Wasser im Turm Mrz03


Wasser im Turm

Industriedenkmal im Galgentor

Das Galgentor, die am höchsten Punkt der Stadt gelegene Befestigungsanlage (auch Würzburger Tor genannt), ist mehr als ein historisches Bollwerk. Im 14. Jahrhundert als Wehranlage erbaut, haben die Stadtväter 500 Jahre später einen neuen Nutzen in der Anlage – insbesondere im zugehörigen Turm – gesehen: In etwa 22 Metern Höhe wurde ein imposanter Wasserspeicher samt Ständerkonstruktion eingebaut, die sich durch den gesamten Turm zieht. Die Anlage befindet sich noch heute unverändert im Turm.

Wasser war schon immer ein besonderes Thema in Rothenburg. Die romantische Lage der Stadt auf einem Felsvorsprung zwischen der Frankenhöhe und dem Taubertal bringt als Nachteil einen Mangel an Grundwasser mit sich. Die Rothenburger mussten also von jeher überlegen, wie sie das lebensnotwendige Nass in ihre Brunnen und später in ihre Häuser brachten.

Stadtbaumeister Michael Knappe inspiziert den Wasserkessel im Turm des Würzburger Tors, der sich über zwei Stockwerke erstreckt und auf Stahlschwellen steht. Foto: am

Stadtbaumeister Michael Knappe inspiziert den Wasserkessel im Turm des Würzburger Tors, der sich über zwei Stockwerke erstreckt und auf Stahlschwellen steht. Foto: am

Daher gab es mehrere Zuleitungen in die Stadt. Eine davon nutzte drei Quellen nahe der Wachsenberger Steige und führte bis zu einem Reservoir am Würzburger Tor. Die in den 1860er Jahren errichtete Leitung lieferte aber nur unzureichend Wasser. Eine Akte zum Wasserreservoir im Würzburger Tor liegt im Stadtarchiv. Archivar Dr. Florian Huggenberger hat darin recherchiert: Im Winter 1892 wurden gerade mal 0,8 Liter/Sekunde Wasserzulauf aus dieser Leitung gemessen. Zeitweise musste der Bevölkerung das Wasser gesperrt werden.

Die Stadt musste also tätig werden um die Versorgung zu gewährleisten. Der Geologe Dr. Hans Thürach wies 1890/91 auf die Möglichkeit hin, Wasser aus dem Moritzgrund zwischen Rothenburg und Neusitz zu beziehen. „In einem späteren Gutachten schrieb er, unter Einbeziehung von Wasserquellen bis zum großen Lindleinsee seien Wassermengen von bis zu 10 Liter/Sekunde zu erreichen“, so die Archiv-Recherche.

Wasser war also da, nun musste es nur noch bis zum höchsten Punkt der Stadt kommen. 1892 beauftragte die Stadt den Amberger Ingenieur Heinrich Kullmann mit der Ausarbeitung eines Plans für eine Leitung vom Neusitzer Seelein hin zum Würzburger Tor. Im März 1893 erhielt die Stadt wegen der Wichtigkeit des Anliegens von der Regierung von Mittelfranken die Erlaubnis, für den Leitungsbau benötigte Grundstücke zu enteignen. Inwieweit das genutzt wurde, geht aus dem Akt im Archiv aber nicht hervor.

Auch die Bürger sollten bei dem neuen Projekt ins Boot geholt werden. Vertrauensleute wurden beauftragt, die Einwohner von einem Anschluss an die neue Leitung zu überzeugen. Im April des selben Jahres reichten mehrere Bürger eine Petition ein, um die Vorschrift zu kippen, dass Hausanschlüsse in galvanisierten Eisenrohren ausgeführt werden müssten. Die Bürger wollten Bleirohre einbauen. Das Magistrat sah jedoch keine Veranlassung, dem nachzugeben, da die Rohre schon bestellt waren.

Parallel dazu wurde am Seelein eine Pumpstation eingerichtet. Hans Wirsching schreibt im Februar 1951 in „Die Linde“, dass „das Pumpwerk zuerst mit einem Benzinmotor, später mit einer stationären Lokomobile und jetzt mit elektrischem Strom“ betrieben wurde.

