klein. Die ehemalige Oberamtskanzlei, gleich nebenan, wurde 1990 zur Museumserweiterung von der Stadt mietfrei zur Verfügung gestellt. Die Schranne auf dem Schlossplatz dient als Ausstellungsraum für landwirtschaftliche Museumsstücke. Mehr Raum ermöglichte neue Themenbereiche wie z.B. den der Archäologie.

1103 wird Uffenheim erstmalig urkundlich erwähnt, wobei der Ort im fruchtbaren Gollachgau schon viel länger besiedelt war, wie viele Funde aus der Stein- und Bronzezeit zeigen. Diese archäologischen Schätze beflügeln Walter Gebert bis heute. Als ehemaliger Uffenheimer Architekt nutzte er Abrisse alter Gebäude, um nach Zeugnissen aus vergangenen Zeiten zu suchen. „Noch nie kam jemand auf die Idee, einmal nach historischen Hinweisen „unter der Stadt“ zu graben,“ freut sich Gebert über bisherige Funde.

Der Hobbyarchäologe fand schnell Gleichgesinnte. Mit den beiden Rothenburgern Horst Brehm und Günter Oberndörfer und der fachkundigen Unterstützung des Bauingenieurs Dr. Peter Vychitil aus Ansbach, startete Walter Gebert 1995 die erste Grabung. Dabei stellten die vier fest, das der Uffenheimer Hainbach einst quer durch die Stadt verlief. Als 2006 das Uffenheimer Schloss renoviert wurde, nahmen die „Schatzsucher“ die Gelegenheit wahr und legten den Boden der abgebrochenen Schlosskapelle frei. Gebert fand die spätgotischen Figuren aus weißem Ton, die heute in der archäologischen Abteilung im Obergeschoss der Oberamtskanzlei zu finden sind.

Absonderliche Exponate
Mittlerweile ist das Gollachgaumuseum ein Repräsentationsort für prähistorische Funde.Beim Bau der Ergersheimer Ortsumgehung fand man ein 300 Jahre altes Frauenskelett mit einer sogenannten „römischen Fibel“ (auch Gewandspange) an der rechten Schulter. Ein Relikt, das die vier „Archäologen“ des Gollachgaus erstmalig durch Blockbergung komplett erhalten konnten. „Natürlich haben wir die Restauration auch selbst in die Hand genommen“, erzählt Walter Gebert stolz. Aber damit ist die Liste an besonderen Exponaten nicht am Ende.

Der Uffenheimer Chemiker und Professor Dr. Carl Arnold (1853–1929) vermachte dem Gollachgaumuseum Chemielehrbücher (die heute noch als Lehrbücher Anwendung finden) und „Ingredienzien“ also Pülverchen, Pillen und andere medizinische Mittelchen. Eines der Gläschen ist mit dem Begriff „Menschenfett“ etikettiert worden. Wie sich nach genauer Forschung herausstellte, handelte es sich um ausgesondertes Menschenfett von der letzten Uffenheimer Hinrichtung aus dem Jahr 1716. Das Menschenfett des Tagediebes, einst auch der „Dicke Leonard“ genannt, diente damals der Wundheilung.

Gollachgaumuseum - Vergangenheit Uffenheim

Beim Bau der Ortsumgehung von Ergersheim wurde eine Frauenleiche mit einer Gewandspange aus der spätrömischen Zeit (4. Jhdt.) gefunden. Fotos: ul

Unter der Rubrik „Wussten sie schon“, sollte man noch den Fund dreier unscheinbarer Tongefäße mit Deckeln erwähnen, die bei einem Hausabriss in der Uffenheimer Dekanatsgasse gefunden wurden. Es handelt sich hierbei um Nachgeburtsgefäße, die im Boden des Hauses versenkt worden waren. Eine evangelische Tradition, die hauptsächlich im südwestdeutschen Raum praktiziert wurde.

Ein weiterer einzigartiger Fund ist eine 5 000 Jahre alte, eulengesichtige Menhir-Satue oder auch Stele genannt. Die aus Sandstein gearbeitete plastische Figur wurde 2015 bei Kanalbauarbeiten in Gallmersgarten gefunden. Menhir ist eine ursprünglich bretonische Bezeichnung für einen aufgerichteten mehrere Meter großen Monolithen und bedeutet „langer Stein“. „Wir konnten bei der Gemeinde Gallmersgarten für unser Museum einen Dauerleihvertrag bewirken und dafür sorgen, dass der Fund der Region erhalten bleibt“, freuen sich die Gebrüder Gebert über eine weitere künftige Besonderheit des Museums, das eine Zusammenarbeit mit der „Landesstelle für nicht staatliche Museen“ in München pflegt.

Ehrenamtlich für die Heimat
Der Verein mit seinen zehn ehrenamtlichen Mitarbeitern und einem finanziellen Aufwand von jährlich 10 000 Euro lässt durch seine Exponate tief in die Vergangenheit von Uffenheim und Umgebung blicken. Die Stadt Uffenheim unterstützt den Verein mit mietfreien Räumlichkeiten und der Übernahme von Betriebskosten.

„Wir müssen uns in unserem Alter ganz schön beeilen, wollen wir unseren Nachkommen noch all das präsentieren, was in unserer Heimat noch alles zu erkunden ist“, sehen die Mitglieder gespannt in die Zukunft.

Unter www.gollachgau.de finden Interessierte viele Veranstaltungen auch für Familien und Gruppen und Aktuelles zur Coronasituation
ul