„Sepsis kann jeden treffen“

1. September 2025

„Sepsis kann jeden treffen“

Cornelia Sichermann hat eine Sepsis-Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen

Cornelia Sichermann aus Heilsbronn hat überlebt. „Nun will ich anderen Betroffenen und Hinterbliebenen helfen", sagt sie. Im Jahr 2022 hat sie im Krankenhaus einen septischen Schock erlitten. Sichermann ist heute im Vorstand der Deutschen Sepsis Hilfe, berät zum Thema Amputationen und hat im Juni die Selbsthilfegruppe „Leben nach Sepsis" gegründet, ein Angebot der Deutschen Sepsis-Hilfe e.V. Region Mittelfranken.

Jeden zweiten Mittwoch im Monat findet das Online-Treffen über eine datensichere Plattform statt. Per Mail (mittelfranken@sepsis-hilfe.com oder ansbach@kiss-mfr.de) können sich Interessierte anmelden. „Ich schicke dann einen Link zur Teilnahme zu", erklärt Cornelia Sichermann.

Aufklärungsarbeit

Die Gründung der Selbsthilfegruppe als Online-Angebot war zwingend, denn viele Menschen haben nach einer Sepsis-Erkrankung mit körperlichen Behinderungen zu kämpfen. „Kaum jemand weiß, dass eine Sepsis die dritthäufigste Todesursache ist", sagt Cornelia Sichermann. Eine Sepsis, umgangssprachlich auch Blutvergiftung genannt, ist die schwerste Verlaufsform einer Infektion. Sie entsteht, wenn die Immunabwehr des Körpers außer Kontrolle gerät.

„Durch jede Infektion könnte sich dann eine Sepsis entwickeln", gibt Sichermann zu bedenken. Eine Blasenentzündung, ein Katheter oder Wundinfektionen könnten dazu führen. Und auch Grippekranke können eine Sepsis entwickeln, woraus ein Multiorganversagen entsteht. „Alle sechs Minuten stirbt ein Mensch an einer Sepsis", so Sichermann. Cornelia Sichermann will aber keine Angst schüren, sie will sensibilisieren, denn eine Sepsis ist wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall ein zeitkritischer Notfall.

Symptome nicht erkannt

Bei ihr stand nach überstandener Krebserkrankung im Jahr 2022 eine letzte größere OP an. „Ich dachte, dann kann ich wieder durchstarten", sagt die 48-Jährige, die 30 Jahre lang als Kinderpflegerin gearbeitet hat. Nach der OP schien alles gut, bis es ihr nach zwei Tagen schlechter ging. „Ich wusste, da ist etwas nicht in Ordnung", erinnert sie sich. Die Symptome einer Sepsis sind schwer zu erkennen. Fieber kann, muss aber nicht vorhanden sein. Dazu kommen ein schneller Puls (über 120 Schläge pro Minute), niedriger Blutdruck, Kurzatmigkeit bzw. Atemnot, Verwirrtheit und eben ein nie gekanntes Krankheitsgefühl.

Ihre Symptome wurden nicht richtig interpretiert und sie erlitt einen septischen Schock. „Der Körper vernichtet sich sozusagen selbst", erzählt Cornelia Sichermann. Ihr Mann Andreas fügt an: „Das geht so schnell, da kann man zusehen, aber nichts mehr tun."

Sie lag im Koma. Ihre Gliedmaßen verfärbten sich schwarz, die Haut am Bauch wurde nekrotisch. Ihre Familie wurde zur Verabschiedung einbestellt. Cornelia Sichermann ist eine Kämpferin. „Ich kann mich an alles im Koma erinnern", sagt sie, „und ich wusste, ich will nicht sterben". Ihr Zustand wurde etwas besser und nach zehn Tagen weckten die Ärzte sie. „Ich musste entscheiden: Entweder der rechte Arm wird amputiert oder ich sterbe", sagt sie. Sie entschied sich für das Leben.

Drei Monate später musste der rechte Unterschenkel abgenommen werden, danach Teile der Finger an der linken Hand und Zehen am linken Fuß. Sechs Monate war sie in der Klinik, wurde anfangs teils wöchentlich operiert. Dies alles geschah zur Coronazeit.

Familiärer Halt ist wichtig

Ihr Mann Andreas und ihre Mutter waren täglich an ihrem Bett. „Ohne die Unterstützung meiner Familie, auch meiner beiden Kinder, hätte ich den Lebenswillen nicht gehabt", weiß sie.

Cornelia Sichermann hat sich ins Leben zurückgekämpft. „Aber ich werde immer auf Hilfe angewiesen sein", ist ihr klar. Sie hat Phantomschmerzen, noch immer Wunden, die Prothesen müssen immer wieder neu angepasst werden. Ihr Alltag, egal ob es das Autofahren, einen Treppenlift, den Badumbau betrifft, muss neu organisiert werden. Die Bürokratie und das Gesundheitssystem sind dabei schwierige Partner. Es dauerte, bis sie sich wieder in die Öffentlichkeit wagte. „Anfangs schämte ich mich wegen der Amputationen", sagt sie.

Auch wenn es schwere Tage gibt, ist Aufgeben für Cornelia Sichermann keine Option. Sie hat früh Kontakt zur Deutschen Sepsis-Hilfe geknüpft. „Man steht am Anfang ja ganz allein da", erinnert sie sich. Schnell kam die Anfrage, ob sie sich im Vorstand ehrenamtlich engagiert. Sie berät deutschlandweit Betroffene zum Thema Amputationen, gibt Interviews, klärt auf.

Neben dem Instagram-Account „sepsis.mittelfranken", den Cornelia Sichermann betreut, hat sie auch ihren privaten Account „connyyy_76 – Mein Leben nach Sepsis" öffentlich gemacht. „Eine Sepsis kann jeden treffen", weiß Cornelia Sichermann. am

Cornelia Sichermann und ihr Mann Andreas meistern das Leben nach der Sepsis-Erkrankung gemeinsam. Foto: am

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