Leben & Kunst im Bahnhof
9. November 2022
Leben & Kunst im Bahnhof
Regionale und internationale Künstler aus aller Welt in Burgbernheim
Am Wildbad-Bahnhof in Burgbernheim, wo einst Kaiser und Könige ausstiegen, um es sich im hiesigen Kurort wohl ergehen zu lassen, findet man heute noch das aus fränkischem Sandstein erbaute Bahnhofsgebäude. Es wurde mit der Eröffnung der Bahnstrecke von Ansbach nach Würzburg im Jahre 1864 durch König Maximilian II. Joseph von Bayern (aus dem Geschlecht der Wittelsbacher) seiner Bestimmung entsprechend errichtet. Natürlich fanden sich damalige Fahrgäste der ersten und zweiten Klasse in getrennten Warteräume wieder.
Wer heute das fränkische Kleinod Burgbernheim mit der Bahn bereist, steigt vor dem historischen Empfangsgebäude aus, das sich kaum verändert und mittlerweile seinen Besitzer gewechselt hat. Im November 2020 kaufte das argentinisch-amerikanische Künstlerehepaar Lucrecia Basualdo und Lonnie Basualdo-Tague das historische Objekt, um es mit künstlerischen Aktionen zu neuem Leben zu erwecken.
„Schon als Vierjährige träumte ich von einem Leben als Schauspielerin, das ich mir als reisende Autodidaktin erfüllen konnte“, erzählt Lucrecia Basualdo. In der gemeinsamen Zeit in den USA stand sie viele Jahre mit einem festen Ensemble eines Galatheaters in Washington DC auf der Bühne und führte bei dem Stück „Lysistrata“, eine der bekanntesten Komödien des griechischen Dichters Aristophanes, mit 20 Darstellern Regie. Ein Leben ohne Bühne war und ist für sie unvorstellbar. Lonnie Basualdo-Tague war seit 1976 beim Militär in Bamberg stationiert und später als Fotograf in Giebelstadt aktiv. Als hauptberuflicher Fotograf war er über viele Jahre für das US-amerikanische Justizministerium in Washington DC tätig.
Kennengelernt haben sich die beiden in Deutschland. Erstmals begegnet sind sie sich im Jahr 1982 auf einer Party eines gemeinsamen Freundes in Kleinochsenfurt. Seither zogen sie an die verschiedensten Orte der Welt von Puerto Rico, Whashington DC, Buenos Aires bis nach Brasilien. Mehr als 20 Mal haben sie die Umzugskartons gepackt. Irgendwann war es Zeit, sich um eine Bleibe zu kümmern und dem künstlerischen Nomadenleben ein gewisses Ende zu setzen. Mit dem alten Bahnhof, umgeben von Wiesen, Wäldern, Streuobstwiesen und einem Biergarten gleich um die Ecke schien der richtige Platz gefunden zu sein. „Dieser Ort hat uns gefunden“, sind sich beide einig. In der ersten Etage des denkmalgeschützten Hauses befinden sich zwei Wohnungen der einstigen Bahnbeamten, die erst einmal renoviert werden mussten.
In der Eingangshalle mit zwei Nebenräumen soll ein Ort der Kultur entstehen. Dafür wird die passende Infrastruktur, sprich Gästetoiletten eingerichtet. Einer der Nebenräume wird ein Ausstellungsort, der die Historie des Bahnhofgebäudes widerspiegeln soll. „Dieser Platz erzählt Geschichte und von Menschen, die kommen und gehen. So wie wir es taten“, sagt Lucrecia Basualdo mit leuchtenden Augen. Viele ältere Burgbernheimer freuen sich über die Offenheit des Künstlerpaares, das ihnen erlaubt, in alten Reiseerinnerungen zu schwelgen.
Es soll ein interkulturelles Kunsthaus werden, damit die Menschen nicht in die Großstädte fahren müssen, um Musik oder Theater live zu erleben. Dabei denken die Weltenbummler an internationale Freunde aus der Künstlerszene, die hier in Burgbernheim ihre Projekte ausstellen oder vorführen können. Die Schauspielerin, Theaterregisseurin und Autorin Lucrecia Basualdo träumt gemeinsam mir ihrem Mann von einem Künstlerhaus mit Konzerten, Ausstellungen, Lesungen und Theateraufführungen. Als Besitzer zweier Oldtimer können sich die beiden auch Treffen mit Liebhabern historischer Vierräder vorstellen. Wechselnde Foto-Ausstellungen von Lonnie Basualdo-Tague sind in den alten vier Wänden des Wildbad-Kulturbahnhofes in der Planung.
Aktuell hat er mit seiner langjährigen Band „Lonnie Dale“ eine neue CD mit Illustrationen seiner Familie veröffentlicht. Die Musiker gelten als eine angesagte Größe in der US-amerikanischen Country-Szene. 24 Jahre war Lonnie Basualdo-Tague als Fotograf und Musiker unterwegs – seine Frau als wandelnde Schauspielerin. Gemeinsam waren sie als Eltern von vier Kindern in den verschiedensten Länder aktiv. Die Beiden bringen also genügend Potenzial mit, um die mittelfränkische Region zu bereichern. Am 18. Juli konnten sie sich im Rahmen der Wanderausstellung „Von Menschen und Machern“, eine Aktion von „Frankens Mehrregion“, erstmals der Öffentlichkeit vorstellen.
Bei der Eröffnung waren weitere „Menschen und Macher“ der Region dabei. Darunter die Künstlerin Sissi Jander (Ansbach), deren Bilder heute noch in einem Ausstellungsraum zu sehen sind, der Goldschmied Robert Ungar aus Auernhofen und der spanische Graffiti-Künstler Werens, der sich gleich mit einem blumigen Werk auf einer der zugemauerten Türen in der Außenfassade des Bahnhofgebäudes „verewigt“ hat (Foto Seite 12).
Die akustische Untermalung übernahm der in Buenos Aires geborene Sänger, Komponist und Multi-Instrumentalist Tony Osanah, ein Tausendsassa im Musik- und Theatergeschäft. Heute lebt er in Fulda. Countrymusiker Lonnie Basualdo-Tague machte Stimmung und gab mit einer Foto-Show einen Vorgeschmack auf künftige Ausstellungen im Kulturbahnhof Burgbernheim.
Zukunftsvisionen
Während der Coronazeit hat sich Lucrecia Basualdo in der Malerei ausprobiert. Ihre Idee, Kinderbücher mit Geschichten und Illustrationen zum Thema Umwelt aus der Sicht lebendig gewordener Gegenstände wie Socken, einem Kühlschrank oder einem Einkaufswagen zu veröffentlichen, hat sie zum Malen und Zeichnen animiert. „Ich möchte jungen Menschen helfen, den Blick für unsere Umwelt zu schärfen“, begründet sie ihr Vorhaben. Ein Theaterstück ist bereits in Planung. Kostümierte Veranstaltungen, Stücke und Geschichten schreiben, Ausstellungen oder Regie führen sind nur einige Ideen der Basualdos.
Geplant ist eine jährliche Kultur-Saison vom 1. Mai bis zum 1. November. Vielleicht wird es auch den ein oder anderen Künstlermarkt geben. Ein Kommen und Gehen internationaler und regionaler Kulturveranstaltungen, passend zum Charakter eines Bahnhofgebäudes soll die Zukunft des einstigen „Reiseknotenpunktes“ sein. ul