Wasser aus dem Berg Aug01


Wasser aus dem Berg

Seit dem 19. Jahrhundert wird Wasser aus dem Fels bei Neusitz gewonnen

Archäologin Andrea Lorenz, Lothar Schmidt, Stadtheimatpfleger Hans-Gustav Weltzer und Stadtbaudirektor Michael Knappe haben die Wassergewinnung in der „Scheelache“ in Augenschein genommen. Foto: am

Archäologin Andrea Lorenz, Lothar Schmidt, Stadtheimatpfleger Hans-Gustav Weltzer und Stadtbaudirektor Michael Knappe haben die Wassergewinnung in der „Scheelache“ in Augenschein genommen. Foto: am

Die Gänge sind dunkel, feucht und manchmal muss man gebückt laufen. Gefühlt Tausende von herumschwirrenden Fliegen wollen offensichtlich vom Schein der Taschenlampen und ihren Trägern nicht gestört werden. Von 1867 bis 1872 hat ein Bergmann aus Sachsen mit Unterstützung von Rothenburger Arbeitern ein Stollensystem in den Anstieg der Frankenhöhe nahe Neusitz geschlagen.

Grund dafür war der stete Wassermangel der Rothenburger. Dabei ging es nicht darum, auf eine Quelle zu stoßen, sondern die findigen Wassersucher waren auf das Sickerwasser aus. Eigentlich eine clevere Idee. Bedenkt man aber den dazu nötigen Aufwand, müssen die Rothenburger wahrlich verzweifelt gewesen sein.

Rothenburg sitzt durch seine Lage auf einem Felsvorsprung regelrecht auf dem Trockenen. Mit dem Zuwachs der Bevölkerung wurde das Thema der Wasserversorgung immer bedeutender. Auf mehreren Wegen wurde Wasser von außerhalb in die Stadt geleitet. Zusätzlich soll es mehr als 300 private Zieh-, Schöpf- und Pumpbrunnen in den Häusern gegeben haben (in: „Die Wasserversorung der Stadt Rothenburg“, Städtische Werke Rothenburg, 1979). Aber immer wieder gab es Trockenperioden, die den Mangel augenscheinlich werden ließen. So auch in den Jahren 1863/64.

Der damalige Bezirksarzt und anerkannte Geologe Dr. Pürkhauer „regte eine Suche nach Wasser an den Abhängen der Frankenhöhe an“ (in: „Die Wasserversorung der Stadt Rothenburg o. Tauber“, Die Linde, März 1951, S. 18 ff). Unter der Leitung des Wasserinspektors Henoch von Plauen wurde das Projekt umgesetzt.

Drei vereinte Wasseradern
Die Anlage umfasst eine Brunnenstube unterhalb von Wachsenberg und drei dort zusammenfließende Quellen: den „Lumpenbrunnen“, eine Quelle nahe der Wachsenberger Steige, den „Wachsenberger Stollen“ unterhalb Wachsenbergs und die „Schneelache“ (auch „Scheelache“genannt), ein in den Fels getriebener Stollen auf der Höhe der Straße nach Aidenau.

Die Anlage ist bis heute in Betrieb und der Stollen nahe Neusitz ist begehbar. Der Eingang ist gut versteckt, denn Wasser war und ist ein wichtiges Gut, das vor Verunreinigung geschützt werden muss. Ein Mittelgang aus roten Ziegelsteinen macht die Begehung komfortabel. Rechts und links davon sammelt sich das glasklare Wasser. Die Höhe des Stollens ermöglicht weitgehend einen aufrechten Gang.

Beleuchtet vom Schein der Taschenlampen sind die Spuren der Spitzhacken im Stein deutlich zu sehen. Per Hand wurden die Stollen in den Fels getrieben. Eine zeitraubende Angelegenheit, die auch noch durch den Krieg 1870/71 unterbrochen wurde, denn der Bergmann wurde zum Kriegsdienst abberufen.

Angeblich soll er in Rothenburg einen gewissen Bekanntheitsgrad gehabt haben, denn sein Name ist „alten Rothenburger im ‚Reißer-Türe‘ ein Begriff. Dieser etwa gegenüber dem Kohlenlager Keitel gelegene Turm war nämlich seine Behausung“ (in: „Das Wasserschloss im Wachsenberg“, Fränkischer Anzeiger vom 25. Oktober 1961).

Der Weg in die Stadt
Der Mittelgang und die vier abzweigenden Gänge sollen eine Länge von 750 m haben. Sozusagen aus einzelnen Tropfen wird über eine Ablaufrinne am Boden der Gänge zuerst ein kleines Rinnsal und nach und nach eine sichtbare Wasserader generiert, die zum Eingang hin in Rohre geleitet wird.

Unscheinbar und gut eingewachsen fügt sich die Brunnenstube in die Landschaft ein. Foto: am

Unscheinbar und gut eingewachsen fügt sich die Brunnenstube in die Landschaft ein. Foto: am

Von dort fließt das Wasser in die Brunnenstube am Fuß der Anhöhe. Noch immer vereint sich dort das Wasser aus den drei „Quellen“ und wird bis zum Galgentor geleitet. Bereits 1875 wurde dort ein Wasserbehälter mit 250 cbm Fassungsvermögen gebaut.

Der ganze Aufwand brachte aber auf Dauer kein zufriedenstellendes Ergebnis. Die Schüttung der Quellen war nicht so ergiebig, wie erwartet, und ging in den Sommermonaten stark zurück. Außerdem ließ die Qualität zu wünschen übrig: „Die Gesamthärte des Wassers lag zwischen 18 und 46 d.H.. Diese Tatsache muss sich zwangsläufig negativ auf das Rohrnetz auswirken“ (in: „Die Wasserversorung der Stadt Rothenburg“, S. 3). Außerdem scheint das Wasser bakteriologisch nicht einwandfrei gewesen zu sein.

Trotz des immensen Aufwands war das Wasserproblem der Stadt nicht gelöst. Das sollte auch über Jahrzehnte noch so bleiben und weitere Versuche der Wassergewinnung wurden unternommen. Erst 1953 bot sich der Stadt die Möglichkeit, sich an die Fernwasserversorgung anzuschließen.

Der Wassersammelstollen in der „Schneelache“ ist aber nach wie vor aktiv und die Brunnenstube gut gefüllt. „Mit dem Wasser werden einige Brunnen in der Altstadt gespeist“, erklärt Stadtbaudirektor Michael Knappe. Die Zuleitung führt nach wie vor über das Galgentor in die Stadt und wird dann mit andern Zuleitungen (z.B. vom Heckenacker) gebündelt. Der Herterichbrunnen am Marktplatz, der Kapellenplatzbrunnen, der Brunnen in der Hofbronnengasse und an der Eich (neben der St.-Johannis-Kirche) werden mit dem Wasser vom Berg gespeist. Vom Brunnen an der Eich fließt es weiter in die Kneippanlage und von dort hinunter in die Tauber.

Eine ziemlich verrückte Idee wirkt daher bis heute nach und lässt uns einen Eindruck von den immensen Anstrengungen unsere Vorväter zur Generierung des lebensnotwendigen Wassers gewinnen. am