Alles ist möglich – Die Theatergruppe „Schau mer X“ bereitet ein neues Stück vor Mrz01


Alles ist möglich – Die Theatergruppe „Schau mer X“ bereitet ein neues Stück vor

Lisa schreitet auf die Bühne. Ein Pferd hängt um ihre Hüften. Das Publikum blickt erwartungsvoll, aber Lisa schickt sie alle wieder heim. Und schon ist klar, auf diesen Brettern ist alles möglich.
Lisa ist behindert, aber ihren Text hat sie felsenfest im Kopf. Das ist Ehrensache für sie. „Den Text muss man perfekt beherrschen“, erklärt sie. Das ist ihr erster Auftritt bei den „Schau mer X“ und sie ist voll dabei. So wie auch die anderen Schauspieler.
Heike Pfänder und Heidemarie Dawidziuk haben 2004 die Theatergruppe unter dem Dach der Diakonie Neuendettelsau gegründet. Beide sind dort beschäftigt: Heike Pfänder in Bruckberg als Heilerziehungspflegerin und Theaterpädagogin, Heidemarie Dawidziuk in Obernzenn als Heilpädagogin und Kunsttherapeutin. Zu Beginn probte die Theatergruppe in Obernzenn, dann im Tau-Haus in Mitteldachstetten und seit einem Jahr immer Freitags im alten Pfarrhaus in Gebsattel. Ihr Name „Schau mer (X) mal“ ist mit Weitsicht gewählt, „denn es bleibt bis zum Schluss spannend“, so Heidemarie Dawidziuk.

Demokratie ist der Kern des neuen Stücks. Zwei ganz unterschiedliche Bäckereien und eine Torte rahmen das Geschehen ein.                     Foto: Privat

Demokratie ist der Kern des neuen Stücks. Zwei ganz unterschiedliche Bäckereien und eine Torte rahmen das Geschehen ein. Foto: Privat


Die Schauspieler leben in Behinderteneinrichtungen. Zehn in Rothenburg, zwei in Oberzenn, eine in Bruckberg und ein Schauspieler lebt bei der Familie. Per Taxi oder mit den beiden Theaterleiterinnen kommen sie jeden Freitagnachmittag zur Probe nach Gebsattel – direkt nach der Arbeit, denn alle sind in den Behindertenstätten beschäftigt. Also ist erstmal Ankommen angesagt beim gemütlichen Kaffee mit selbstgebackenem Kuchen von der Mutter von Johannes, einem der Schauspieler. Die Stimmung ist gut, alle plaudern, immer wieder fließen Ideen zum neuen Stück ein.
Danach geht es in den großen Saal zur Probe. Die Disziplin, mit der die Schauspieler an die Arbeit gehen, hat schon Profis beeindruckt, erzählt Heike Pfänder. Ein Theaterstück mit Behinderten auf die Beine zu stellen, bedarf viel Einfühlungsvermögen und viel Arbeit.
„Schau mer X“ entwickeln jedes Stück gemeinsam. Am Anfang stehen die Ideen. Beim aktuellen Stück lagen die Wünsche der Gruppe zwischen Themen zum Frauenwahlrecht, einer Liebesgeschichte, der Demokratie oder auch dem Dreißigjährigen Krieg. Die Themensammlung hat Heike Pfänder in drei Schwerpunkte auf Papierbahnen geordnet. Jeder konnte sich zu der für ihn passenden stellen. So stand das Hauptthema Demokratie.
„Mindestens ein Jahr benötigen wir für die Entwicklung des Stücks“, so die Theaterpädagogin. Mit Gruppenspielen, beim Malen oder Improvisieren werden einzelne Handlungsstränge entwickelt. Heike Pfänder hält alles fest, formt die individuellen Rollen, nimmt dabei auf alle Wünsche Rücksicht.
Die Schauspieler bekommen ihren Text, den sie akribisch auswendig lernen. Hans-Otto lernt jeden Morgen vor der Arbeit. Hans lernt mit seiner Frau Irmgard, denn er kann nicht lesen, sie aber schon. Manfred, der auch beim Festspiel aktiv ist aber nicht flüssig spricht, wollte unbedingt bei der Theatergruppe mitmachen. Er übt seinen Satz mit Hilfe eines Triggers ein. Heike Pfänder zeigt mit dem Finger an ihre Nase, und schon sprudeln die Worte aus ihm heraus. Jeder nach seiner Fasson, das ist hier möglich.
„Theater muss aber wiederholbar sein“, sagt Heike Pfänder. Das aktuelle Stück „Sahnehäubchen – oder ein Stäubchen im Getriebe“ (Aufführung am 11. Mai in der Reichsstadthalle Rothenburg) ist bereits das dritte mit einem durchgehend roten Faden. Jeder Schauspieler weiß, was seine Rolle ist, kennt die Absicht der Bühnenfigur und eventuell die Veränderung. Auch wenn ein Schauspieler nicht den großen Bogen erfassen kann, „muss er sich in seiner Rolle zurecht finden“, ist ihr wichtig.
Rund um die Aufführung sind viele ehrenamtliche Helfer mit im Einsatz, die Kostüme organisieren, mit Licht und Technik das Spiel in Szene setzen. Helfer sind jederzeit willkommen – ebenso wie Mitspieler. Die „Schau mer mals“ wären gerne eine integrative Theatergruppe. Einige von ihnen haben bereits beim Sommerstück des Reinsbronner Bühnenzinnobers mitgespielt, die Gruppe hat beim Kulturfestival in Krakau teilgenommen und sie sind seit Jahren bei den gesamtfränkischen Theatertagen dabei. am