Historische Kulturlandschaft Sep01


Historische Kulturlandschaft

Nadine Höhne, Projektleiterin des neuen Burgbernheimer Kompetenz­zentrums und Stadtgärtner Ernst Grefig am Eingang des Streuobst-Lehrpfades. Foto: ul

Nadine Höhne, Projektleiterin des neuen Burgbernheimer Kompetenz­zentrums und Stadtgärtner Ernst Grefig am Eingang des Streuobst-Lehrpfades. Foto: ul

Burgbernheim ist die Wiege der Streuobstwiesen auf der Frankenhöhe

Schon im 18. Jahrhundert versorgten sich die Menschen auf der Frankenhöhe in dem mittelfränkischen Kleinstädtchen Burgbernheim mit Saft, Marmelade, Dörrobst oder Schnaps aus Streuobst. Jeder neue Bürger wurde angehalten, drei frische Bäume zu setzen, zu pflegen und zu ernten. Daraus entstanden die Burgbernheimer Streuobstwiesen. Aber was sind eigentlich Streuobstwiesen?

Das sind vom Menschen geschaffene Kulturlandschaften, die für den Obstanbau genutzt wurden. Die hochstämmigen Bäume, die „verstreut“ in der Landschaft stehen, tragen unterschiedliches Obst wie Äpfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen oder Walnüsse.

Meist nutzte man die „Bernheimer Hauszwetschge“, dessen wild wachsende Triebe verpflanzt und zu Obstbäumen herangezogen wurden. Andere Obstbaumsorten wie Apfel- und Birnbäume musste man käuflich erwerben.

Das hatte zwischen den 50er- und 70er-Jahren ein jähes Ende. In dieser Zeit fielen ca. 80 Prozent der Streuobstbäume durch die staatlich angeordnete prämierte Obstbaumrodung zum Opfer.

Nicht so in Burgbernheim. Durch die steilen Hänge war dieser Teil der Frankenhöhe für die Gewinnung von Bauland und Ackerflächen nicht geeignet.

Deshalb stehen heute noch rund 30.000 Bäume auf circa 120 ha Wiesenfläche. Davon gehören 60 Prozent der Stadt und der Rest liegt in privaten Händen. Die Burg-
bernheimer Streuobstwiesen gehören zu einer der größten zusammenhängenden Streuobstfläche Europas. Umgeben von Wald, Wiesen, Schafweiden, Bachauen und vielen kleinen Gewässern bietet die Obstkulturlandschaft Lebensraum für bis zu 5.000 Tier- und Pflanzenarten.

Bewusstsein stärken

„Zum Erhalt bestehender und vor allem historischer Sorten haben wir einen Pomologen zur Sortenbestimmung beauftragt. Circa 70 Edelreiser (Jungtriebe) wurden in eine Baumschule gegeben, um sie zu Jungbäumen heranzuziehen“, so Ernst Grefig der Gartenbaufachmann vor Ort.

Die Burgbernheimer haben schon früh erkannt, welchen Wert die alte Kulturlandschaft hat und gründeten im Jahr 2014 die Genossenschaft „Streuobst Mittelfranken-West e.G.“. Ziel der Initiative ist, die unverwechselbare Obstlandschaft mit ihren alten knorrigen Bäumen zu erhalten und die geernteten Früchte weiter zu verarbeiten und zu vermarkten.
Seit 2017 vergibt die Stadt sogenannte Baumpatenschaften, die dazu verpflichten, die Obstbäume zu schneiden und die Früchte zu ernten. „Dazu bieten wir nicht nur Baumschnittkurse für Jungbäume, sondern auch Kurse für die alten Kollegen an“, sagt Ernst Grefig.

Auch die angebotenen Schlemmerwanderungen und der alljährliche Streuobsttag erfreut sich wachsender Beliebtheit. Der nächste Streuobsttag findet am 8. Oktober von 10 bis 18 Uhr statt. Hier kann man sich Informationen über Wildobstsorten (mit Beratung und Verkauf), zur Baumwartausbildung und zur Erkennung von Krankheiten an Obstbäumen holen. Neben einem Streichelzoo, Kaffee und Kuchen werden auch Kräuterwanderungen und Führungen durch die Streuobstwiesen angeboten. Apropos Kräuterwanderungen. In Burgbernheim kann man sich in beteiligten Privatgärten zu einer Kräuterwanderung anmelden.

