Vorzeitliche Herrschaftssitze

11. Januar 2023

Vorzeitliche Herrschaftssitze

Turmhügel oder Motte? – Nie gehört, aber es gab sie hier in Franken

Imposante Burgen, märchenhafte Schlösser und sagenumwobene Ruinen sind nur einige von vielen „Markenzeichen“ des Frankenlandes. Im 9. und 10. Jahrhundert zeigten sich in der Region bereits die ersten Anfänge frühmittelalterlichen Burgenbaues, die von Frankreich über das Rheinland nach Süddeutschland gelangten: die sogenannten Turmhügelburgen oder Motten (französische Wort „mott“ bedeutet „Klumpen“, „Erdsode“).

Diese Thematik beschäftigt den Hobbyhistoriker Manfred Gößwein, der seit über 20 Jahren mit dem Osingverein im Landkreis Neustadt Aisch–Bad Windsheim verbunden ist. „Mein Vater hat mir oft von Wasserschlösschen erzählt, die mich fortan immer wieder beschäftigt haben“, erzählt der heutige Rentner.

Als er vor 30 Jahren mit Ahnenforschung begann, forstete Gößwein alte Chroniken der ehemaligen selbstständigen Gemeinde Humprechtsau durch und fand darin wieder den Begriff Wasserschlösschen oder Turmhügel. Laut seiner Recherche gab es doch einige in der mittelfränkischen Region. Der Spielberg bei Rüdisbronn fiel in der Jugendzeit Gößweins Grabungen nach Zeugnissen aus den Anfängen des Turmhügelbaues zum Opfer, wie er selbst sagt. Schaut man in die Region rund um Rothenburg, lassen sich neben vielen weiteren Turmhügeln auch Nachweise in Neusitz und Kirnberg in den Dorfchroniken finden.

Während seiner langjährigen Forschungen stieß Gößwein immer wieder auf die Jahresberichte des Historischen Vereins Mittelfranken (1950 und 1952), verfasst von Dr. h.c. Carl Gumpert, der sich als Baumeister, Architekt und Vorgeschichtsforscher dem Thema Turmhügel angenommen hat. „In Kennerkreisen werden seine Jahresberichte als die `Bibel der Turmhügel´ bezeichnet“, so der 1. Vorsitzende des Osingvereins. Die historischen Turmhügel hat Gößwein auf der Vereins-Webseite thematisiert.

Bauweise der Turmhügel

Turmhügel sind vorwiegend in Holzbauweise errichtete mittelalterliche Burgtypen, die auf künstlich angelegten Erdhügeln, umgeben von Wallgräben errichtet wurden. Die Gräben rund um den Hügel waren Trockengräben, nicht selten aber mit Wasser gefüllt, weshalb man sie auch als Wasserschlösschen bezeichnete.
Durch den erhöhten Standort der Türme war eine sehr gute Sicht auf die Routen der Reisenden möglich. Diese Stationen waren für Reiter, königliche Boten und für die Fuhrunternehmer von großer Wichtigkeit.

An den Turmhügelburgen ist faszinierend, dass sie sehr unterschiedlich in der Bauweise waren. Heute unterscheidet man vier verschiedene Bauarten: 1. Runde Turmhügel mit Wohntürmen und Wassergraben als ältester Typ (Lt. Gumpert in Schalkhausen, Lkr. Ansbach). 2. Runde Motten mit Trockengräben auf Anhöhen, als Warten und Wohntürme (Gräfenbuch, nahe Oberdachstetten). 3. Runde, stark erweiterte Turmhügel mit Wohntürmen und Nebengebäuden (Berglein bei Colmberg). 4. Viereckige oder rechteckige Turmhügel mit Wasser- oder Trockengräben (Wiedersbach bei Leutershausen). Diese Wehranlagen bestanden aus hölzernen oder steinernen Türmen, die mitten auf den Erdhügeln erbaut wurden.

Teilweise wurde dem Wassergraben ein Ringwall vorgelagert. Der Zugang zum Turm war nur über einen Steg erreichbar, da die Eingangstür im ersten Stockwerk lag. Die Turmhügelanlage war noch zusätzlich von einem kräftigen Palisadenzaun, der aus starken zugespitzten Baumpfählen bestand, umgeben. Eine Dornenhecke rahmte die Umzäunung ein. Diese Burganlagen, die besonders in Nordfrankreich und am Niederrhein, der Urheimat der Franken vorkamen, unterscheiden sich von den mittelalterlichen Höhenburgen dadurch, dass sie „Erdburgen“ sind, da sie abgesehen vom Turm keinerlei Mauerwerk aufweisen. Es waren echte Wasserburgen einfachster Bauart, deren Vorgelände teilweise noch stark versumpft war, um dem angreifenden Feind den Zutritt zu erschweren.

