Königliche Stadt Jan08


Königliche Stadt

Der steinerne Doppelkopfadler der Freien Reichsstadt war repräsentativ am Rathaus angebracht, direkt über dem Haupteingang. Stadtarchivar Dr. Florian Huggenberger zeigt das Original aus dem Jahr 1681, das im RothenburgMuseum ausgestellt ist. Eine Replik des Steins ist auf der Altane des Rathauses zu sehen – und auf dem Titelbild von ROTOUR. Foto: am

Der steinerne Doppelkopfadler der Freien Reichsstadt war repräsentativ am Rathaus angebracht, direkt über dem Haupteingang. Stadtarchivar Dr. Florian Huggenberger zeigt das Original aus dem Jahr 1681, das im RothenburgMuseum ausgestellt ist. Eine Replik des Steins ist auf der Altane des Rathauses zu sehen – und auf dem Titelbild von ROTOUR. Foto: am

Rothenburg als Reichsstadt

In Rothenburg gibt es was zu feiern: Vor 750 Jahren, datiert am 15. Mai 1274, hat König Rudolf von Habsburg die Tauberstadt zu einer königlich privilegierten Stadt, einer Reichsstadt erhoben. Das hat Rothenburg und ihre Bewohner geprägt. Einen Herrn vor Ort, einen Fürsten oder einen Bischof, dem sie dienen mussten, hatten sie nicht. Rothenburg unterstand als Reichsstadt dem jeweiligen König bzw. Kaiser des Heiligen Römischen Reichs.

Aus den ersten Besiedlungsformen der Grafen von Comburg am Essigkrug (gegenüber dem heutigen Burggarten) entstand im 12. Jahrhundert eine Burg im heutigen Burggarten. Die Grafen von Comburg waren vom Geschlecht der Staufer abgelöst worden und der Stauferkönig Konrad III. (reg. 1139 – 1152) ließ die Burg bauen.

Rothenburg war ein Herrschaftszentrum der Staufer. Eine Siedlung entwickelt sich, 1227 werden Bürger erstmals genannt, 1239 sind erste Stadtsiegel nachweisbar (in: Historisches Lexikon Bayern, „Rothenburg, Reichsstadt“ von Markus Naser). Etwa Mitte des 13. Jahrhunderts endete auch die Macht der Staufer, denn das Geschlecht starb aus. Ein Vakuum entstand: das Interregnum.

In Rothenburg übernahmen die Reichsküchenmeister, ein zuvor im Dienste der Staufer stehendes Geschlecht, weitgehend die Herrschaft. „Gleichzeitig versuchten die Bürger, sich selbst zu organisieren“, so Dr. Florian Huggenberger, Stadtarchivar in Rothenburg. Die Gesellschaft und die politischen Machtverhältnisse waren Mitte des 13. Jahrhunderts im Umbruch. Es waren unruhige Jahrzehnte, bis – ebenfalls nach einigem hin und her – im Jahr 1273 Rudolf von Habsburg zum neuen König des Heiligen Römischen Reichs gewählt wurde. Das Heilige Römische Reich war kein homogener Staat, wie wir ihn heute kennen. Es gab weltliche (Adelige, Fürsten) und kirchliche (Bischöfe, Bistümer) Herrscher, die Gebiete beanspruchten. König Rudolf von Habsburg sicherte sich nach dem Interregnum wieder sein Hoheitsgebiet.

Ein Instrument dazu war die Erhebung einer Stadt zur Reichsstadt, denn diese unterstand nur ihm. Eine Urkunde aus dem Jahr 1274 bezeugt die Ernennung Rothenburgs zur Reichsstadt. Die Rothenburger konnten sich nun gegen die Nordenberger oder Hohenloher behaupten, die im Zuge des Interregnums Machtansprüche gestellt hatten.
Als Reichsstadt hatte Rothenburg eine Reihe von Privilegien: unter anderem war die Stadt unabhängig in den inneren Belangen und hatte eine eigene Gerichtsbarkeit. Rothenburgs Stadtrecht entstand bereits im 13. und beginnenden 14. Jahrhundert (so Markus Naser in „Rothenburg, Reichsstadt“).

Auch der Rothenburger Rat, der sich aus dem Stadtgericht aus der Zeit der Staufer entwickelt hatte, etablierte sich. Üblich war, dass ein vom König eingesetzter Schultheiß den Vorsitz im Rat hatte und somit dessen Interessen vertrat. Den Rothenburgern hat das aber nicht gefallen. Da auch Könige zu dieser Zeit in Geldsorgen geraten konnten, kaufte der Stadtrat dem König die Position des Schultheißen ab und legte sie danach in die Hände des Bürgermeisters. Belegt ist dies laut Naser erstmals im Jahr 1336.

Die originale Urkunde von König Rudolf von Habsburg über die Verleihung der Reichsstadtprivilegien aus dem Jahr 1274 wird im Staatsarchiv Nürnberg aufbewahrt.

Die originale Urkunde von König Rudolf von Habsburg über die Verleihung der Reichsstadtprivilegien aus dem Jahr 1274 wird im Staatsarchiv Nürnberg aufbewahrt.


