„Unser Handeln gibt Sinn“ Nov10


„Unser Handeln gibt Sinn“

Von links: Johannes und Stefan Keitel, Oliver Götz sowie Florian und Lina Schmalbach sind „Format F“. Foto: Privat

Von links: Johannes und Stefan Keitel, Oliver Götz sowie Florian und Lina Schmalbach sind „Format F“. Foto: Privat

Wer oder was ist „Format F“? Oliver Götz und Johannes Keitel im Interview

Das kulturelle Leben in Rothenburg hat viele Organisatoren. Manche kennt man, die gibt es seit Jahren, manche sind vermeintlich neu und man weiß nicht so recht, wer dahinter steckt, was wollen sie und warum sie sich engagieren? So geht es vielleicht dem einen oder anderen, wenn der Name „Format F“ fällt. Also haben wir „Format F“ in die ROTOUR-Redaktion eingeladen. Oliver Götz und Johannes Keitel haben als Vertreter der Gruppe unsere Fragen beantwortet.

ROTOUR: Also, wer oder was ist „Format F“?
Keitel: Der Ursprung von „Format F“ ist eine Personenkonstellation von fünf Menschen, Oliver, Lina und Florian Schmalbach, mein Bruder Stephan und ich, die im Verein Grenzkunst sehr stark aktiv sind und den derzeitigen Vorstand stellen. Zusätzlich zu den Grenzkunstaktionen wollten wir noch Veranstaltungen durchführen, die über das Grenzkunstportfolio hinausgehen.

Wann haben Sie den Verein Grenzkunst gegründet?
Keitel: Im Jahr 2013.

Worin unterscheidet sich der Verein Grenzkunst, den man von Veranstaltungen wie dem Sundowner im Wildbad, Eulenflug im Wald bei Nordenberg oder Raumzeit in der St.-Jakobs-Kirche kennt, von „Format F“?
Götz: Grenzkunst ist ein gemeinnütziger Verein und wir arbeiten da alle ehrenamtlich. Das geht oft unter. Wer für „Format F“ arbeitet, bekommt Geld dafür, und wir können im optimalen Fall auch Geld damit verdienen.

Ist Grenzkunst das Jugendprojekt und „Format F“ die Erwachsenen­version?
Keitel: Das würde ich nicht so sagen. Unser Ideal ist es, dass beides miteinander harmoniert und inei-
nander greift. Also eine ehrenamtliche Arbeit, die professionell und leidenschaftlich gepflegt wird, und auf der anderen Seite ein Projekt, mit dem man auch Miete zahlen kann und muss.
Götz: Entscheidend ist auch, dass wir, obwohl Grenzkunst unsere riesengroße Leidenschaft ist, an den Punkt gekommen sind, dass bei uns Studium bzw. Ausbildung zu Ende gingen und wir nun unse-
ren Lebensunterhalt verdienen müssen. Wenn wir jetzt weiterhin Ideen umsetzen wollen, muss es zu dem ehrenamtlichen Engagement auch etwas geben, das eine finanzielle Lebensgrundlage bilden kann.

Wann wurde die GbR „Format F“ offiziell gegründet?
Keitel: Im Grunde war „Format F“ eine ziemliche Schnellschussaktion. Wir hatten das Projekt „Silvesterfunkeln“ auf unserer Agenda und wollten das unbedingt umsetzen. Einen Monat zuvor, im November 2019, haben wir uns zusammengefunden und „Format F“ ge­gründet. Im ersten GbR-Vertrag war auch noch nicht absehbar, dass wir ein paar Monate später eine Kneipe übernehmen werden.

Was hat Sie bewegt, das Lokal „Landwehrbräu am Turm“ zu pachten?
Keitel: Durch Corona haben sich die Rahmenbedingungen verändert, denn Veranstaltungen waren ja kaum mehr möglich. Wir haben uns dann entschieden, den nächsten Schritt zu gehen, auch wenn es gerade absolut naiv erschien. Wir lassen uns hier nieder und gründen eine Basis. Ein Zentrum für alle Projekte, die von uns ausgehen. Es war elementar für uns eine nächste Stufe der Ernsthaftigkeit anzugehen, damit es permanenten Umsatzfluss gibt und um Existenzen davon finanzieren zu können. Also vom Nebenbeiprojekt hin zum Lebensinhalt, der sehr allumfassend ist.
Götz: Es war schon immer unser Wunsch, einen zentralen Ort zu haben, wo wir unser ganzes Tun bündeln können. Wir haben ja auch im ersten Stock im „Landwehrbräu am Turm“ unsere Büros. Früher haben wir punktuell Welten aufgebaut, jetzt haben wir einen Ort, wo kontinuierlich unsere Welt ist.

