Der Duft der „dollen“ Knollen Jan07


Der Duft der „dollen“ Knollen

Auf den Feldern von Familie Nagel gedeiht Hohenloher Knoblauch

Graf Dracula würde um Wolkersfelden einen großen Bogen machen: In dem 32-Einwohner-Dorf baut die Familie Nagel Knoblauch an. Dass dieser als probates Mittel gegen Vampire gilt, ist selbstverständlich nicht der Grund. „Wir hatten nach einer Nische gesucht“, erzählt Matthias Nagel (30). Sein Vater Walter (56) ergänzt: „Nur so hat ein Betrieb unserer Größe eine Chance.“ Die Entscheidung für das Produkt fiel aufgrund persönlicher Vorlieben: Insbesondere der Senior aß schon immer gerne Knoblauch.
Supermärkte bieten überwiegend Knollen aus China an. Das Land der Mitte baut rund 22 Millionen Tonnen pro Jahr an und ist damit der weltweit größte Knoblauchproduzent.
Der Standort Wolkersfelden, zwischen Rothenburg und Niederstetten, punktet mit Regionalität. „Unsere Kunden schätzen Frische und kurze Wege“, weiß Walter Nagel (56). Der Duft des Gemüses weckt Erinnerungen an aromatische Pfannengerichte im Spanienurlaub oder das letzte Grillfest mit geröstetem Knoblauchbaguette.
Ziel der Nagels ist es, möglichst große Knollen zu produzieren, um sich abzuheben von der Importware. Die stattlichsten Exemplare bringen satte 250 Gramm auf die Waage, die Durchschnittsknolle immerhin 150 Gramm.
Im Herbst wird gesteckt. Läuft alles gut, spitzen im Februar die Pflänzchen durch den Schnee. Im Mai beginnt die Ernte mit einem umfunktionierten Rübenroder.
Die Scharen unterfahren die Knollen, ein Klemmband zieht die Pflanzen an ihrem Stängel nach oben und ein Förderband schiebt sie in den Bigbag. So nennt sich der große weiße Sack, der zum Transport dient. Während Matthias Nagel den Traktor lenkt, entfernt sein Vater flugs größere Erdanhaftungen und zu üppiges Wurzelwerk. Entdeckt er eine von der Maschine beschädigte Knolle, fliegt sie hinaus.
An einem Tag füllen die Wolkersfeldener bis zu zehn Bigbags. Dann zieht der Knoblauch-Duft durch die ganze Ortschaft. „Anschließend sind wir mit der Weiterverarbeitung beschäftigt“, erklärt Walter Nagel.
Diese findet in einer umgebauten Maschinenhalle statt, die bestückt ist mit Kühlzellen und spezieller Technik. Vor dem Verkauf geht jede einzelne Knolle durch drei bis vier Hände. Die ganze fünfköpfige Familie samt Opa packt mit an sowie Freunde und Bekannte. Die fleißigen Finger kürzen die Wurzeln und schneiden den Stiel ab. „Aber nicht zu kurz, damit der Knoblauch die Feuchtigkeit hält und länger frisch bleibt“, sagt Matthias Nagel.

ROTOUR: Regionaler Knoblauchanbau, Matthias und Walter Nagel.

Knoblauch anzubauen bedeutet viel Arbeit. Das wissen Matthias (li.) und Walter Nagel aus Erfahrung. Die geernteten Knollen machen sie in ihrer Halle verkaufsfertig.
Foto: sab

Intensiver Geschmack

Dann entfernt er die äußere, erdverkrustete Schale. Schlüpft eine einwandfreie Knolle heraus, geht sie in den Verkauf. Andernfalls endet sie als Saatgut. In grünen Plastikkisten vermarktet der Betrieb sein Produkt als „Hohenloher Knoblauch“.
Die Ausbeute ist von vielen Faktoren abhängig, beispielsweise dem Niederschlag. Zu trocken darf es nicht sein, denn künstliche Bewässerung ist in Wolkersfelden nicht möglich. Das Dorf liegt im Wasserschutzgebiet. Die schweren Böden halten aber das Wasser gut und sorgen für einen besonders intensiven Geschmack.
„Wenn wir pro Hektar fünf Tonnen Knoblauch produzieren, sind wir im oberen Bereich“, schätzt Walter Nagel. „Aber wir befinden uns noch in der Lernphase.“ Die kommende Saison ist die dritte.

