Über den Wolken Nov08


Über den Wolken

Der originalgetreue Nachbau der Gustav Weißkopf Flugmaschine Nr. 21 B ist der Mittelpunkt im neu eröffneten Deutschen Flugpionier-Museum in Leutershausen. Foto: ul

Der originalgetreue Nachbau der Gustav Weißkopf
Flugmaschine Nr. 21 B ist der Mittelpunkt im neu eröffneten Deutschen Flugpionier-Museum in Leutershausen. Foto: ul


Der Wunsch fliegen zu können ist schon so alt wie die Menschheit selbst. Das es heute eine Selbstverständlichkeit ist, um die Welt zu fliegen und es in naher Zukunft auch möglich sein wird, einen Flug zum Mond zu unternehmen, das weiß fast jedes Kind. Aber wie wurden die ersten Fluggeräte entwickelt und wer war der Pionier der Lüfte mit einem motorisierten Flugobjekt? Das Gustav Weißkopf Museum in Leutershausen gibt seit 1987 Antworten und ist im „alten Landgericht“ untergebracht.

Damals galten die amerikanischen Gebrüder Wilbur und Orville Wright als die ersten motorisierten Flugpioniere. Das sollte sich ändern, als durch noch lebende Augenzeugen und einem im Original existierenden Zeitungsartikel der „Scientific amercian“ vom 8. Juni 1901 beweisen ließ, dass der gebürtige Leutershäuser Gustav Weißkopf der wirkliche Pionier der Lüfte war. Nach dreijähriger Generalsanierung des denkmalgeschützten „Alten Landgerichts“ beherbergt es heute ein moderneres und attraktiveres Museum als zuvor. Die größte bauliche Leistung war die Verbindung des 1. und 2. Obergeschosses zu einem großen „Flugraum“ mit Öffnung des darüber liegenden Dachstuhls.

„Das war eine echte Herausforderung, auch in Sachen Bauplanung, die ich als Doktorandin für Geschichte zu bewältigen hatte“, sagt Dr. Laura Gebauer (jetzige Museumsleiterin).
Das Gustav Weißkopf Museum „Pioniere der Lüfte“ wurde Mitte September 2023 in Leutershausen wieder neu eröffnet. „Neben vielen Ehrengästen fand sich auch jeweils eine Enkelin von Gustav Weißkopf und seinem Bruder Johann ein“, erzählt Dr. Laura Gebauer.

Die Geschichte von den ersten Flugversuchen des Menschen bis zu hochentwickelten Hightech-Flugzeugen sind hier an einem Ort ausgestellt. Haben die Urgroßeltern die Anfänge deutscher Flugtechniken noch erlebt, wollen die Jungen doch wissen, wie das damals war.

Im Zentrum der Ausstellung steht die Person Gustav Weißkopf und das Rätsel um den ersten Flug mit seinem ersten motorisierten Flugzeug, der „Gustav Weißkopf Nr. 21“.

Welche Beweise gibt es für seinen Erstflug am 14. August 1901 über 25 bis 30 Metern und mit welchen Herausforderungen hatte Weißkopf zu kämpfen? Die Person Weißkopf mit allen seinen Lebensumständen als Fabrikarbeiter und Familienvater, der immer auf der Suche nach Sponsoren war, ging nur langsam voran. Dagegen konnten sich die Gebrüder Wright, der eine als Techniker, der andere als Betriebswirtschaftler besser vermarkten. So wurde ihr erster Flug am 17. Dezember 1903 nicht nur mit Berichten, sondern auch mit einer Fotografie belegt, was dem genialen Entwickler Weißkopf nicht möglich war.

Eine flughistorische Forschungsgemeinschaft zeigte durch die Dokumentation von Beweismaterialien und einem Testflug mit einem originalgetreuen Nachbau der Gustav-Weißkopf-Flugmaschine Nr. 21 B (Nr. 21 war die Originalmaschine) die Flugfähigkeit seiner Konstruktion und auch Weißkopf als den wahren Flugpionier.