Wie haben Sie die letzten eineinhalb Jahre seit Start der Kneipe empfunden?
Götz: Wir sind ja sehr bewusst ins offene Messer gelaufen. Aber manchmal gibt es im Leben Momente, da muss man dann einfach etwas machen. Das war so einer. Für uns fünf war ein Angebot da, das einfach gepasst hat. Die Schwierigkeiten haben wir einkalkuliert. Auch wenn es in der Lockdownzeit natürlich nicht so schön war.

Haben Sie es nie bereut?
Götz: Nein. Ich kann zwar nicht für alle fünf sprechen. Ich auf jeden Fall zu keiner Sekunde. Wir haben das Beste daraus gemacht. In der ganzen Coronazeit war das Lokal auch ein wichtiger Anlaufpunkt für uns. Trotz der finanziellen Einbußen waren wir auf einer anderen Ebene sehr froh, dass wir das gemacht haben.

Können Sie mittlerweile davon leben?
Götz: Jein. So ein halbes Jahr Lockdown muss man erst finanziell aufholen. Wir sind noch in der Anschubfinanzierung.
Keitel: Durch unsere außergewöhnliche Firmenkonstellation und als junges Unternehmen sind wir leider bei dem einen oder anderen Rettungspaket durch das Raster gefallen. Das pauschale Urteil, dass in der Gastronomie alles in trockenen Tüchern sei durch diese riesen Pakete stimmt so nicht. Daher haben wir ein paar Monate gebraucht, um das Defizit aufzuholen. Aber jeder, der zu uns kommt, merkt, dass der Laden gut frequentiert ist. Daher reicht es auch für einige von uns, um damit die Lebensgrundlage sicher zu stellen.

Die Gründung von „Format F“ war anfangs ja nicht auf Ihre gastronomischen Aktivitäten ausgelegt. Was sind die Grundzüge?
Keitel: Wir sind alle junge Menschen aus Rothenburg und Umgebung. „Format F“ haben wir gegründet, weil wir hier mehr machen wollen, unsere Lebensgrundlage gestalten und das künstlerisch-kulturelle Leben bereichern wollen. Es gibt noch sehr viele Ideen, die in der Schublade schlummern. Das „Sommerblühen“, der Pop-up Kulturgarten, war eine davon. Wir haben eineinhalb Jahre darauf gewartet.

Das „Sommerblühen“ im Spital­torgraben war die erste Veran­staltung von „Format F“ nach der kulturellen Coronaabstinenz. Wie ist Ihr Resümee?
Keitel: Wir wollten es unbedingt zu dem Zeitpunkt umsetzen, weil nicht absehbar war, was dann für eine Infektionsschutzverordnung kommt. Dass es sogar weniger Restriktionen wurden, hätte wir nicht gedacht. Wettermäßig war es dann aber ein absoluter Super-Gau an dem Wochenende.

Wie schafft es „Format F“ diesen besonderen Ort in Rothenburg bespielen zu dürfen?
Keitel: Wir haben Konzepte, die eine Bereicherung darstellen, und es wäre fatal, wenn diese von Seiten der Stadt, der Behörden, der gesellschaftlichen Vertreter nicht als solche erkannt würden.
Götz: Da muss man auch der Stadt ein Kompliment machen, dass sie mitgehen. Wir gehen mit der Zeit, orientieren uns an Trends. Bislang haben wir auch die Erwartungen der Stadt an uns bestätigt. Es ist schön zu sehen, dass man gemeinsam etwas bewegen kann.

In Ihren Konzepten spiegelt sich die ganze Bandbreite wider: Politik, Kultur, Musik. Was können Sie sich noch vorstellen?
Götz: Alles, also fast alles. Das zeichnet uns auch aus. Wenn ich hier durch die Stadt gehe, sehe ich überall Potenziale. Diese Möglichkeiten zu sehen und dann an den Punkt zu kommen, etwas umzusetzen, ist unser Anliegen. Wir fünf sind da auch bunt gemischt und sind in unterschiedlichen Sektoren aufgestellt.