Wertvolle Inhaltsstoffe

Das Geschäft mit der Knolle ist keineswegs ein Selbstläufer. „Hinter dem Anbau steckt sehr viel Aufwand und Handarbeit“, spricht Matthias Nagel aus Erfahrung. Die Arbeitsbelastung konzentriert sich auf wenige Monate. Spätestens Ende August ist alles abgeerntet. Der Acker benötigt anschließend eine Anbaupause von sieben Jahren, um sich zu regenerieren. Zur Überbrückung säen die Landwirte Getreide.
Für die Gesundheit lohnt sich die Mühe. Die Zehen sind prallgefüllt mit Vitaminen sowie Mineralstoffen und wirken entzündungshemmend. Schon beim Bau der Cheops-Pyramide vor rund 4500 Jahren verzehrten die Arbeiter Knoblauch. Der von manchen gefürchtete Geruch entsteht, wenn die Zellwände durch Quetschen oder Schneiden beschädigt und die Schwefelverbindungen Allicin und Ajoen freigesetzt werden. Der Mensch gibt die Substanzen über Lunge und Haut ab. Was machen die Nagels gegen den Geruch? „Wenn man’s regelmäßig isst, riecht es nicht so extrem“, glaubt Walter Nagel.
Das Gros ihrer Ware liefert die Familie an Händler und Gemüseläden, sogar bis nach Nürnberg. Privatkunden kaufen ab Hof. Ein Kilo der frischen Knollen kostet 6 Euro, der Preis für die getrockneten beträgt 4,50 Euro. Dieses Jahr wird die Angebotspalette um geräucherten Knoblauch erweitert.
Beim Rundgang durch die Halle zeigt Matthias Nagel auf ein sechs mal sechs Meter großes Quadrat aus Paletten, überzogen mit Silogitter. Hier werden die Knoblauchknollen ein bis zwei Wochen lang luftgetrocknet. Ein Körnergebläse pustet Umgebungsluft auf das Gemüse. „Das ist eine Eigenkonstruktion“, lächelt er.
Auch die Sortiermaschine hat er selbst gebaut. Je nach Größe fällt das Gemüse durch die Löcher einer Trommel. Matthias Nagel ist ein Tüftler. „So ergänzen mein Vater und ich uns gegenseitig. Ich bin für Technik und Vermarktung zuständig, er für die Pflege der Pflanzen und alles, was auf dem Hof sonst noch anfällt.“
Die gelernten Landwirte bewirtschaften ihren 40-Hektar-Betrieb im Nebenerwerb. Walter Nagel arbeitet hauptberuflich bei einem Hersteller für Tiernahrung, sein Sohn auf einem Biobauernhof. Zu Hause haben sie sich für den konventionellen Anbau entschieden, doch Matthias Nagel liebäugelt damit, irgendwann auf Bio umzustellen. Ackerbau, Milchvieh- und Hühnerhaltung sind weitere Standbeine. Künftig soll der Knoblauch die Haupteinnahmequelle werden.

ROTOUR: "Wir sind bestrebt, unseren Knoblauch möglichst frisch zu vermarkten", sagt Walter Nagel. Doch auch die getrocknete Variante hat der Betrieb im Sortiment. Foto: Privat

„Wir sind bestrebt, unseren Knoblauch möglichst frisch zu vermarkten“, sagt Walter Nagel. Doch auch die getrocknete Variante hat der Betrieb im Sortiment. Foto: Privat

Eigenes Saatgut

„Wir möchten wachsen, aber nicht zu groß werden“, betont der Senior. Momentan stehen für die Knollen 1,6 Hektar zur Verfügung. Das Saatgut ziehen die Nagels weitgehend selbst, darauf legen sie großen Wert.
Guten Knoblauch erkennt der Konsument mit Hilfe des Drucktests. Weiche Zehen sind schon älter oder wurden falsch gelagert. Konsumenten sollten den frischen Knoblauch am besten in den Kühlschrank legen. Die getrocknete Variante hingegen bevorzugt einen dunklen Platz, an dem sie von allen Seiten Luft abbekommt.
Matthias Nagel genießt den Knoblauch am liebsten in Scheiben geschnitten auf einem gebutterten Brot mit Wurst. „Dann kann sich der Geschmack voll entfalten“, schwärmt er. Graf Dracula wird er so sicher nie persönlich kennenlernen. sab