Wolle direkt vom Alpaka Jan10


Wolle direkt vom Alpaka

Dagmar Geimann „spinnt“ aus Leidenschaft

In jeder freien Minute sitzt Dagmar Geimann an ihrem Spinnrad. Die Alpakas schauen ihr mitunter dabei zu. Fotos: am

In jeder freien Minute sitzt Dagmar Geimann an ihrem Spinnrad. Die Alpakas schauen ihr mitunter dabei zu. Fotos: am

„Hier kann man die Wolle seiner Socken besuchen“, sagt Dagmar Geimann während sie geübt kleine Röllchen aus feinsten Haaren durch ihre Finger laufen lässt. Dagmar Geimann spinnt die Haare ihrer Alpakas, das sogenannte Vlies der Götter, zu besonderer Wolle. Und manchmal sehen ihr die Wallache Brillant oder Gordi dabei zu.

Gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen hat sie die ehemalige Scheune des Wohnsitzes der Familie in Gunzendorf (bei Geslau) zum erweiterten Wohnzimmer umgebaut. Zwei bunte Lehnstuhlsessel stehen da sowie mehrere Spinnräder. Jahreszeitlich passende Dekoration sorgt für noch mehr Gemütlichkeit. Daneben leben hinter einer Art Heuzaun mit Sichtfenster ihre 21 Alpakas. Tagsüber können die Tiere auf die Weidefläche, abends haben sie Familienanschluss zu den Geimanns. „Die Alpakas sind unsere Leidenschaft“, sagt Jürgen Geimann.

Ihr Leben mit den Alpakas begann vor fast zehn Jahren. „Wir wussten, dass wir Tiere in unserer Nähe haben wollen“, so Dagmar Geimann. Im Fernsehen haben sie eine Dokumentation über Alpakas gesehen und dachten, das wäre vielleicht was. Die beiden haben sich deutschlandweit Alpakashows angesehen und Kontakt zu Ilona Kindler von den Taubertal Alpakas aufgenommen. „Etwa zwei bis drei Jahre ist die Idee gereift“, so Jürgen Geimann. Im Jahr 2015 zogen dann die ersten vier Wallache in Gunzendorf ein.

Der Kreislauf schließt sich

Nach und nach kamen weitere Tiere dazu. „Eigentlich wollten wir nicht züchten“, so Dagmar Geimann, aber irgendwann war die Zeit auch für Stuten reif. Sieben Jungtiere sind mittlerweile in Gunzendorf geboren. „Wir haben nie ein Tier verkauft“, sagen die beiden mit Nachdruck, „Sie sind uns einfach alle ans Herz gewachsen.“

Einmal im Jahr müssen Alpakas geschoren werden. „Da stellte sich die Frage, was machen wir mit der Wolle“, erklärt Dagmar Geimann. Klar, kann man sie verkaufen, aber sie dachte, wäre doch eine runde Sache, selbst Wolle daraus zu spinnen.

Dagmar Geimann hat dann einen Spinnkurs besucht – und war total frustriert. Spinnen ist alles andere als einfach. Aber der Eifer hat sie gepackt. „Da hat sich das Rad dann einige Kilometer gedreht, bis ich gesagt habe, jetzt passt’s“, erinnert sie sich.

Alpakawolle zählt zu den Edelfasern und ist eine der wertvollsten Wollen der Welt. Sie hat kein Lanolin oder Fett, kratzt nicht, ist feuchtigkeitsabweisend und thermoregulierend. Aber bis zum fertigen Wollknäuel ist es ein weiter Weg. Dagmar Geimann schätzt, dass sie für 100 g Wolle mindestens zehn bis zwölf Stunden ihrer Zeit investiert. „Das ist ein Hobby“, sagt sie. Die Wolle könnte sonst niemand bezahlen.

In ihrem erweiterten Wohnzimmer stehen Säcke mit Rohwolle. Zuerst werden die Haare auf einem Gittertisch grob sortiert. Zur Weiterverarbeitung für ihre Wolle nimmt Dagmar Geimann nur die besten Anteile. Da die Wolle noch voller Heuhälmchen ist, muss sie akribisch ausgezupft werden. Von Hand, versteht sich. „Dann weiß ich, dass sie sauber ist“, erklärt sie. Danach geht es ans Kardieren. Mit zwei Handkarden, eine Art breite Drahtbürste, werden die Fasern gegeneinander gebürstet und so in eine Richtung gelegt. Mit einem lässigen Schwung dreht Dagmar Geimann die Haarpracht dann zu einer sanften Rolle, dem sogenannten Roleg.

In diesem Arbeitsschritt fügt sie manchmal auch einige farbige Fasern wie Merinoseide dazu. Das ist aber nur eine feine Note, denn ihr Anliegen ist es, 100 Prozent reine und ungefärbte Alpakawolle anzubieten. „Alpakas gibt es in 22 Naturfarben“, erklärt sie und zeigt auf ihre eigenen Tiere. Ganz helle, beige, braune, ein fast schwarzes Suri oder auch zweifarbige Tiere sind darunter – und diese ganze Spannbreite zeigt sich in der selbst gesponnenen Wolle.

Aus den Rolegs entsteht dann der Wollfaden. Dagmar Geimann hat ein besonders schönes Spinnrad aus Neuseeland. Während sie mit den Füßen das Spinnrad antreibt, zieht sie auf wundersame Art an den Rolegs und lässt feine Fäden auf eine Spule laufen. „Das hat etwas Meditatives“, sagt sie. Drei Durchgänge braucht es, bis aus den einzelnen Rolegs ein zweifädig gesponnenes Wollgarn wird.

„Das kommt dann zum Aushängen einen Tag auf die Kreuzhaspel, wird danach per Hand mit Babyshampoo gewaschen und muss zwei Tage trocken“, erklärt sie. Und dann ist ein Knäuel 100-prozentige Alpakawolle fertig. Regionaler geht es nicht und ökologischer auch nicht. Die Wolle kann man nach telefonischer Rücksprache bei ihr in Gunzendorf kaufen. Einige gestrickte Socken hat sie ebenfalls meist vorrätig.

Wer ist denn da neugierig? Ein Jungtier schaut interessiert bei der Vorbereitung zum Foto von zwei Kisten voller Rolegs zu.

Wer ist denn da neugierig? Ein Jungtier schaut interessiert bei der Vorbereitung zum Foto von zwei Kisten voller Rolegs zu.

Spinnkurse in Gunzendorf

Die Alpakas, das Spinnen, die Wolle – das ist eine riesen Leidenschaft der Geimanns. „Wer mich kennt, der sagt, die spinnt doch“, sagt Dagmar Geimann lachend. Jede freie Minute kardiert sie Wolle oder sitzt am Spinnrad. Und das, obwohl sie mit Handarbeiten nie etwas im Sinn hatte.
Dagmar Geimann ist technische Zeichnerin und arbeitet bei den Stadtwerken Rothenburg in der Dokumentation des grafischen Informationssystems. „Ich bin eher der technische Typ“, erklärt sie. Aber das Spinnen hat sie eben voll erwischt.

Von April bis September gibt Dagmar Geimann auch Spinnkurse. Die Tageskurse für maximal fünf Beteiligte finden in der Scheune neben den Tieren statt. Interessierte können sich über ihren Facebook-Account „Dagmars Alpaka Wollstall“ oder unter Tel.: 0151-12674710 informieren. am