Im Mai 1893 wurde der Maschinenbau Aktiengesellschaft Nürnberg (die spätere MAN) der Auftrag zum Bau des Hochreservoirs erteilt. Laut Ausschreibung sollte er ein Fassungsvermögen von etwa 80 Kubikmeter haben und über eine Eisenverstrebung mit dem Turm verbunden sein. Als Maße wurden 4,5 m x 3,9 m x 4,7 m angegeben. Die Kosten für den Tank beliefen sich auf 3025 Mark. Die Arbeiten sollten am 15. August 1893 abgeschlossen sein. Das hat sich allerdings verzögert, da es Probleme bei der Installation gab. Ende des Jahres 1893 soll die Anlage aber einsatzbereit gewesen sein.

Der Wassertank ohne Dach
Einen weiteren Beleg für den Wasserbehälter liefert ein Foto, das die Zerstörung der Galgengasse beim Luftangriff am 31. März 1945 zeigt. Der Turm ist komplett ausgebrannt und aus dem Stumpf ragt deutlich sichtbar der schwarze Wassertank heraus. Vincent Mayr schreibt um das Jahr 2000 in einem unveröffentlichten Manuskript zu „Kunstdenkmäler in Bayern“, dass der Wasserbehälter durch den Brand massiv gelitten hatte. Auch sei die Trägerkonstruktion nicht mehr tragfähig gewesen.

Nach dem Bombenangriff im März 1945 ist der Galgentorturm völlig ausgebrannt. Aus dem dachlosen Turmstumpf ragte für kurze Zeit der schwarze, eiserne Wasserkessel heraus. Foto: RothenburgMuseum

Nach dem Bombenangriff im März 1945 ist der Galgentorturm völlig ausgebrannt. Aus dem dachlosen Turmstumpf ragte für kurze Zeit der schwarze, eiserne Wasserkessel heraus. Foto: RothenburgMuseum

Im Herbst 1945 wurde durch Einziehen von Zwischenpodesten und Treppen der Turm wieder begehbar gemacht und ein behelfsmäßiges Dach aufgesetzt. 1947 begannen die Wiederaufbauarbeiten. „Die mangelhafte Eisenkonstruktion wurde durch zwei Eisenbetonträger, die man mit den starken Mauern verschlauderte, ersetzt“, so Mayr. Es ist anzunehmen, dass das Hochreservoir und die Wasserleitungen danach noch im Einsatz waren. Dies lässt auch die Angabe von Hans Wirsching, dass das zugehörige Pumpwerk 1951 noch in Betrieb war, vermuten (in „Die Linde“, 1951). Wann die Anlage stillgelegt wurde, ist nach der aktuellen Quellenlage nicht bekannt.

Erster Tank im Klingentor
Die Idee, ein Hochreservoir im Galgentorturm zu errichten, hatte in Rothenburg schon einen Vorläufer. Bereits um 1600 – Wassermangel war immer ein Thema – wurde eine Wasserleitung von drei Quellen bei der Bronnenmühle hoch in den Klingentortum gelegt. Ein Pumpwerk, das bis etwa 1850 betriebsfähig war, pumpte das Wasser in einen Kupferkessel im Turm, von wo mehrere Brunnen in der Stadt versorgt werden. Der erste Kupferkessel hat sich nicht mehr erhalten, aber noch immer steht dort der Kessel aus dem Jahr 1736. Dieser ist aber wesentlich kleiner als das Wasserreservoir im Turm des Würzburger Tors.

Etwa zur Zeit als in Paris der Eiffelturm für Aufsehen gesorgt hat, haben die Rothenburger ein konstruktiv beeindruckendes Bauwerk in den Turm am Würzburger Tor gebaut, das mit seiner vernieteten Eisenkonstruktion (mit abgerundeten Ecken) auch als Industriedenkmal dieser Epoche gelten kann. Auch wenn der Zugang für die Öffentlichkeit nicht möglich ist, kann der geneigte Leser die Wucht der Konstruktion spüren. Direkt in der Tordurchfahrt fußt das Eisengerüst, auf dem der Wassertank in luftiger Höhe steht. am