Wie finden Sie zu fünft einen gemeinsamen Nenner?
Keitel: Indem jeder Einzelne eine gewisse Begeisterungsfähigkeit mitbringt und sich für die Idee des anderen entflammen kann. Dadurch werden die verschiedenen Formate möglich.
Götz: Rothenburg ist eine der kleinsten, aber immerhin eine Weltstadt. Hier kann man sehr viel machen. Das sieht man auch am Oberbürgermeister-Triell, das wir pro­fessionell gestaltet haben. Die Nachfrage bei den Bürgern ist immer da. Ich zitiere gern den Spruch, von dem ich leider nicht weiß, von wem er ist: „Alle sagten, das geht nicht, und dann kam einer und hat es gemacht“. Das ist so eine Art Mantra. Dinge zu machen, von denen keiner glaubt, dass sie funktionieren, klappt oft besser, als man denkt.

Gibt es schon weitere konkrete Pläne?
Keitel: Ja. Wir werden das „Winterglühen“ als Gegenstück zum „Sommerblühen“ realisieren. „Winterglühen“ wird vom 16. bis 23. Dezember im oberen Bereich des Burggartens stattfinden. Die Veranstaltung soll eine Kulturveranstaltung sein. Das Licht steht zentral im Fokus, dazu kommen Skulpturen in Kombination mit kulturellen Darbietungen. Eine Bühne wird jeden Tag bespielt. Das soll aber keine Konkurrenzveranstaltung zum Reiterlesmarkt sein, sondern eine Ergänzung. Wir setzen ebenfalls auf die 3G+ Regeln.

Das „Silvesterfunkeln“ am Marktplatz im Jahr 2019 war ein Erfolg. Die Veranstaltung findet in diesem Jahr wieder statt. Foto: am

Das „Silvesterfunkeln“ am Marktplatz im Jahr 2019 war ein Erfolg. Die Veranstaltung findet in diesem Jahr wieder statt. Foto: am

Wie sieht es mit Silvester aus? Ist da auch etwas geplant?
Keitel: Ja, es freut uns, dass wir die zweite Version von „Silvesterfunkeln“ am Marktplatz realisieren können. Natürlich in angepasster Weise.

Ist Ihnen während der Coronazeit nicht manchmal die Lust am kulturellen Engagement verloren ge­gangen?
Götz: Seit wir Veranstaltungen machen, ob nun mit Grenzkunst oder „Format F“, war das ein zentraler Bestandteil meiner Zeit. Dass man zu Coronazeiten mal einen Durchhänger hatte, ist klar. Aber da wir zu fünft sind, wird keiner stehengelassen. Ich glaube auch, dass es während Corona sogar in die andere Richtung ging. Wir konnten alle arbeiten und „Format F“ war der zentrale Anker.
Keitel: Wenn wir uns mal gedanklich unseren Arbeitsinhalt anschauen, dann ist das etwas ganz Banales: In der Kneipe sorgen wir dafür, dass die Leute eine gute Zeit haben und entspannt ein Bier trinken können. Und die Veranstaltungen, die braucht eigentlich keiner (kurze Pause, schmunzeln). Theoretisch könnte man darauf verzichten. Aber in der Gesamtkonstellation ist das für uns etwas so unglaublich Relevantes und Bedeutsames, weil es etwas Eigenes ist. Man entwickelt etwas gemeinsam mit seinen Freunden. Da kann es mal besser oder schlechter laufen, das ist im Prinzip egal, denn es ergibt Sinn. Wir stecken unsere Zeit in sinnvolle Projekte. Es gibt zwar objektiv betrachtet sinnvollere Dinge, wie die Welt zu retten oder Medizin usw.. Aber für uns ergibt unser Handeln Sinn und ist bedeutsam. Dadurch ist es erfüllend.

Gibt es auch mit Grenzkunst schon Pläne für das Jahr 2022?
Götz: Ja, wir wollen im nächsten Sommer wieder das Projekt „Raumzeit“ realisieren, diesmal am Marktplatz.

Was hat es eigentlich mit dem Podcast-Projekt „Roformat“ auf sich. Gehört das auch zu „Format F“?
Götz: Ja, das gehört zu „Format F“. Wir haben das alles klug miteinander verschachtelt (lacht). Es gibt spannende Personen in Rothenburg und somit Geschichten zu erzählen. Das war das Hauptanliegen. Aktuell ist das Projekt etwas eingeschlafen, was daran liegt, dass ich wenig Zeit habe. Normalerweise wollen wir den Podcast einmal im Monat herausbringen. Wir arbeiten da auch mit HaRo-TV zusammen. Ich denke, „Roformat“ ist eine schöne zusätzliche mediale Option für Rothenburg. am