Briefe aus dem Krieg – Feldpost von Nordenberger Soldaten als Buch Mrz01


Briefe aus dem Krieg – Feldpost von Nordenberger Soldaten als Buch

„Die deutschen Truppen sind in Dänemark einmarschiert und auch in Norwegen sind deutsche Flieger. Hoffentlich entwickelt sich die Sache für uns Deutsche so günstig weiter … Am liebsten wäre ich beim Einmarsch auch dabei gewesen“­– Die Zeilen schrieb Leonhard Gerlinger am 9. April 1940 an seine Eltern nach Nordenberg. Bereits 1939 hat er sich als 19-Jähriger zur Wehrmacht gemeldet. Er hatte gerade das Gymnasium in Rothenburg abgeschlossen, Englisch und Französisch gelernt. 1942 ist er in Russland gefallen.
Sein Bruder, Gottfried, 1922 geboren, wurde 1941 eingezogen und ist im Januar 45 in Luxem-
burg gefallen. Georg, der jüngste der drei Gerlinger-Söhne, zog 1942 in den Krieg und kam 1945 nach amerikanischer Gefangenschaft zurück nach Nordenberg, wo er 1983 verstarb. So sah Krieg dort aus, wo er am meisten weh getan hat: In der Familie. Steffen Dümmler aus Nordenberg hat daraus ein Buch gemacht, das den ganzen Schrecken anhand der Feldpostbriefe erzählt.
Steffen Dümmler ist Landwirt und hat seinen Hof mit den grünen Fensterläden mitten in Nordenberg. Die Historie ist sein Steckenpferd und schon als Junge hat er seine Großeltern die bekannten Löcher in den Bauch gefragt, wie es dereinst in Nordenberg und zu Kriegszeiten zuging. Neben seinem täglichen Geschäft mit Milchvieh und Ackerbau stellt er Anfragen an das Familienarchiv in Nürnberg, forscht in Auszügen aus alten Kirchenbüchern und kombiniert sein Wissen aus Schriften, Kriegsstammrollen, Urkunden oder Fotos zur Aufklärung der Vergangenheit. Gemeinsam mit Rainer Beißbarth hat er 2012 das Buch „Nordenberg im Wandel der Zeit. Eine Zeitreise von 1900 bis in die Gegenwart“, realisiert. Was immer in Nordenberg ab der Jahrhundertwende passierte, Dümmler und Beißbarth haben mit Akribie die Fakten recherchiert und in interessanten und optisch ansprechend aufbereiteten Lesestoff gebannt. Die erste Auflage ist bereits vergriffen.
Ein zweites Buchprojekt „Auf demm Hoaf sinn mir aufgewachsa…“ hat Dümmler 2014 als Weihnachtsgeschenk für seine Geschwister und seine Großmutter gemacht. Darin geht es um die Famliengeschichte auf dem Nordenberger Bauernhof. Er hat also Erfahrung in der Aufbereitung historischer Themen.

Die Soldatenbriefe sind auf einfachem Papier mit Bleistift geschrieben. Nach etwa 80 Jahren haben sie nun ihren Weg in ein Buch gefunden und werden so dauerhaft erhalten.                                          Foto: am

Die Soldatenbriefe sind auf einfachem Papier mit Bleistift geschrieben. Nach etwa 80 Jahren haben sie nun ihren Weg in ein Buch gefunden und werden so dauerhaft erhalten. Foto: am


