Die Historie  bewahren Sep01


Die Historie bewahren

Matthias Zink hat das Zollhaus in Reichardsroth zu neuem Leben erweckt. Foto: am

Matthias Zink hat das Zollhaus in Reichardsroth zu neuem Leben erweckt. Foto: am

Denkmalpreis für das Zollhaus

Matthias Zink hat eine private Publikation verfasst. Knapp 300 Seiten hat das Buch. Es erzählt nicht nur die Geschichte des Zollhauses in Reichardsroth, sondern auch den Werdegang vom unscheinbaren Wohnhaus zum prämierten Denkmal. Zink hat für die Sanierung des historischen Hauses die bayerische Denkmalschutzmedaille 2023 erhalten.

Zu Recht ist er stolz darauf. Mindestens 14 000 Stunden Eigenleistung sind in den letzten zehn Jahren in das Projekt geflossen. „Ohne die Unterstützung meiner Familie wäre das nicht möglich gewesen“, erzählt er und fügt an, „Die Auszeichnung ist für uns alle.“

Matthias Zink, beruflich als Maschinenbautechniker tätig, ist in Reichardsroth gegenüber des Zollhauses aufgewachsen. Das im Jahr 1700 erbaute Haus war bis 2000 bewohnt. Über die Jahrhunderte wurde es immer wieder verändert und hatte schließlich den Charme eines 50er-Jahre Hauses. Nur am Wappen war zu erkennen, dass hier mehr drin steckt.

Als 2013 sein Nachbar das Haus zum Verkauf anbot, schlug Matthias Zink zu. „Ich war schon immer geschichtlich interessiert und habe eine Leidenschaft zum Alten“, erklärt er. Klar war für ihn auch, dass er in diesem Haus einmal leben wird.

Die Reichsstadt Rothenburg beschloss im 15. Jahrhundert eine 62 km lange Landhege zu bauen, um ihr Gebiet, die Landwehr, zu sichern. Die 20 m breite Anlage bestand aus Erdwällen und Gräben. Wichtige Durchlässe wurden mit Landtürmen und Zollhäusern gesichert. So auch in Reichardsroth, dem nördlichsten Punkt der Landwehr. Der Turm blieb zwar nicht erhalten, aber das Zollhaus hat die Jahrhunderte überstanden.

Matthias Zink wollte das Haus mit feinem Gespür für dessen individuelle Geschichte wieder zu neuem Leben erwecken. Vor dem Beginn aller Arbeiten standen daher die Voruntersuchungen in Absprache mit dem Denkmalamt an. Ein dendrochronologisches Gutachten stellte anhand der Altersbestimmung der verwendeten Holzbalken das Baujahr fest. „Das Holz wurde im Jahr 1699 gefällt“, erzählt Zink. Die Datierung des Zollhauses auf das Jahr 1700 war somit nachgewiesen.

Weiterhin mussten ein verformungsgerechtes Aufmaß erstellt und ein Nutzungskonzept verfasst werden. Außerdem wurde die in der Denkmalpflege erfahrene Architektin Anette Sauerhammer für die Realisierung zugezogen. Nun konnte Matthias Zink auch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln beantragen. „Ohne diese Unterstützung unter anderem durch den Entschädigungsfond hätte ich als Privatperson die Restaurierung in dieser Form nicht stemmen können“, erklärt er.

Zink hat das Zollhaus nicht nur zum lebenswerten Wohnraum gemacht, sondern auch wieder die Zeitzeugen der Geschichte freigelegt. Die Außenwand zur Straße hin wurde mit speziellem Kalkputz restauriert. Dabei hat er Besonderheiten der Zollanlage entdeckt: Ein massiver Torangelstein mit Vertiefung für eine Torangel, eine Nut für eine Schranke, daneben eine Nische, um eine Laterne abzustellen, und ein kleines Fenster, das aus dem Innenraum geöffnet werden kann, weisen auf den Ablauf eine Zollstation hin.

Ein Foto vom Zollhaus aus dem Jahr 1905. Foto: Privat

Ein Foto vom Zollhaus aus dem Jahr 1905. Foto: Privat


Das Fachwerk wurde mit großem Aufwand wieder instand gesetzt. Zink hat genau dokumentiert, wo Originalsubstanz erhalten ist und wo es nötig war, Holz zu ersetzen. Die Fenster hat er nach altem Vorbild mit historischen Beschlägen, vierflügelig aber mit Isolierverglasung fertigen lassen.

Die Liebe zum Detail ist in allen Winkeln vertreten. Die Riegelfelder im Fachwerk wurden nach historischem Vorbild mit Staken versehen und mit einem Lehm-Stroh-Gemisch verfüllt. Bestehende Putze hat Zink aufwändig erhalten. Und auch die Fassung wurde sowohl innen wie außen nach Originalfunden farblich gestaltet.

Mit Herzblut saniert

In der guten Stube wurde die Balken-Bohlen-Decke unter Zentimeter starkem Putz freigelegt und sogar Fehlböden hat Zink nach einer Einweisung durch einen Spezialisten nachgebaut. „Wir waren mehrmals im Freilandmuseum“, erzählt er. Immer auf der Suche nach der originalgetreuen Verarbeitung hat er sich dort die Verlegung des Holzbodens in der guten Stube mit geschmiedeten Nägeln abgeschaut.

Die älteste Türe hat Zink im Dachgeschoss des Zollhauses gefunden. Sein Bruder Michael Zink, von Beruf Schreiner, hat nach dieser Vorgabe Türen für das Zollhaus gefertigt, die individuelles Flair ausstrahlen. Historische Schlösser, Türgriffe und Riegel, alles im Einzelnen zusammengetragen, vervollständigen das Bild.

Aus dem Baumarkt findet man im Zollhaus nichts: Der Boden der Räume im Erdgeschoss ist mit alten Sollnhofener Schieferplatten belegt, das Dach wurde mit handgestrichenen Ziegeln gedeckt, die die Familie über die Jahre zusammengetragen hat. Und sogar die Elektrik hat Stil. Mit der Unterstützung von Vater Wilhelm Zink, gelernter Elektriker, sind schwarze Drehschalter und sichtbare Leitungen eingebaut worden. „So mussten wir die historische Substanz nicht verletzen“, erklärt der Hausherr.

Seit zweieinhalb Jahren lebt Matthias Zink nun im alten Zollhaus. Aktuell legt er an der Rückseite des Hauses den historischen Wallgraben frei und widmet sich noch den Außenanlagen. Auch ein Landhegestein befindet sich auf seinem Grund. An der rückwärtigen Eingangstür hat er einen Spruch angebracht: „Ein Haus zu erhalten braucht Geschick, in diesem Haus zu leben ist ein Glück“. Vielleicht hat das Zollhaus noch nie so viel Würdigung erhalten wie in diesen Tagen. am