Erlesenes am Markusturm Jul01


Erlesenes am Markusturm

Früchte & Feinkost Endreß: das letzte Geschäft seiner Art in Rothenburg

Morgens um vier Uhr klingelt bei Familie Endreß der Wecker. Da heißt es, die frischen Waren wie Obst, Gemüse und Blumenlieferungen für ihr Lebensmittelgeschäft „Früchte & Feinkost Endreß“ entgegenzunehmen.

„Angefangen hat mein Großvater Hans Endreß mit dem Kauf des Hauses in der Rödergasse 6 in Rothenburg“, erzählt der heutige Inhaber Klaus Endreß. Im Parterre eröffneten seine Großeltern Hans und Katharina einen Obst- und Gemüseladen. Noch heute dient das Obergeschoss als Wohnraum und Pension.

Damals vor 84 Jahren wurde morgens um zwei Uhr der dreirädrige Hanomag angeworfen und ab ging es zum Großmarkt nach Würzburg, wo sich täglich alle Einzelhändler aus der Region mit frischen Lebensmitteln und Blumen eingedeckt haben. Wenn die Ernte anstand, tuckerten die beiden sogar bis zum Bodensee, um frische Äpfel für den Laden einzukaufen. So ist es auch heute noch. Kein Weg ist zu weit, keine Mühe wird gescheut, um die kleinen aber feinen Wünsche der Kunden zu erfüllen. Der Vater des heutigen Inhabers Erich Endreß übernahm wie selbstverständlich das Geschäft seiner Eltern Hans und Katharina. „Am wichtigsten sind die Wünsche unserer Rothenburger Stammkunden“, war immer seine Devise. Mit einem kleinen Handkarren werden heute noch Bestellungen zu den Bewohnern der Stadt ausgefahren.

Ein ganzer Raum ist gefüllt mit Modellautos, Eisenbahnen und Preiser-Figuren.

Ein ganzer Raum ist gefüllt mit Modellautos, Eisenbahnen und Preiser-Figuren.

Zusammenhalt der Familie
Heute steht der 83-Jährige immer noch im Geschäft und hilft, wo er kann. Im Jahr 1989 gab es große Renovierungsarbeiten am Gebäude. Als Erich Endreß merkte, dass er sich auf seine Kinder verlassen kann, nahm er noch einmal Umbauten vor. „Wir haben unserem Vater viel zu verdanken“, sagen seine Kinder Heike und Klaus Endreß. Sie waren von Kindesbeinen an im Laden mit dabei. Beide teilten die Leidenschaft ihrer Eltern und Großeltern. Eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bzw. Kauffrau in Ansbach war die logische Konsequenz. Klaus Endreß machte zusätzlich seinen Handelsfachwirt, um seinen fachlichen Horizont in Sachen Buchführung und Marketing zu erweitern. „Je älter man wird, desto interessierter wird man“, ist seine Erfahrung. Als Auszubildender mit 16 Jahren hat man seiner Meinung nach dafür noch keinen Sinn.

Anfangs gab es nur Obst und Gemüse. Später kam in jeder der drei Generationen etwas hinzu. „Mein Opa Hans hat zum Ärger meiner Oma irgendwann Blumen mit ins Sortiment aufgenommen“, erzählt Klaus Endreß. Denn Blumen könnten den Rothenburger Gärtnern ja Konkurrenz machen. Eine Untugend zur damaligen Zeit. In den 80er Jahren nahm Klaus Endreß Spielzeug als neue Produktlinie auf. Dabei dachte er an kleine Geschäfte, in denen man neben den Blumen für die Damen auch etwas für das „Kind im Manne“ zu bieten hat, wie eine neue Lok oder einen Wagen für die Märklineisenbahn. Modellautos von der fränkischen Firma Herpa, Preiser Figuren oder ein neues Teil für die Fallerbahn sollten das Angebot noch vervollständigen. So ein buntes Sortiment lädt die Menschen zum Schauen und Verweilen ein. Sie bummeln oft zwei bis drei Mal durch den Laden und dann erst kaufen sie etwas. Das ist für den Kaufmann kein Problem. Auch wenn Kunden kommen, die nur mal das Mehl vergessen haben, stört die Familie Endreß nicht.

