Erkenntnisse aus 50 Jahren Jul04


Erkenntnisse aus 50 Jahren

Herbert Schüßler findet Neandertalerkunst in Hohenlohe

Herbert Schüßler mit seiner Frau Anita im heimischen Büro. Zur Sammlertätigkeit kam auch eine umfassende Beschäftigung mit der bestehenden Literatur. Foto: am

Herbert Schüßler mit seiner Frau Anita im heimischen Büro. Zur Sammlertätigkeit kam auch eine umfassende Beschäftigung mit der bestehenden Literatur. Foto: am

Herbert Schüßler aus Rot am See ist sich sicher: Was er auf den Äckern Hohenlohes gefunden hat, sind kunstfertige Hinterlassenschaften der Neandertaler. Damit müsste die Entwicklungsgeschichte der Menschheit neu geschrieben werden, denn der aktuelle wissenschaftliche Stand verortet die ältesten menschlichen Kunstäußerungen in Europa beim Homo Sapiens, etwa 50 000 Jahre alt. Die Funde in Hohenlohe wären aber etwa 100 000 Jahre alt.

„Vertreter des archäologischen Instituts in Tübingen versuchten die Herausgabe des Buches zu verhindern“, erzählt Schüßler. Im Herbst 2022 ist sein Werk „Kunst und Kultur der Neandertaler“ erschienen. Zwei Jahre, während der Coronazeit, hat der 84-Jährige zusammen mit seiner Frau Anita daran gearbeitet.

Herbert Schüßler, langjähriger Geschäftsmann aus Rot am See, ist seit jeher historisch interessiert und hat zahlreiche Bücher über die Besonderheiten Hohenlohes verfasst. Mit seinem 15. Werk über die Figurensteine fasst er nun seine 50-jährige Sammlertätigkeit auf knapp 500 Seiten und mit Hunderten von Abbildungen zusammen.

„Alle Funde stammen von einem Ort“, erklärt er. Vor 50 Jahren ist er erstmals auf einen Stein gestoßen, der die Form eines Werkzeugs hatte. Daraufhin fand er ein Objekt, das einen Tierkopf darstellte. „So kam eines zum anderen“, erzählt der Sammler. Beeindruckend viele Steine hat er gesammelt, archiviert, fotografiert und in Gruppen eingeordnet. Seit Jahren versucht er diese Objekte der Wissenschaft zugänglich zu machen. Würden seine Funde als Zeitzeugnisse der Menschheit anerkannt, dann „wäre das ein Paradigmenwechsel“, erklärt Schüßler.

Alle Objekte sind aus dem Hohenloher Feuerstein gefertigt, der vor etwa 200 Millionen Jahren entstanden ist. In seinem aktuellen Buch werden auch dessen Besonderheiten und frühere Nutzung anschaulich erklärt.
Gefunden hat Schüßler die Exponate auf dem Schuckhof, einem Gehöft bei Blaufelden. „Die Fundstelle ist etwa 300 mal 300 Meter groß“, erklärt er. In seinem Buch verortet er die geografische Lage der Fundstelle und deren Besonderheit mit mehreren, teils historischen Karten. Das Gebiet wurde erst vor 70 Jahren zum Kulturland und mit der Bearbeitung der Äcker kamen die Artefakte zum Vorschein.

Die Erfahrungen aus seiner lebenslangen Sammlertätigkeit hat Herbert Schüßler nun niedergeschrieben.

Die Erfahrungen aus seiner lebenslangen Sammlertätigkeit hat Herbert Schüßler nun niedergeschrieben.


Die Großzahl der Objekte hat er in den ersten Jahrzehnten seiner Sammlertätigkeit gefunden. Auf etwa 300 Seiten des Buches sind unzählige Abbildungen zu sehen. Dazu zählen Werkzeuge (Spitzen, faustkeilartige Artefakte, Buchtschaber, Bohrer oder sägenartige Messer) aber auch Tierköpfe, größere und kleinere Tierfiguren, die an Mammuts, Bären, Pferde oder Raubtiere erinnern, oder reliefartig bearbeitete Steine. Er hat diverse Stilrichtungen katalogisiert und zusätzlich zu den Figuren aus Feuerstein auch Objekte aus seltenem Material entdeckt. Besonders eindrucksvoll sind die Gesichtsfiguren, die sowohl mit schwarzer Patina als auch mit Chalzedon überzogen sind.

Bis jetzt gehören die „Venus vom Hohle Fels“ und der „Höhlenmensch“, beide Funde in einer Karsthöhle in der Schwäbische Alb, zu den weltweit ältesten Darstellungen des menschlichen Körpers. Sie werden etwa auf ein Alter von 30 000 bis 40 000 Jahren datiert und dem anatomisch modernen Menschen Homo sapiens zugeordnet.

Herbert Schüßler vermutet, dass die von ihm gesammelten Artefakte in einer früheren Warmzeit entstanden und somit etwa 100 000 Jahre alt sind. Somit müssten sie von den Neandertalern stammen, denen (als der Homo Sapiens vorangegangenen Kulturstufe) bis dato in der Wissenschaft keine derartigen Fähigkeiten zugeschrieben wurden. Dass dies so ist, daran hat Schüßler keinen Zweifel. Ob seine Erkenntnisse jedoch von der Wissenschaft anerkannt werden, ist eine andere Frage. „Und ob ich das dann noch erlebe?“, fügt der 84-Jährige an.

Von zwei Wissenschaftlern, Prof. Dr. Horst Bredekamp von der Humboldt-Universität Berlin und Prof. Dr. Svante Pääbo, Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Nobelpreisträger, kamen positive Rückmeldungen. Der Rest der Wissenschaft schweigt. Ein Anliegen von Herbert Schüßler wäre es, dass seine Sammlung einen wissenschaftlich anerkannten Platz erhält. am

Herbert Schüßler, Kunst und Kultur der Neandertaler (mit Beiträgen von Günter Griebel und Utz-Helmut Bak), Eppe-Verlag, ISBN 978-3-89089-198-9, 49 Euro.