Rothenburg muss bereits im 14. Jahrhundert durchaus finanzstark gewesen sein. Denn die Bürger bzw. die Stadtführung hat nicht nur den Schultheiß abgeschafft, sondern Rothenburg auch mehrmals aus der Verpfändung ausgelöst. Brauchte ein Kaiser Geld, belieh er schon mal eine seiner Reichsstädte. Ludwig der Bayer (reg. ab 1328) hat Rothenburg verpfändet, ebenso Karl IV. (Kaiser ab 1355). „Die Menschen wollten aber nicht unter die Herrschaft eines anderen Herrn geraten, also haben sie die Schuld an den Pfänder selbst bezahlt“, erklärt Stadtarchivar Huggenberger.

Im späten Mittelalter hatte Rothenburg etwa 5 000 Einwohner. Im Reigen der Reichsstädte gehörte die Tauberstadt zwar nicht zu den ganz großen Städten, hatte aber eine gewisse Attraktivität: Ein Landgericht mit viel Einfluss, keinen Landesherrn direkt vor Ort und ein wachsendes Gebiet.

Die Landwehr entsteht

Heinrich Toppler, mit Unterbrechungen Bürgermeister von 1349 bis 1408, würde man heute als zielstrebigen Geschäftsmann und erfolgreichen Politiker beschreiben. Er hat sowohl seinen eigenen Reichtum vermehrt als auch der Stadt zu ihrer Blütezeit verholfen. Toppler hat umliegende Ländereien von in Geldschwierigkeiten gekommenen Adelsfamilien gekauft und so die Rothenburger Landwehr entstehen lassen. Das Gebiet von etwa 400 km2 rund um Rothenburg wurde mit einem Wall-Graben-System und Landwehrtürmen gesichert. Wer hier Handel treiben wollte, musste nun Zölle zahlen.

Die Reichsstadt Rothenburg war daher eine Art kleiner Stadtstaat, selbst verwaltet und organisiert, umgeben vom eigenen Landgebiet. Rothenburg wurde zu einem „regionalen und teils überregionalen Zentrum landwirtschaftlicher Produktion“ (in Markus Naser, „Rothenburg, Reichsstadt“).

Rothenburg (im schwarzen Kreis) lag zentral im Heiligen Römischen Reich. Die Karte (Wikipedia) zeigt die Aufteilung des Reichs um das Jahr 1400.

Rothenburg (im schwarzen Kreis) lag zentral im Heiligen Römischen Reich. Die Karte (Wikipedia) zeigt die Aufteilung des Reichs um das Jahr 1400.


Was außerhalb der Landwehr lag, das Gebiet der Hohenloher, die Markgrafen Ansbach, das Bistum Würzburg, fühlte sich für die Rothenburger wahrscheinlich wie Ausland an. Als Reichsstädter konnten sie frei agieren, bestimmen, welche Waren eingeführt wurden und wer in ihrer Gemeinschaft lebte.

Nach der Regentschaft von König Rudolf von Habsburg wurde das Heilige Römische Reich bis zu seiner Auflösung im Jahr 1806 von 30 verschiedenen Königen bzw. Kaisern beherrscht. Hin und wieder besuchten die Herrscher die Reichsstädte, denn das Heilige Römische Reich (HRR) hatte keine Hauptstadt, sondern war ein Reisekönigtum.
Auch Rothenburg wurde mehrmals von Kaisern besucht – was stets mit einem immensen Aufwand verbunden war. Kaiser Friedrich III. (von 1453 bis 1493 Kaiser des HRR) kam im Jahr 1474 mit Gefolge und benötigte Ställe für 1 000 Pferde. Zu den Pflichten der Stadt gehörte es, dieses und andere Spektakel ohne Entschädigung auszurichten.
Ab dem 15. Jahrhundert ging es gemächlicher zu in Rothenburg. Die Bevölkerung wuchs nicht mehr. Die Reformation hinterließ ihre Spuren, ebenso der Dreißigjährige Krieg. Nach dessen Ende war die Stadt hoch verschuldet und die Wirtschaftslage schlecht.

Das Ende der reichsstädtischen Zeit kündigte sich mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts an.

Mit dem Reichsdeputationshauptschluss im Jahr 1803 wurden 45 der 51 noch bestehenden Reichsstädte mediatisiert und in benachbarte Fürstentümer eingegliedert, als Lohn für deren Unterstützung bei Napoleons Machtausweitung. Napoleon wollte die politische Landverteilung des deutschsprachigen Raums sozusagen neu ordnen.

Die Bayern: Neue Herren

Die Reichsstadt Rothenburg ging daher an den Kurfürsten von Bayern als Ausgleich für die an Frankreich verlorenen linksrheinischen Gebiete. „Rothenburg wurde so Teil eines neuen großen Wirtschaftsgebiets“, erklärt Dr. Florian Huggenberger.

Zuvor hatte Rothenburg durch die eigene Landwehr die Einfuhr aller Produkte kontrolliert, nun drängte ein neuer Markt herein. Viele Unternehmen sind dabei untergegangen, die Menschen haben die Stadt verlassen.„Die Not war groß und wurde erst durch die touristische Entwicklung aufgefangen“, erklärt der Stadtarchivar.

Heute blickt Rothenburg stolz auf seine Zeit als Reichsstadt. Sowohl an Pfingsten wie auch Anfang September wird mit großen Festen der Historie gedacht. Das Bühnenstück „Der Meistertrunk“, das die Geschichte der Belagerung im Dreißigjährigen Krieg zum Ursprung hat, wird dabei regelmäßig aufgeführt.

Zum 750. Jubiläum der Verleihung der Reichsstadtprivilegien sind in diesem Jahr eine Reihe besonderer Veranstaltungen geplant (siehe Kasten). Es gibt also etwas zu feiern in Rothenburg.am