Ein Jahr vor Corona entstand der Streuobstlehrpfad mit einem vorgelagerten Hainbuchen-Labyrinth. Hier erfährt man über eine Weglänge von vier bis sechs Kilometern Wissenswertes über Streuobstwiesen und ihre Lebensräume. Startpunkt ist der Burgbernheimer Marktplatz. Dazu kann man sich eine App mit einem kleinen Quiz und vielen Zusatzinformationen herunterladen. Infotafeln klären über alte Obstsorten, die Artenvielfalt, Lebensräume für Tiere und Pflanzen, Kleingewässer, Obstverwertung und Wildobstsorten auf. „Ich mag zwar das Wort ‚Superfood‘ nicht, aber unser Wildobst gehört dazu und wird auf Burgbernheimer Streuobstwiesen angebaut“, erklärt Ernst Grefig.

Beispiele sind die Maulbeere mit ihrem hohen Gehalt an Vitamin-C und Antioxidantien, die Elsbeere, der Speierling und die Mispeln mit ihren gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen. Diese alten Sorten werden auf dem Lehrpfad für die Bevölkerung wieder ins Gedächtnis gerufen. Interessant ist auch die Reifezeit der Maulbeerfrüchte, die sich nach und nach über zwei Monate hinzieht. Der bayerische Streuobstpakt aus dem Jahr 2021 kam den Burgbernheimern mit einem Förderprogramm gelegen. Dafür wurden sogenannte Streuobstmanager für jeden Regierungsbezirk in Bayern in den Landwirtschaftlichen Lehranstalten in Triesdorf geschult, um das Abkommen umzusetzen. Der Pakt sieht die Pflanzung von einer Million zusätzlich gepflanzten Obstbäumen und den Erhalt der Streuobstwiesenbestände vor. Kritik zu Fragen der Obstverwertung, der jährlich notwendigen Schnittmaßnahmen und der Pflege der Wiesen standen im Raum.

Gerade hier will die Stadt Burgbernheim mit ihren Aufklärungsaktionen aktiv werden. Von Schnittkursen, Obstanbau, Baumpflanzung, Sortenberatung, Obstverwertung bis hin zu immer wiederkehrenden Veranstaltungen will man dazu beitragen, den Wert der Streuobstwiesen wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rufen. Teil dessen wird das neue, noch im Bau befindliche Streuobst-Kompetenzzentrum „Bernatura“ sein.

Das im Bau befindliche Kompetenzzentrum soll im Jahr 2024 eingeweiht werden. Hier sollen Bürger wieder an die Streuobstnutzung herangeführt werden und fachmännische Unterstützung erhalten. Foto: Hirsch Architekten

Das im Bau befindliche Kompetenzzentrum soll im Jahr 2024 eingeweiht werden. Hier sollen Bürger wieder an die Streuobstnutzung herangeführt werden und fachmännische Unterstützung erhalten. Foto: Hirsch Architekten

Neues Kompetenzzentrum

Hier sollen die vorhandenen Fachkenntnisse, die seit Jahrhunderten über Obstbäume gesammelt wurden, zusammengeführt und weiterentwickelt werden. „Dazu werden zwei gleich neben dem Rathaus befindliche, denkmalgeschützte Gebäude renoviert und ausgebaut. In einem vorgelagerten Neubau soll eine Mosterei entstehen, um die Saftproduktion für selbst angelieferte Früchte zu ermöglichen. Eine Lehr- und Schauküche für Kochkurse und eine Streuobstbibliothek mit Fachliteratur ist in Planung. Ebenso wird das Zentrum ein Ort für Kulturveranstaltungen wie Konzerte, Lesungen und Infoabende sein.

„Wir sehen unsere Aufgabe besonders in unserem Bildungsauftrag in Schulen, Kindergärten und in der Erwachsenenbildung. Denn nur wenn wir die Generationen schon früh für das Thema Natur- und Umweltschutz sensibilisieren, haben alle Bemühungen der Stadt auch eine Zukunft“, so Nadine Höhne, Projektbeauftragte der Stadt für das neue Kompetenzzentrum.

Alle Informationen rund um das Thema Streuobstwiesen in Burgbernheim sind im Internet unter: www.burgbernheim.de zu finden. ul