Im Museum ist die Geschichte der Forschungsgemeinschaft mit Bild und Text und das Leben des fränkischen Technikers Weißkopf dokumentiert: Gustav zieht es in die Welt. Mit einem Auswandererschiff reist er als Jugendlicher nach Brasilien, fährt dann eine Zeit lang zur See und findet schließlich in Boston (USA) eine wegweisende Anstellung. Dort gründen erfolgreiche Unternehmer und Flugenthusiasten 1895 die erste aeronautische Gesellschaft der USA. Begeistert von den neuesten Erfolgen im Gleitflug des deutschen Otto Lilienthal beauftragt die Gesellschaft Gustav Weißkopf mit dem Bau von Gleitfluggeräten.

Die Leidenschaft für die Fliegerei lässt ihn nicht mehr los.Nach seiner Heirat lässt sich Gustave Whitehead, wie er sich in den USA nennt, im Jahr 1900 mit seiner Familie in Bridgeport (USA) nieder. Die Stadt erlebt gerade einen Industrialisierungsaufschwung und bietet Whitehead nicht nur Arbeit, sondern auch die Aussicht, seine Flugexperimente weiterzuentwickeln.

Am 18. August 1901 berichtet die Lokalzeitung in ihrer Sonntagsausgabe über einen Motorflug am 14. August 1901, den der Reporter selbst erlebt hat: Der Pilot war Gustav Weißkopf. Dennoch bleiben viele Fragen offen, Zweifel werden laut und Beweise gefordert. Die Geschichte aber kann nur Indizien liefern. Seinen Ehrenplatz im Kreis der Flugpioniere hat Weißkopf aber sicher.

Ausstellungshöhepunkte

Im Rahmen der Ausstellung werden die vorhandenen Indizien des Erstfluges in gläsernen, beleuchteten Schaukästen und dunklem Rahmen präsentiert. Hell erleuchtet, umgeben von stetig wechselnden Bildern von rauchenden Schornsteinen, Heißluft-Ballons und ziehenden Wolken im Hintergrund hängt der originalgetreue Nachbau der Pioniermaschine Gustav Weißkopf Nr. 21 an der geräumigen Decke.

Dr. Laura Gebauer zeigt an Experimentiertischen im Obergeschoss des Museums, wie physikalische Gesetze (die Grundlage des Fliegens) erlebbar werden können. Foto: ul

Dr. Laura Gebauer zeigt an Experimentiertischen im Obergeschoss des Museums, wie physikalische Gesetze (die Grundlage des Fliegens) erlebbar werden können. Foto: ul

Auf hölzernen Liegestühlen kann der Betrachter das Flugzeug mit Motorgeräuschen im Ohr in vollem Umfang inspizieren.

Getreu dem Titel „Pioniere der Lüfte“ widmet sich das Museum aber auch anderen Tüftlern, Abenteurern und Rekordjägern, die nach der Geburtsstunde des motorisierten Fluges, unkalkulierbare Risiken und Gefahren auf sich nahmen. Knapp 30 Jahre nach dem ersten erfolgreichen Abheben von Gustav Weißkopf 1901 und dem Erstflug der Gebrüder Wright 1903 gab es bereits waghalsige Langstreckenflüge wie die der Pilotin Amy Johnson, die den Rekord von Bert Hinklers Strecke von 1928 über 15,5 Tagen nach Australien unterbieten wollte.

Viele weitere Langstreckenflüge (bis 16 000 km) folgten bis 1938. Leben und Abgründe der ersten Flugakrobaten werden im Obergeschoss des Gustav Weißkopf Museums dargestellt.

Abgerundet wird die Ausstellung durch zahlreiche Versuchs- und Experimentierstationen. Physikalische Erkenntnisse aus der Natur, die das Fliegen für die Menschheit überhaupt erst möglich machten werden im „ Labor“ des Museums vor allem auch für Kinder nachvollziehbar.

„Ich konnte mir nie vorstellen, wie eine schwere Passagiermaschine mit heutiger Technik in die Luft steigen kann. Aber anhand des Experiments des Bernoulli-Effekts (Auftrieb) im Obergeschoss des Museums wird es klar“, so Mitarbeiterin Marion Marek. In einem Raum der Stille werden diese Naturgesetze am Beispiel von flugfähigen Tieren auf einer großen Leinwand mit passender Geräuschkulisse veranschaulicht. ul