Eigentlich heißt das Familienunternehmen ja „Feinkost & Früchte Endreß“. Neben allem, was man für den täglichen Bedarf braucht, hat sich Heike Endreß eher auf Gaumenfreuden konzentriert. Sie kocht selber sehr gerne. Gerade in Coronazeiten kamen oft Kunden, die sich bei ihr einen guten Rat zum selber kochen geholt haben. Deshalb liegt es nahe, dass sie ihren Fokus eher auf fränkische Feinkost ausgerichtet hat.

Traditionell gab es schon immer frische Kräuter, selbst geriebenen Meerrettich und fränkische Metzger-Spezialitäten aus der Region. Vierzig bis fünfzig ausgewählte Käsesorten, ebenso viele fränkische Weine, das sind die Besonderheiten, die dem Namen „Feinkost & Früchte Endreß“ gerecht werden. „Bei uns kann man sich Zeit nehmen zum Probieren, um die richtige Auswahl zu treffen“, betont der Inhaber. Wer in den Laden kommt, kann sich entspannt umschauen und den Alltag ein wenig entschleunigen. Was Heike Endreß auch auf dem Herzen hat, ist der Genuss einer feinen Schokolade, die ein gutes Essen am Ende noch abrundet. Eine Vielfalt von 100 bis 120 dieser feinen Kakao-Produkte sind im kleinen Laden im Herzen von Rothenburg zu finden.

Bei Früchte & Feinkost Endreß werden Kunden noch per Handkarren beliefert. Fotos: ul

Bei Früchte & Feinkost Endreß werden Kunden noch per Handkarren beliefert. Fotos: ul

„Immer wieder kommen sogar junge Leute, die sich ein gutes Stück Käse, einen passenden Tropfen Wein und dazu ein paar Trauben fürs Wochenende mitnehmen“, erzählt Klaus Endreß. „Die fränkischen Spezialitäten verkaufen sich fast von allein“, wie die Familie feststellt. Insgesamt führt das Lebensmittelgeschäft mit einer Vielzahl von Zusatzangeboten 70 000 Artikel. Ja, richtig gelesen. Es sind tatsächlich so viele. Klaus Endreß kann die Anzahl seiner Artikel so genau bestimmen, weil ein digitales Kassensystem eine komplett neue Eingabe aller Artikel erfordert hat. Touristen, die sich in den kleinen Laden mit gerade mal 1 000 qm Verkaufsfläche „verirren“, sagen oft: „So etwas gibt es in ganz München oder in Berlin nicht mehr“. Hierzulande gibt es auch immer mehr Dorfläden und Selbstvermarkter.

Corona und die momentane Inflation haben laut Erfahrung der Familie aber auch eine gewisse Rückbesinnung auf regionale Produkte, weg vom Fast Food, hin zum selber Kochen und Kreieren geführt. Auch die Wertschätzung für gute Lebensmittel wurde gesteigert, stellen die Geschäftsleute fest. Die enorme Preissteigerung hat sogar einen gewissen Gewinnzuwachs bei Landwirten zur Folge, wie sich kürzlich ein Bauer aus der Region geäußert hat. „Mittlerweile hat sich das Preis-Leistungs-Verhältnis in unserem Geschäft beispielsweise den Edeka-Märkten angenähert“, so Klaus Endreß. Einen weiteren Bonuspunkt sieht er in der größeren Flexibilität des kleinen Ladens, weil sich kleinere Stückzahlen und besondere Kundenwünsche schneller beschaffen lassen. Da seien die „Großen“ eher schwerfälliger. „Einen heimischen Meerrettich, den lieben die Leut“, so Endreß verschmitzt.

Mit zwei Halbtagskräften, dem unermüdlichen Einsatz und dem guten Zusammenhalt der Familie, kann sich das Geschäft gut über Wasser halten. Durch die Liebe zu ihrer Arbeit und die Freude an zufriedenen Kunden hat der älteste Lebensmittelladen Rothenburgs bis heute Bestand. Im nächsten Jahr feiert „Feinkost & Früchte Endreß“ sein 85-jähriges Jubiläum und es sollen noch einige Jahre mehr werden, wenn es nach der Familie Endreß geht.

ul