Bisons in  Hohenlohe – Die Humpfer-Ranch züchtet Jun01


Bisons in Hohenlohe – Die Humpfer-Ranch züchtet

„Vorsicht mit dem Zaun, da ist richtig Strom drauf“, sagt Joachim Humpfer. Neugierig schleichen sich die zotteligen Tiere dahinter an. Mächtig wirken sie, aber auch faszinierend. Ein bisschen Wilder Westen in Hohenlohe. Joachim Humpfer züchtet seit drei Jahren Bisons in Standorf, einem Teilort von Schrozberg. Eine verrückte Idee – aber eine mit Potenzial.
Den Bauernhof der Humpfers gibt es seit 1735. Vor gut zehn Jahren hat sich Joachim Humpfer (Diplom Agraringenieur) entschieden, den Familienbetrieb gemeinsam mit seiner Frau Katrin weiterzuführen. Eine Biogasanlage mit 8 km Wärmenetz in Standorf und Leuzendorf gehört seit 2019 dazu. Die Humpfers sind bekannt für ihre Trakehnerzucht, ein reines Hobby. Die Milchviehherde haben sie mittlerweile auf etwa 60 Tiere abgebaut und im Gegenzug die Bisonherde aufgebaut.
Gerade mal 17 Bisonzüchter gibt es in Deutschland. „Der Selbstversorgungsgrad für Fleisch liegt bei 7 Prozent“, so Humpfer. Bereits 2002 hat er in Kanada erste Erfahrungen mit dem Bison gemacht und die verrückte Idee gehegt, vielleicht selbst welche zu halten. Jahre vergingen und eines Tages entdeckte er beim Einkauf in Schrozberg einen Flyer zur Bestellung von Bisonfleisch aus Nordamerika. Also sollte er die Idee doch weiter verfolgen? Die Familie machte Urlaub in Kanada, besuchte Bisonzüchter, hat sich einen Schlachthof speziell für den europäischen Markt angesehen – und beschlossen, es zu wagen.
Aber woher ein Bison nehmen in Deutschland? „Über Ebay-Kleinanzeigen“, erzählt Humpfer schmunzelnd. Ein Züchter in der Eifel gab aus privaten Gründen seinen Betrieb auf und wollte sichergehen, dass die Tiere in die Zucht und nicht in den Verzehr kommen. Dieser wiederum hatte die Bisons aus dem Frankfurter Zoo erhalten. So kamen die Humpfers zu ihren ersten fünf Bisonkühen.

Die Hürden der Bürokratie
Da Bisons Wildtiere sind, brauchen Halter einen Sachkundenachweis. „Niemand wusste, woher man den bekommt“, so Katrin Humpfer. Letztendlich hat das Veterinäramt die Humpfers ausgiebig befragt und den Nachweis ausgestellt. Ein dreiviertel Jahr dauerte es, bis die Tiere endlich in Hohenlohe waren.
Apropos Hohenlohe: Der Betrieb von Joachim Humpfer ist zwar in Baden-Württemberg ansässig, aber etwa die Hälfte davon liegt in Bayern. So manches Bison auf der Weide kann also mit dem Kopf in Hohenlohe stehen und mit dem Hinterteil in Franken. Oder andersrum.
Von ihrem Esstisch aus haben Katrin und Joachim Humpfer ihre Bisons auf den Weiden im Blick. Auf 8 ha Fläche stehen den Tieren fünf Weiden zur Verfügung. Nach Ankunft der Bisonkühe in Standorf mieteten die Humpfers einen Bisonbullen. Joachim Humpfer holte ihn aus der Nähe von München. „Das war ein bisschen Rodeo“, erinnert er sich.
Zurück in Standorf war der Bulle erfolgreich. Im ersten Jahr gab es drei Kälber, im zweiten sieben und in diesem Jahr ist Ende April das erste Bisonkälbchen geboren. „Wir hoffen, dass es noch weitere sieben Geburten gibt“, sagt Katrin
Humpfer.
Ob ein Tier trächtig ist, können sie lange Zeit nicht mit Sicherheit sagen. Bisons sind Wildtiere. An die kommt keiner so einfach ran. Die Natur hat hier noch ihren freien Lauf. Die Bullen leben mit den Kühen, die Kälbchen kommen auf der Weide zur Welt. Der Mensch muss sich weitgehend auf die Rolle des Zaungastes beschränken.
Nur der Züchter muss natürlich hin und wieder Zugang haben. Joachim Humpfer erzählt von seinen verschiedenen Varianten, eine Fanganlage zu bauen. Lehrbücher zur Bisonzucht gibt es nicht. Er muss ausprobieren.

Unkonventionelle Idee
„Innerhalb kürzester Zeit hatten die Tiere den Dreh raus und haben die Anlage umgangen“, so Humpfer. Also hat er einen Strick quer über das Feld bis zur Terrasse seines Hauses gelegt und die Tiere mit dem Fernglas beobachtet. War das gewünschte Bison in dem separaten Gehege, dann zog er am Strick (ungefähr sieben Meter lang) und ein Falltor trennte das Tier von der Herde. Mittlerweile ist das Konzept ausgefeilter.
Unzählige Geschichten haben die Humpfers auf Lager. Zum Beispiel von dem tollen Sozialverhalten der Tiere, die sich nach der Geburt eines Kälbchens rundherum gruppieren. Oder deren Schnelligkeit: Ein Bison hat eine dreimal so große Lunge wie ein Rind. Das macht sie nicht nur so schnell wie Pferde, sondern sogar ausdauernder.


Keine Lust auf nasse Hufe

Die Tiere, die das ganze Jahr über draußen sind, mögen es heiß und kalt, trocken und windig. „Nur Nässe von unten ist schlecht“, erklärt der Züchter. Und wenn Brunftzeit ist, dann kann ein Bulle mit bis zu 1,2 Tonnen Gewicht mächtig Staub aufwirbeln.
Die Herde der Humpfers ist mittlerweile auf 26 Tiere angewachsen, die alle indianische Namen haben. In diesem Sommer werden erstmals zwei Tiere geschossen. Katrin und Joachim Humpfer haben beide den Jagdschein und die Befähigung, Tiere auf der Weide zu schießen. Für die Wildtiere wäre das Einfangen und der Transport mit massivem Stress verbunden – was sich auch auf die Fleischqualität auswirkt. Bisonfleisch hat besondere geschmackliche Qualitäten und ist sehr mager, reich an Eiweiß und wichtigen Mineralien. Das Fleisch kann direkt über die Familie Humpfer bezogen werden (www.humpferranch.de). Die Preise liegen zwischen 20 €/kg für Bisonhackfleisch und 90 €/kg für Filetsteaks. Vom halben Tier bis zum Stück Siedfleisch ist alles möglich.
Da das Interesse an den Bisons so groß ist und immer mehr Besucher anzieht, plant Joachim Humpfer einen Lehrpfad zur Bisonhaltung anzulegen. Die Förderung über das Leaderprogramm ist beantragt. Klappt alles, wird der Pfad 2020 eingeweiht. „Dann hat man einen wunderbaren Blick auf die Bisons, ohne die Herde zu stören“, so der Züchter.

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