Der Krieg in Waschkörben

Als sich 2014 am Windelsbacher Weihnachtsmarkt Martin Ehnes, Wilhelm Weiß aus Marktbergel und Rainer Beißbarth trafen, kam das Gespräch auf Dokumente aus dem Zweiten Weltkrieg, die Wilhelm Weiß von seiner Verwandschaft aus Nordenberg noch auf dem Dachboden hatte. Er war auf der Suche nach jemandem, der damit etwas anfangen konnte. Ganz klar, Steffen Dümmler.
„Es dauerte ein Jahr, dann standen die Drei mit einem Waschkorb und einer Kiste vor meiner Tür“, erzählt Steffen Dümmler. Zuerst interes-
sierten ihn die Fotos und Dokumente, dann entdeckte er den besonderen Schatz, der in den Briefen ruhte. Insgesamt waren 800 Briefe in den Körben.Von den drei Söhnen an die Eltern, von den Eltern an die Söhne im Einsatz, von Paten, Nordenberger Freunden und Jugendfreunden. Alle davon in Sütterlin geschrieben. Mal deutlich, mal salopp gesagt geschmiert. Eben je nach Handschrift.
Steffen Dümmler konnte die deutsche Schrift nicht lesen. Anfangs übersetzte er die Briefe mit Hilfe einer Großtante in Nürnberg. Das war aber zu kompliziert. „Ich hab mir dann ein Alphabet in Sütterlin im Internet gesucht und ausgedruckt“, erzählt er. Erst hat er Buchstabe für Buchstabe abgeschrieben, dann wurde er langsam warm mit der Sütterlinschrift.
Steffen Dümmler hat alle 800 Briefe am Computer abgetippt. Mehrere Ordner füllt er damit. In einer Klarsichtfolie liegen jeweils Original und Abschrift. Zwei Jahre hat er dafür gebraucht.

Die Bücher über die Feldpostbriefe (vorne) waren nicht das erste Buchprojekt von Steffen Dümmler. Das Buch über Nordenberg (hinten links) war ein großer Erfolg und ist ausverkauft.                         Foto: am

Die Bücher über die Feldpostbriefe (vorne) waren nicht das erste Buchprojekt von Steffen Dümmler. Das Buch über Nordenberg (hinten links) war ein großer Erfolg und ist ausverkauft. Foto: am

Nachdem alle erfasst waren, hat er sie chronologisch geordnet, nochmals gelesen und die aussagestärksten 250 Briefe ausgesucht. Er hat etwa 150 Fotos ausgewählt und das ganze in zwei Bücher mit dem Titel „… sonst geht es mir noch gut! – Feldpostbriefe dreier Brüder während der Zeit des Zweiten Weltkriegs“ gebannt. Herausgekommen ist ein einzigartiges Zeitzeugnis, das sowohl das Leben in Nordenberg als auch die Einsätze der Soldaten widerspiegelt – und zwar auf einer ganz persönlichen Ebene.
Am Anfang ist noch die Begeisterung der jungen Männer zu spüren. Die Eltern haben Bratwürste an die Einsatzorte geschickt, Socken wurden zum Stopfen hin und her versendet. Dann wird es zunehmend härter. Leonhard schreibt von den grausamen Verhältnissen des Russlandfeldzugs. Temperaturen von -50°C und mehrere Tage ohne warme Stube waren der Alltag der Soldaten. Dann kommt der Tod ins Spiel. Die Eltern berichten nicht mehr nur von den Geschehnissen in der Landwirtschaft, sondern von Freunden die gefallen sind.
Leonhard stirbt. Gottfried schreibt ihm noch einen Brief und erfährt erst danach von seinen Eltern, dass sein Bruder zu dieser Zeit schon gefallen war.
Der letzte Brief stammt von Georg, geschrieben am 9. April 1945, und er endet mit den Worten: „Ich schließe nun, es ist der letzte Brief, den ich nach Hause schreibe. Bis es sich geklärt hat, oder so Gott will, ich selbst bei Euch anklopfen darf. Ich verbleibe unter den herzlichsten Grüßen, Euer Georg.“
Die Betroffenheit bleibt beim Lesen der Briefe nicht aus. „Wenn man sich damit beschäftigt, kann man annähernd erahnen, was die jungen Männer erlebt haben“, sagt Steffen Dümmler, „aber man sollte sich nicht anmaßen zu urteilen.“
Die zwei Bände mit den Feldpostbriefen, zugehörigen Fotos und einer Einleitung von Steffen Dümmler gibt es als Fotobuch nur in dieser einzigen Ausführung. Bei Interesse verleiht Steffen Dümmler die beiden Bücher. am