Revolutionär

2. Juli 2025

Revolutionär

Ottmar Mergenthalers Linotype-Setzmaschine

Man stelle sich vor, es sei der 10. Februar 1884 und das Geräusch von klappernden Tasten erfüllte den Raum einer kleinen Werkstatt in Brooklyn, New York. In Ottmar Mergenthalers einstigem Elternhaus in Hachtel bei Bad Mergentheim steht Horst Walter als der vielleicht letzte Museumsführer im Ottmar Mergenthaler Museum, das seit 2004 die drucktechnischen Errungenschaften Mergenthalers dokumentiert. Horst Walter hat über 45 Jahre lang als Setzer bei der Südwestpresse in Ulm gearbeitet.

Inmitten von Papierstapeln und dampfenden Maschinen hat ein Mann mit dem Namen Ottmar Mergenthaler gerade Geschichte geschrieben. Seine Linotype-Setzmaschine steht bereit für die Patentierung, ein Gerät, das die Welt des Drucks revolutionieren wird.

Aus der kleinen 306-Seelengemeinde Hachtel bei Bad Mergentheim stammt er. Ottmar Mergenthaler, der Erfinder der weltweit revolutionierenden Drucktechnik, mit der „Linotype“-Setzmaschine. Seine Erfindung löste den Handsatz einzelner Buchstaben (Typen) der Gutenbergschen Drucktechnik im ausgehenden 19. Jahrhundert ab.

Gutenberg als Vorreiter

Es würde aber weder die Linotype-Setzmaschine (von 1884) des gelernten Uhrmachers Ottmar Mergenthaler, noch die Fotosatztechnik geben, wäre all dem nicht die Erfindung der Drucktechnik mit beweglichen Lettern des Patriziers Johannes Gutenberg (1430 in Mainz geboren) vorausgegangen. Deshalb befindet sich im Obergeschoss des Museums die detaillierte Geschichte der Gutenbergschen Handsatztechnik sowie eine Lutherbibel, den ersten gedruckten Buch überhaupt.

Die Ausstellung enthält auch das kleinste Buch der Welt: ein Geschenk des Gutenberg-Museums Mainz. Das handgemachte Druckwerk mit 3,5 x 3,5 mm großen bedruckten Seiten enthält das „Vaterunser“ in sieben Sprachen. Horst Walter zeigt bei seinen Führungen die Linotype-Drucktechnik mit all ihren Facetten. Mit Hilfe einer Tastatur werden die einzelnen Typen (Buchstaben) aus einem Magazin im Zwei-Finger-System ausgewählt.

Die sogenannte Matrize (Gussform des Buchstaben) besitzt zwei Kerben, die je nach Wahl, den Buchstabendruck auch halbfett ermöglicht. Diese Buchstaben werden dann in eine Linie zusammengefügt und in einer Bleilegierung gegossen, um den kompletten Text in einer einzigen Blockform zu schaffen.

Die verwendeten Typen werden nach dem Guss wieder automatisch in das Magazin zurückgeführt. Leerzeichen können durch die Wahl eines Keils eingefügt werden.

Einfluss auf Druckindustrie

Durch diese geniale Erfindung konnte damals die Herstellung von Druckplatten erheblich beschleunigt werden, was die Produktion von Zeitungen und Büchern revolutionierte. Zudem führte die Linotype-Technik dazu, dass der Text gleichmäßiger und präziser war, was die Lesbarkeit der Druckerzeugnisse erheblich verbesserte.

„Die damaligen Setzer befürchteten allerdings, dass sie ihren Job durch die neue Technik verlieren würden“, so Walter. Mussten zu Gutenbergs Zeiten einzelne Buchstaben per Hand in eine Zeile gesetzt werden, so übernahm die Linotype-Setzmaschine diese Arbeit. Dem war nicht so, denn das Zusammenfügen von Bildern, ganzen Texten mit entsprechenden Abstandhaltern musste immer noch per Hand vorgenommen werden.

Horst Walter hat aus seinem eigenen Bestand noch Druckmotive und Textblöcke mit Geburtstags-, Weihnachtsgrüßen oder auch Todesanzeigen in das Museum integriert. So kann er den Museumsbesuchern die gesamte Satztechnik vor Augen führen. „Ich erinnere mich noch genau, als wir am Morgen des 30. Januar 1980 noch Zeitungsseiten in der Bleisatz- und am Nachmittag in der Fotosatztechnik gedruckt haben“, erzählt er. So lange wurde Mergenthalers Drucktechnik praktiziert. Aus einer Privatsammlung erhielt Horst Walter Originalzeichnungen zur Entwicklung der Linotype-Setzmaschine von Ottmar Mergenthaler. Jeden ersten Sonntag im Monat von 13 bis 17 Uhr steht Horst Walter bereit, um Führungen anzubieten.

In der historischen Setzerei stehen Besuchern über 80 Schriften und eine Abziehpresse zur Verfügung, um sich unter Anleitung eines Fachmannes per Handsatz einen kleinen gedruckten Flyer selbst zu erstellen. ul

Horst Walter zeigt als einer der letzten Setzer der alten Drucktechnik die Linotype-Druckmaschine von Ottmar Mergenthaler im Museum in Hachtel. Foto: ul
Die einzelnen Drucktypen fallen aus dem Magazin in eine Zeile und werden nach Verwendung wieder automatisch einsortiert. Foto: ul
Gegossene Zeilen, Texte und Bilder mussten zu einer Seite gesetzt werden. Foto: ul

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