Alte Bücher und Schriften erhalten Jun01


Alte Bücher und Schriften erhalten

Henriette Reißmüller hat als diplomierte Papierrestauratorin einen Faible für historische Schriften

Momentan restauriert Henriette Reißmüller verschiedene christliche Schriften. Darunter Bibeln, Predigtbücher und Pergamentrollen. Fotos: ul

Momentan restauriert Henriette Reißmüller verschiedene christliche Schriften. Darunter Bibeln, Predigtbücher und Pergamentrollen. Fotos: ul

Papier ist geduldig und damit das so bleibt, gibt es feinhandwerklich geschickte Menschen wie die diplomierte Papierrestauratorin Henriette Reißmüller in Binzwangen bei Colmberg. Sie ist eine von den Fachleuten, die schriftliches Kulturgut aus allen Epochen erhalten und wieder benutzbar macht. Schon als Kind liebte sie Bücher und schmökerte für ihr Leben gern. Geschichtlich interessiert war und ist die gebürtige Schillingsfürsterin heute noch. Nicht umsonst ist sie Teil des historischen Schäfertanzes in Rothenburg.

Wenn man ihre kleine Werkstatt betritt, steigt sofort ein Hauch von Klebstoff in die Nase. „Das ist immer so, trotz lüften“, sagt die Buchliebhaberin. Schon als Schülerin machte sie ein Praktikum im Germanischen National Museum Nürnberg, wo Papierrestauratoren ihr Handwerk verrichten. In Rothenburg verbrachte sie viel Zeit im Stadtarchiv und fragte den damaligen Stadtarchivar Waldemar Parr Löcher in den Bauch. Henriette Reißmüller spielte mit dem Gedanken, sich ebenfalls zur Archivarin ausbilden zu lassen. Waldemar Parr riet aufgrund mangelnder Stellenangebote davon ab. Durch eine Infoveranstaltung für Papierrestaurierung war ihr Werdegang klar.

Ihre Vorpraktika u. a. im Archiv Koblenz, in einer privaten Grafikfirma und im Museum Trinity College Library Dublin haben ihren Entschluss für ein Studium zur Restauratorin an der Fachhochschule in Köln gefestigt. „Ich entschied mich für den Schwerpunkt „Archiv“, denn hier ist alles zu finden: Bücher, Fotos und Karten“, erzählt sie. Während dessen absolvierte sie ein Praxissemester im Royal Ontario Museum von Toronto (Kanada) und arbeitete anschließend von 2005 in einem Leipziger Unternehmen, bis sie 2008 als Restauratorin nach Rothenburg zurückkehrte. „Der Bedarf ist groß in unserer Region“, weiß sie aus Erfahrung.

Zuerst musste sie natürlich ihren Bekanntheitsgrad in Museen und Archiven steigern. Heute kommen Aufträge von ganz allein ins Haus. Henriette Reißmüller restauriert im wesentlichen Bücher. Im Moment arbeitet sie u.a. an einem mit Leder eingebundenen Predigtbuch aus dem Jahre 1772. Sie führt auf ihrer Werkbank den ersten Schritt der Restaurierung vor. Anfangs wird das Buch jedoch abfotografiert und dokumentiert, damit jede Restaurierung erfasst wird. Mit einem weichen Radierschwamm (Bild S. 96, re. oben) wird das Buch von Staub- und Schmutzpartikeln befreit.

Restaurierung Schritt für Schritt

Manchmal werden Seiten auch gewässert, wodurch sich neben der Schmutzlösung auch die Papierfasern stabilisieren. Der lederne Einband wir ebenfalls gesäubert, der oft losgelöste Spiegel (innere Teil des Deckels) erneuert oder repariert und durch das Ankleben von Lederstreifen wird der Einband wieder mit dem Deckel verbunden. „Manchmal ist der Ledereinband geschrumpft und die Seiten passen nicht mehr hinein.

In diesem Fall erweitert Henriette Reißmüller den Einband durch Lederersatzteile. Metallschließen werden gesäubert und ggf. die Lederhalterung verlängert. Risse und Löcher im Papier werden durch hauchdünnes, fast transparentes und gleichzeitig stabiles Japanpapier geschlossen. Papier war bei den Chinesen ab 2. Jh. bekannt. In Europa kam es erst im 14. Jh. zur Anwendung. Zuvor schrieb man auf Pergament, das aus Tierhäuten (Ziege, Schaf) hergestellt und auf einen Holzrahmen gespannt und getrocknet wurde. Pergament ist also kein Papier, wie man meinen möchte. Leder dagegen ist Tierhaut, die nicht zum Trocknen gespannt, sondern gegerbt wird.

Die Restauratorin kennt sich mit den Materialien aus. Das ist für die Bestimmung von Alter und Herkunft von Wichtigkeit. Welche Klebstoffe wurden verwendet, bestimmte Künstler verwenden besondere Tinte. Auch die Buchbinder haben ihre eigene Handschrift, was das Material und die Art der Verarbeitung angeht. Henriette Reißmüller würde sich wünschen, dass Museumsmitarbeiter und andere Fachleute mehr mit Restauratoren zusammenarbeiten, um alte Schriftstücke nach Alter und Herkunft besser einordnen zu können. ul