Wellness in Marmor Jun01


Wellness in Marmor

Das Schwimmbad im Wildbad

Eigentlich müsste Wildbadleiter Dr. Wolfgang Schuhmacher auf dem Foto komplett im Wasser stehen, denn er befindet sich auf dem Grund des ehemaligen Schwimmbads des Wildbads. Foto: am

Eigentlich müsste Wildbadleiter Dr. Wolfgang Schuhmacher auf dem Foto komplett im Wasser stehen, denn er befindet sich auf dem Grund des ehemaligen Schwimmbads des Wildbads. Foto: am

Wer früher was auf sich hielt, der ging zum Baden und Kuren ins Rothenburger Wildbad. Seit den 1980er Jahren gehört das gesamte Wildbadensemble nun der Evangelischen Kirche und wird als Tagungsstätte mit facettenreichen Seminar-, Kunst- und Kulturangeboten betrieben. Von der Ausstattung der einstigen Badeanstalt ist nur noch das Schwimmbad erhalten – und auch das ist im Alltag nicht sichtbar. Eine unscheinbare Luke im Boden des heute als Turnhalle bezeichneten Gebäudes führt hinab in die einstige Wasserwelt des Wildbads.

Die sieben Marmorstufen, die den Badegästen einen entspannten Einstieg boten, sind zwar alle noch vorhanden, aber wer heutzutage ins Schwimmbecken einsteigen will, der muss per Leiter durch die Luke klettern. Vom Schwimmbadambiente ist im ersten Moment nicht viel zu sehen. Durch gemauerte Säulen, auf denen Eisenstreben liegen, wurde die nötige Statik geschaffen, um einen Boden über dem Becken einzuziehen.

Die Wände im Schwimmbecken wirken bei der Notbeleuchtung anhand einer tragbaren Lampe eher unscheinbar – sind jedoch ebenso wie die Treppenstufen aus reinstem Marmor, der gut 1,5 cm dick ist.

Der Boden des Wasserbeckens besteht aus hellen Fließen, wahrscheinlich die gleichen, die die Wände der Turnhalle darüber etwa eineinhalb Meter hoch zieren.

Der Leiter der Tagungsstätte, Dr. Wolfgang Schuhmacher, misst das Schwimmbecken mit Meter großen Schritten aus. Etwa 4,5 mal 9 Meter dürfte das Becken groß sein. Der Beckenboden ist abschüssig konstruiert und an der tiefsten Stelle kann Schumacher trotz der eingezogenen Decke bequem aufrecht stehen.

An der Stirnseite des Wasserbeckens prangt ein gusseiserner Löwenkopf. In seinem aufgerissenen Maul ist deutlich eine große Öffnung zu sehen, aus der einst das Wasser in das Schwimmbecken sprudelte.

Das Schwimmbad wurde von dem Orthopäden Friedrich Hessing erbaut, der das Ensemble 1894 von der Stadt kaufte und zur Kuranlage umbaute. Eine Bedingung des Kaufvertrags war, dass die Badeeinrichtung nicht nur den Kurgästen, sondern auch den Bürgern Rothenburgs zu Verfügung stand (in Lore Heilmann, „Das Wildbad in früheren Zeiten“, S. 203 ff.).

Repro: Wildbad

Repro: Wildbad

Am Montag, 15. Juni 1903, wurde die Badeanstalt für Schwefel- und Stahlbäder und das Schwimmbad den allgemeinen Besuchern übergeben, so ein Inserat im Fränkischen Anzeiger am 11. Juni 1903.

Das Schwimmbad war in der eigens dafür gebauten Schwimmhalle untergebracht und wurde „mit stahlhaltigem Mineralwasser“ gespeist. Die Wassertiefe wurde von 1,40 m bis 1,80 m angegeben.

Um das Becken konnte man bequem herumgehen und eine verglaste Deckenöffnung und drei Rundbogenfenster mit Glasmalerei sorgten für ein entspanntes Ambiente. „Die bunten Glasfenster haben wir noch und sie sind sicher eingelagert“, so Schuhmacher.

Friedrich Hessing, der als Erfinder des Schienenhülsenapparats und des Hessing-Korsetts Berühmtheit erlangte, baute aber nicht nur die Schwimmhalle, sondern auch den daran anschließenden Wannenbadetrakt, der das Kurareal mit dem Haupthaus verband.

In dem Wannenbadetrakt befanden sich dreizehn nebeneinander liegende Badekabinen und ein Kesselraum zur Erwärmung des Mineralwassers. Der Wannenbadetrakt wurde möglicherweise schon in den 1930er Jahren abgebrochen, schreibt Lore Heilmann. Die Blütezeit des Wildbads ist eng mit der Ära Hessing verbunden. Die Wurzeln des Badeanstalt an der Tauber gehen aber bis in die Zeit von Bürgermeister Heinrich Toppler zurück. Angeblich soll das Erdbeben im Jahr 1356 Schwefel-Quellen ans Licht gebracht haben und schon im Jahr 1400 soll Toppler für Badegäste eine Unterkunft geschaffen haben (so in „Das Rothenburger Wildbad vor 100 Jahren“, Die Linde Nr. 1, 1924, S.5 ff.).

Die Kraft und Wirkung der Quelle soll Chemiker wie Andreas Libavius (im Wildbad tätig von 1591 bis 1601) angezogen und zahlreiche medizinische Abhandlungen ausgelöst haben.

Zum Ende der Reichsstädtischen Zeit ging die Badeanstalt mit Gastbetrieb in private Hände und „es mangelte ihm allmählich vollends alles, was zu seiner Empfehlung dienen konnte“ (in „Das Rothenburger Wildbad vor 100 Jahren“). Erst als sich 1820 die Stadt entschloss, das Wildbad wieder selbst in die Hände zu nehmen, ging es aufwärts.

Nach der Blütezeit als Kur- und Badeeinrichtung unter Hessing hatte das Ensemble verschiedene Eigentümer und Nutzungen. Als die Bayerische Bereitschaftspolizei das Wildbad als Ausbildungszentrum nutzte, wurde für die Nutzung als Turnhalle das Schwimmbecken abgedeckt.

Heute befindet sich in der ehemaligen Turnhalle und über dem Schwimmbecken das Atelier der Künstler des Art Residency Projekts des Wildbads. Dr. Schuhmacher kann sich aber für die Zukunft eine vielschichtige Nutzung vorstellen. „Vielleicht könnte man dann Teile des Schwimmbads sichtbar machen und konzeptionell einbinden“, überlegt er. am