Die kleineren Turmhügel mit circa 15 bis 20 Metern Durchmesser waren reine Wachtürme, die nur zu Kriegszeiten besetzt waren. Die größeren Turmhügel (ca. 20 bis 45 Meter Durchmesser) trugen größere Türme, sogenannte Wohntürme, die ständig bewohnt waren. Sie dienten als Rittersitze der späteren Adelsgeschlechter, die sich im 12. und 13. Jahrhundert in nächster Nähe Hochburgen erbauten, um dann überzusiedeln.

Bei Wohntürmen handelte es sich meist um viereckige Türme aus Holz oder Stein mit einem Durchmesser von 8 bis 12 Metern, diese waren genauso bewährt wie Wachtürme. Vereinzelt wurden später noch Wirtschaftsgebäude und Nebengebäude hinzugefügt. Diese Anlagen wurden auch als Turmhügelburgen bezeichnet.

Keine Seltenheit in Franken

Motten, Burgställe oder Wälle, wie die frühzeitlichen Burgen auch genannt wurden, fanden sich rund um die Osingfläche in Herbolzheim am Ortsausgang nach Krautostheim und der Wildberghof bei Ulsenheim. Im Rothenburger Raum befanden sich Turmhügel auch in Mörlbach, Endsee, Hornau, Neusitz und in Kirnberg. Eine Vermutung Gumperts besagt, dass das Topplerschlösschen der Bauweise eines Turmhügels entspricht. Hat sich der berühmte Bürgermeister Heinrich Toppler eventuell am Turmhügelbau orientiert?

Im Denkmalatlas vom Amt für Bayerische Denkmalpflege (online unter: geoportal.bayern.de/denkmalatlas) wurden in folgenden Orten (mit Denkmalnummer versehen) Turmhügelburgen nachgewiesen: Karrachmühle (D-5-6627-0085), Kirnberg (D-5-6627-0154), Neusitz (D-5-6627-0058) und Steinsfeld (D-5-6527-0165), um nur einige zu nennen.

Der Neusitzer Bürgermeister Manuel Döhler findet in der Gemeindechronik Belege über den einstigen Turmhügel. Darin heißt es: „Die Urzelle von Neusitz (früher Niusezze) bildete die zur Zeit des Stauferkönigs Konrad III. (1142) angelegte Burg mit Rittergut und Kirche (mit rund 170 Hektar)“. Laut Dr. Carl h. c. Gumpert waren die Reste eines rundlichen Turmhügels in Neusitz mit doppeltem Graben und Wall östlich der Kirche auf einer Bergnase, etwa 419 Meter über dem Meeresspiegel zu finden.

In Kirnberg (auch Kürnberg genannt – Kürn aus dem mittelhochdeutschen, bedeutet Mühle) entstand vermutlich im 9. oder 10. Jahrhundert. Hanns Bauer, langjähriger Pfarrer von Kirnberg und Heimatforscher, befasste sich unter anderem mit Turmhügeln, von dessen Existenz er berichtete. Seiner Recherche zu Folge wird der Kirnberger Turmhügel im Katalog für Vor- und Frühgeschichte (Seite 140 f.) als eine (heute fast völlig) verschwundene Frühburg beschrieben, die in einem eher rechteckigen Weiher (60 mal 55 m) im Tal des Wildenhofer Baches lag. Die vermutlich hochmittelalterliche quadratische Anlage mit einem Durchmesser von 30 auf 35 Metern mit rechteckig umgreifenden Wall und Graben war wahrscheinlich Sitz der zwischen 1261 und 1366 in den Schriftquellen nachgewiesenen Herren von Kirnberg.

Fest steht, dass es entlang der Frankenhöhe eine Reihe von Turmhügeln gegeben hat. Leider sind sie kaum mehr existent.

ul

Manfred Gößwein ist schon als Jugendlicher auf der Suche nach ehemaligen Turmhügeln unterwegs gewesen. Foto: Privat
Wo heute die Neusitzer Kirche mit Friedhof zu finden ist, stand um das Jahr 1140 ein Turmhügel. Das Straßenschild „Am Turmhügel“ verrät heute noch seine Existenz. Foto: ul

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